"Zurücklehnen, geht nicht" Finanzminister Klingbeil mit deutlicher Ansage an Kollegen

Die Haushaltsaufstellung gehört zu den dringenden Aufgaben des neuen Finanzministers. Er startet mit einem Appell an die Kabinettskollegen.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil fordert alle Ressorts für die Aufstellung des Haushalts 2025 zu Sparmaßnahmen auf. "Als Finanzminister werde ich darauf drängen, dass jedes Ministerium Einsparungen vorbringt", sagte der SPD-Vorsitzende dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Sich zurückzulehnen, weil wir das 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur haben und die Verteidigungsausgaben jetzt von der Schuldenbremse ausgenommen sind, geht nicht", mahnte Klingbeil.
Der alte Bundestag hatte wegen der vorgezogenen Neuwahl keinen Haushalt für dieses Jahr mehr beschlossen. Die Bundesregierung arbeitet daher mit einer vorläufigen Haushaltsführung. Deshalb drängt die Zeit beim Haushalt 2025. Am 25. Juni will Klingbeil ihn durchs Kabinett bringen, ihn auch vor der Sommerpause erstmals im Bundestag beraten. Der Beschluss ist für September geplant. Auch der Etat für 2026 steht bald an, er soll bis Jahresende beschlossen sein.
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"Ich will am Ende einen Etat vorlegen, der durchgerechnet und in sich konsistent ist", betonte Klingbeil. Durch die Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse habe die Koalition Spielräume geschaffen, um in die Zukunft des Landes zu investieren: "Das ist nach vorne gerichtet, um Deutschland stark zu machen, nicht um im Haushalt Löcher zu stopfen." Die jüngste Steuerschätzung erschwert die Haushaltssorgen zusätzlich. Demnach muss der Bund bis 2029 mit 33,3 Milliarden weniger auskommen, als noch im Oktober prognostiziert.
Neue Spielräume nur fürs Stopfen von Haushaltslöchern
Die vorherige Ampel-Regierung ist maßgeblich am Streit über den Haushalt und die Schuldenbremse zerbrochen. Kurz vor der Bildung der neuen schwarz-roten Koalition hatte der alte Bundestag noch entschieden, einen bis zu 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf einzurichten, mit dem die Instandsetzung maroder Infrastruktur angegangen werden soll. Zeitgleich wurde eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben beschlossen.
Auch zu seiner Partei äußerte sich der Vorsitzende Klingbeil ausführlich in dem Interview. "Uns ist der Charakter als Partei der Arbeit abhandengekommen. Als Partei, die für Menschen da ist, die Leistung zeigen im Job, in der Familie oder auch im Ehrenamt", sagte Klingbeil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Menschen müssten wieder sehen, dass die SPD sich um ihre Belange kümmere.
"Mir ist auf jeder Wahlkampfveranstaltung entgegengeschlagen, dass wir uns angeblich nur um das Bürgergeld kümmern. Diesem Eindruck müssen wir doch entgegentreten", sagte Klingbeil. In der schwarz-roten Koalition werde die SPD alles dafür tun, "dass Arbeitsplätze sicher sind und die Wirtschaft ans Laufen kommt".
Volkspartei trotz Wahldesaster
Das Wahlergebnis von 16,4 Prozent nannte Klingbeil "katastrophal". Die SPD bleibe aber eine Volkspartei. Das sei vor allem eine Haltungsfrage und keine Prozentfrage. "Wir wollen unsere Gesellschaft zusammenbringen, Brücken bauen, das Land als Ganzes sehen."
Bei der Bundestagswahl hatte die Partei ihr schlechtestes Ergebnis bei einer nationalen Wahl seit 138 Jahren eingefahren. Klingbeil hatte unmittelbar nach der Wahlschlappe zunächst nach dem Fraktionsvorsitz gegriffen. In der neuen Regierung mit der Union ist er nun Vizekanzler und Finanzminister. Auf dem SPD-Parteitag im Juni wird er erneut als SPD-Chef kandidieren. Co-Chefin will die jetzige Arbeitsministerin Bärbel Bas werden und damit Saskia Esken ablösen.
Für Klingbeil könnten die Regierungsämter auch das Sprungbrett für eine Kanzlerkandidatur 2029 sein. Auf die Frage danach sagte der 47-Jährige: "Es ist überhaupt nicht der Zeitpunkt, sich jetzt über die nächste Bundestagswahl Gedanken zu machen. Mein Anspruch ist, dass ich meinen Job gut mache. Meine Messlatte ist, dass die Bürgerinnen und Bürger sagen, das ist richtig, dass er der Finanzminister ist."
- Nachrichtenagenturen Reuters und dpa