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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Für Straftäter SPD-Innenministerin fordert neue Abschiebeflüge nach Afghanistan

In Deutschland wächst der Druck auf den Bund, mehr Abschiebungen für Straftäter nach Afghanistan und Syrien zu arrangieren. In den vergangenen Jahren ist nur ein Flug ausgeführt.
Der letzte Abschiebeflug mit schweren Straftätern nach Afghanistan ging vor zehn Monaten, die Ungeduld in den Ländern ist seither groß. Kurz vor der Innenministerkonferenz erhöht die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) den Druck auf den Bund: "Die Länder haben jenseits aller Parteipolitik geschlossen die Erwartungshaltung, dass das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium nun sehr schnell weitere Flüge ermöglichen", sagte sie t-online.
Die Innenminister der Länder seien sich "vollkommen einig", dass es "möglichst zeitnah weitere und perspektivisch regelmäßige" Abschiebeflüge für schwere Straftäter und Gefährder nach Afghanistan geben müsse, so Behrens. Das gelte gleichermaßen für die Aufnahme von Abschiebungen nach Syrien.
"Der bayerische Ministerpräsident sprach im Bundestagswahlkampf noch von wöchentlichen Flügen in beide Länder und tat so, als stünde die ehemalige Bundesinnenministerin bei dem Thema auf der Bremse", kritisiert Behrens. "Dass dem selbstverständlich nicht so war, zeigt sich nun sehr deutlich unter CSU-Minister Dobrindt im Bundesinnenministerium."
Es blieb bisher bei einem Flug mit 28 schweren Straftätern
Ende August des vergangenen Jahres hatte die Bundesregierung erstmals seit der endgültigen Machtergreifung der Taliban 2021 einen Abschiebeflug nach Afghanistan erfolgreich arrangiert. An Bord: 28 verurteilte Straftäter, die kein Bleiberecht hatten – darunter Vergewaltiger, andere Sexualstraftäter, Gewalt- und Intensivtäter, die immer wieder auffällig geworden waren. Sie hatten mindestens Zweidrittel ihrer Strafen verbüßt. Der Zeitpunkt des Flugs stand als wahltaktisch in der Kritik, weil die Landtagswahlen in Ostdeutschland nahten.
Seither hat es keinen weiteren Abschiebeflug mehr nach Afghanistan gegeben, obwohl der damalige Kanzler Olaf Scholz ebenso wie die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) sie wiederholt in Aussicht stellten. Man sei an "weiteren Flügen dran", sagte Faeser im Oktober vergangenen Jahres. "Zeitnah" werde es weitere Abschiebungen nach Afghanistan geben.
Die Union, gerade auch ihre Innenminister, haben seither immer wieder vehement Abschiebeflüge insbesondere nach Afghanistan gefordert. Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) betonte bereits im Januar, man sei vom Bund seit Monaten angehalten worden, Kandidaten für einen Flug bereitzuhalten. Sachsen sei "lieferfähig". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte im Februar nach dem Anschlag eines Afghanen in München, bei dem zwei Menschen starben und 54 verletzt wurden, sofortige Verhandlungen mit den Taliban. Es brauche jede Woche einen Flug. Auch der heutige Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) forderte vor seiner Zeit im Amt regelmäßige und sehr viel häufigere Flüge. "Das darf keine Eintagsfliege gewesen sein", warnte er nach den erfolgreichen Abschiebungen im Herbst.
Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung aus CDU, CSU und SPD heißt es nun explizit: "Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern." Thorsten Frei (CDU) versprach bereits im April mit Blick auf die neue Regierung, "dauerhaft und in wesentlich größeren Bereichen" Straftäter nach Afghanistan abzuschieben – wenige Wochen bevor er Merz' Kanzleramtschef wurde.
Umstritten: Kooperation mit den Taliban
Abschiebungen, auch von Straftätern, nach Afghanistan wie Syrien sind umstritten und nicht leicht zu arrangieren. Denn sie erfordern eine Zusammenarbeit mit den dortigen Regimen. In Afghanistan sind das seit 2021 die islamistischen Taliban. In Syrien herrscht derzeit eine Übergangsregierung mit islamistischen Wurzeln, die als vergleichsweise moderat gilt. Faeser besuchte Syrien im April und betonte dort bei Gesprächen mit Regierungsvertretern, dass Straftäter zurückkehren müssten, "sobald die Lage in Syrien dies zulässt".
Beim letzten Abschiebeflug nach Afghanistan betonte die damalige Bundesinnenministerin Faeser, dass es keine direkten Gespräche mit den Taliban gegeben habe. Stattdessen hat Katar vermittelt, auch auf dem Flug sollen Angestellte katarischer Behörden für die Sicherheit zuständig gewesen sein.
In der Kritik steht regelmäßig auch, dass nicht klar ist, wie mit den Straftätern vor Ort verfahren wird und ihnen Menschenrechtsverletzungen, Folter und Tod drohen könnten. Nach dem erfolgreichen Abschiebeflug nach Afghanistan teilte ein Sprecher der Taliban dem ARD-Studio Südasien mit, man habe abgeschobene Straftäter freigelassen. Die Familien der Abgeschobenen hätten zuvor schriftlich versichern müssen, dass die Männer keine Straftaten mehr begehen. Wie viele von den 28 Männern das betrifft, blieb unklar.
Die Innenminister der Länder treffen sich von diesem Mittwoch bis Freitag zu ihrer Frühjahrskonferenz in Bremerhaven. Sie wollen unter anderem über elektronische Fußfesseln für Gewalttäter, die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie den Umgang mit der AfD beraten. Auf dem Programm stehen auch Themen wie die Stärkung des Bevölkerungsschutzes und der Zivilen Verteidigung, Sportwetten im Amateursport und der Umgang mit Silvesterfeuerwerk.
- Statement von Innenministerin Daniela Behrens (SPD)