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Dobrindts Grenzkontrollen: So sieht der Alltag der Bundespolizei aus


Verschärfte Grenzkontrollen
Alles anders als gedacht?


Aktualisiert am 02.06.2025 - 09:26 UhrLesedauer: 6 Min.
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Im Video: So laufen die Grenzkontrollen an der Grenze zu Polen und Tschechien. (Quelle: t-online)
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Innenminister Dobrindt hat die Grenzkontrollen verschärft, Asylsuchende sollen zurückgewiesen werden. Doch mancherorts erweisen sich diese Vorgaben als Luftnummer. Unterwegs an der Grenze.

Für einen kurzen Moment herrscht Aufregung im deutsch-tschechischen Grenzgebiet: Ein Verdächtiger ist auf der Flucht. Mehrere Polizeibehörden beider Länder sind alarmiert und fahnden nach einem Mann in orangefarbenen Hosen und mit tätowierten Armen. Auch eine Streife der Bundespolizei ist in der Nähe und entdeckt ihn schließlich am Grenzübergang zum tschechischen Jiříkov. Die Beamten rennen ihm nach, überqueren dabei die Grenzen und überwältigen ihn letztlich auf tschechischem Staatsgebiet. Die Gefahr ist gebannt.

Kurz darauf treffen die tschechischen Kollegen ein, nach und nach kommen weitere Polizeiautos von beiden Seiten der Grenze angefahren. Beamte von fünf verschiedenen Polizeibehörden schauen so letztlich dabei zu, wie zwei tschechische Polizisten den Mann an eine Häuserwand stellen und ihn filzen.

Der Mann kooperiert, leistet keinen Widerstand – auch wenn er kurz zuvor noch eine 47-jährige Frau in Deutschland zu Boden geschlagen und anschließend auf sie eingetreten hat, weil sie ihn beim Einbruch in ihr Haus erwischt hatte. Die tschechischen Kollegen nehmen ihren Landsmann erst einmal mit, der deutsche Kriminaldienst übernimmt die Ermittlungen.

Möglich wurde diese grenzübergreifende Zusammenarbeit auch durch die Anweisung von Innenminister Alexander Dobrindt, die deutschen Grenzen stärker zu kontrollieren. Dabei ging es dem Innenminister eigentlich nicht um grenzüberschreitenden Einbruchsdiebstahl, sondern um Asylsuchende, als er am 7. März, seinem ersten Arbeitstag, ankündigte, diese künftig bis auf wenige Ausnahmen an den deutschen Grenzen direkt abzuweisen. Eine Vorgehensweise, von der bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob sie im Einklang mit dem europäischen Recht steht.

Trotz schärferer Kontrolle: Keine Zurückweisung in Ebersbach

Doch weil nun an den Grenzen mehr Personal unterwegs ist, steigt die Trefferquote im Bereich der allgemeinen Kriminalität. Wie sehr sie bei den Asylsuchenden steigt, ist umstritten. Zumindest im Gebiet der Bundespolizeiinspektion im sächsischen Ebersbach im Dreiländereck mit 119 Grenzkilometern zu Polen und Tschechien ist von einem großen Andrang Asylsuchender wenig zu spüren.

Dort zeigt Dobrindts Anordnung noch keine Wirkung. Bislang gab es hier genau null solcher Zurückweisungen. Der groß angekündigte Vorstoß der neuen Regierung, die Zahl der Asylsuchenden durch schärfere Kontrollen deutlich zu reduzieren, läuft hier ins Leere. Alles also nur viel Lärm um nichts?

Am Grenzübergang im Bereich der Friedensstraße im sächsischen Zittau nach Polen ist an diesem Morgen wenig Verkehr. Drei Beamte schauen in die Autos, hin und wieder kommt eine kurze Nachfrage, mal kontrollieren sie Ausweise, dann dürfen die Insassen weiterfahren. Einer der Polizisten erzählt nebenbei, am stärksten wirkten sich die zusätzlichen Kontrollen auf die Anzahl seiner Schichten aus: Die steige. Aber noch sei auch das im erträglichen Bereich.

Weil es mehr Kontrollen geben soll, muss es an den Grenzen auch mehr Schichten geben. Da gleichzeitig aber das Personal nicht aufgestockt wird, steigt vielerorts die Arbeitsbelastung. Andreas Roßkopf, Vorsitzender des Bereichs Bundespolizei der Gewerkschaft der Polizei, warnte jüngst: "In diesem Umfang können wir die Kontrollen nur wenige Wochen oder ein paar Monate durchführen." Schließlich seien Fortbildungen gestrichen worden, Überstunden könnten nicht abgebaut werden.

Bereitschaftspolizei unterstützt

An der Grenze zu Tschechien trifft nun Polizeihauptkommissar Alfred Klaner in einem schwarzen Kombi ein. "Ein Streifenwagen war heute Morgen nicht mehr verfügbar", erklärt er die Fahrzeugwahl. Klaner ist 52, hat kurze graue Haare und trägt unter der Schutzweste eine blaue Strickjacke, denn draußen ist es kühl und regnerisch. Klaner ist eigentlich Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Ebersbach, nun muss auch er Schichten an der Grenze übernehmen.

"Wir haben die Personalsituation aber gut unter Kontrolle", sagt er. Einige Kollegen aus dem Innendienst müssten jetzt auch wieder hinausfahren. Aber während es in anderen Inspektionen zu Zwölf-Stunden-Schichten kommt, hat sich hier in Ebersbach kaum etwas verändert.

Klaner erklärt das damit, dass die Bereitschaftspolizei die Inspektion unterstütze. In dieser Woche übernehmen die Kollegen die Nachtschicht, bevor sie Ebersbach wieder verlassen und die nächste Einheit kommt. Insgesamt sollen 3.000 Bereitschaftspolizisten die 11.000 Bundespolizisten an den Grenzen verstärken.

Seit Sommer 2023 hat sich viel verändert

In Ebersbach hat man schon ganz andere Situationen erlebt. Im Sommer 2023 war das Dreiländereck ein Hotspot für Asylsuchende. Die Balkan- und die Belarusroute trafen hier zusammen. "Da hatten wir oft 50 Aufgriffe an einem Tag", berichtet Klaner. Etwas mehr als die Hälfte der Ankommenden habe man schon damals zurückgewiesen, weil sie keinen Anspruch auf Asyl besaß oder es schlicht nicht beantragte. Ein Fall bleibt Klaner besonders in Erinnerung. Da entdeckten sie 49 Leute in einem Kastentransporter auf 7,2 Quadratmetern.

Seitdem sind die Zahlen beständig zurückgegangen, insbesondere nachdem die ersten Grenzkontrollen von der damaligen Innenministerin Nancy Faeser im Oktober eingeführt worden waren. Zuletzt sanken sie immer weiter. "In den vergangenen Monaten hatten wir fast null Aufgriffe", sagt Klaner. Den letzten Schleuser habe man im Herbst erwischt. Während vonseiten des Innenministeriums viel Aufmerksamkeit auf die Grenzen gelenkt wird, bleibt Klaner gelassen: "Das haben wir im Griff."

Sind Dobrindts Zahlen ein Erfolg?

In den benachbarten Polizeiinspektionen sehe es ähnlich aus, berichtet er. Offizielle Zahlen gibt es aber bisher kaum, zahlreiche Inspektionen erklären auf Anfrage, dazu noch nichts sagen zu können. Dobrindt selbst zog eine Woche nach Beginn der Maßnahme eine erste Bilanz und präsentierte die Kontrollen als großen Erfolg. Die Zurückweisungen seien im Vergleich zur Vorwoche um 45 Prozent gestiegen, verkündete der Innenminister.

Was er nicht so laut verkündete: Von den 729 abgewiesenen Personen hatte lediglich ein Bruchteil ein Asylgesuch gestellt, andere hatten nicht um Asyl gebeten oder erfüllten die Voraussetzungen nicht. Und so fielen lediglich 51 Personen unter Dobrindts neue Richtlinie. 32 der Asylsuchenden wurden schließlich zurückgewiesen, bei den anderen 19 handelte es sich um vulnerable Personen, also zum Beispiel Kinder, Schwangere und Kranke.

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Da die Zahlen je nach Jahreszeit schwanken, ist es für eine Bilanz ohnehin zu früh. Allerdings: Sollten die Zurückweisungen auf diesem Niveau bleiben, käme man deutschlandweit auf 1.600 Zurückweisungen für ein gesamtes Jahr. Angesichts von 250.000 Asylanträgen im vergangenen Jahr wäre die Auswirkung marginal.

Nicht überall wird die ganze Zeit kontrolliert

Klaner fährt zum nächsten Grenzübergang auf der S 148 bei Neugersdorf. Wenige hundert Meter weiter liegt Tschechien. Insgesamt gibt es im Inspektionsbereich 23 Straßen, die über die Grenzen führen. Rund um die Uhr kontrolliert werden aber nur fünf. Die anderen Straßen sind zu klein, hier passiert zu wenig, als dass sich Kontrollen dauerhaft lohnen. An so einem nur zeitweise kontrollierten Übergang kommt Klaner nun an. Ein Beamter und seine Kollegin stehen neben einer Schnellstraße, eine Kontrollstation haben sie gar nicht erst aufgebaut. Fällt ihnen ein Wagen auf, setzen sie sich ins Fahrzeug und verfolgen ihn. Was nicht so häufig vorkommt.

Bisher ist es noch nicht vorgekommen, dass die Ebersbacher Inspektion tatsächlich einen Asylsuchenden abweisen musste. Doch käme es dazu, wie würden die Polizisten dann vorgehen?

"Wenn jemand unmittelbar hinter der Grenze aufgegriffen wird, nehmen wir ihn so wie bisher auch erst einmal mit auf das Revier", erklärt Klaner. Dort müsse dann der Dienstgruppenleiter in Abstimmung mit den Behörden entscheiden, ob jemand tatsächlich zurückgewiesen wird. "Aber es ist klar: Einen 15-Jährigen schicken wir nicht zurück", sagt Klaner.

Grenzkontrollen: Der Beifang wird größer

Am nächsten Grenzübergang ist mehr los. Dort trifft Klaner die drei Kollegen aus der Friedensstraße. Die Besetzungen der einzelnen Posten rotieren den ganzen Tag über, niemand verbringt die gesamte Schicht an einer Stelle. Hier nun, auf der B 178n bei Zittau, entdecken die Beamten etwas Verdächtiges. Sie haben den Führerschein eines Ukrainers im Visier. Der könnte gefälscht sein. Die Beamten sind sensibilisiert, zuletzt haben sie gehäuft gefälschte Führerscheine aus der Ukraine entdeckt.

Es ist der sogenannte Beifang: Mehr Kontrollen bringen letztlich auch mehr Verstöße ans Licht. "Die Haftbefehle haben immens zugenommen. Da staune ich selbst", sagt Klaner. Meist geht es um Waffen, die in Polen und Tschechien erlaubt, aber in Deutschland verboten sind. Auch Fahren ohne Führerschein und unter Drogeneinfluss komme häufiger vor.

In diesem Fall ist der Verdacht allerdings unbegründet, die Überprüfung zeigt, dass der Führerschein echt ist. Zudem kann der Mann glaubhaft vorweisen, dass er wegen eines Autokaufs nach Cottbus reisen will. Alles in Ordnung also, der Ukrainer darf weiterfahren.

Klaner und seine Kollegen wissen nicht, wie lange die verstärkten Kontrollen an den deutschen Grenzen fortgeführt werden. Wie sollten sie auch? Selbst der Innenminister kann diese Frage im Moment noch nicht beantworten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen vor Ort
  • Eigene Recherche
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