t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikDeutschlandInnenpolitik

Carsten Schneider: Andrea Nahles hat "ein sehr feines politisches Gespür"


Carsten Schneider zur Koalition mit Merkel
"Das ist der Deal, den wir mit der CDU hätten"

Interview von Jan Hollitzer und Jonas Schaible

Aktualisiert am 14.02.2018Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Carsten Schneider: Es braucht einen ostdeutschen Minister im Kabinett, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.Vergrößern des Bildes
Carsten Schneider: Es braucht einen ostdeutschen Minister im Kabinett, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa)

Die Koalition könnte platzen, sollte die CDU Angela Merkel absägen, deutet Carsten Schneider im Interview mit t-online.de an. Der Regierung solle ein weiterer Ostdeutscher angehören – neben der Kanzlerin. Denn die verkörpere den Osten zu wenig.

Carsten Schneider, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, ist einer der wenigen Spitzenpolitiker der SPD aus den neuen Bundesländern. Dort ist die Skepsis gegen die große Koalition verbreitet. Im Interview erzählt er, warum im Kabinett jemand aus Ostdeutschland sitzen muss, dass SPD und CDU dort keine Volksparteien sind und warum er an Angela Merkel nichts Ostdeutsches erkennt – außer ihrem Lieblingsfilm.

Herr Schneider, nicht nur die SPD diskutiert über ihre Parteispitze. Auch in der CDU gärt es. Angenommen, die SPD-Basis gibt grünes Licht, die große Koalition kommt zustande, Angela Merkel kommt aber nicht über die vier Jahre: Würde die SPD einen Kanzler oder eine Kanzlerin wählen, die nicht Angela Merkel heißt?

Carsten Schneider: Nach jetzigem Stand schlägt die CDU Angela Merkel vor. Sie kandidiert für eine ganze Wahlperiode. Das ist der Deal, den wir mit der CDU hätten. Alles andere wäre eine neue Geschäftsgrundlage einer Koalition.

Das heißt, eine mögliche große Koalition platzt, sobald Angela Merkel abtritt?

Dann hätten wir, wie gesagt, eine neue Geschäftsgrundlage.

Warum ist Andreas Nahles besser als Martin Schulz an der Spitze der SPD?

Sie hat sich bereit erklärt, als Parteivorsitzende zu kandidieren. Sie hat ein sehr feines politisches Gespür und ist jung genug, die SPD für eine Dekade zu prägen. Und sie kennt Provinz und Hauptstadt wie kaum jemand sonst in der Partei.

Politisches Gespür? Das hieße, Martin Schulz hatte keines oder seins verloren.

Wir schauen jetzt nach vorn.

Kritiker bemängeln die Festlegung auf Andrea Nahles im kleinsten Kreis.

Andrea Nahles ist die beste Kandidatin, die wir haben. Deshalb bin ich der Meinung, dass sie die Verantwortung übernehmen kann. Und sollte. Damit wir Ruhe in die Partei bekommen und ein starkes Zentrum schaffen und gleichzeitig die Voraussetzung, dass sich die SPD auch neben der Regierung mit einer kraftvollen Stimme profilieren kann.

Man hatte schon vor dem letzten Parteitag das Gefühl, dass das Misstrauen gegen die große Koalition im Osten noch größer ist als im Westen. Was glauben Sie: Wie geht der Mitgliederentscheid im Osten aus?

Ich weiß es nicht. Eigentlich müsste er gut ausgehen. Wir stärken die Handlungsfähigkeit des Staates. In den neuen Ländern sind die Menschen besonders auf einen starken Staat angewiesen und vertrauen auch darauf. Es gibt hier auch eine stärkere Abhängigkeit von sozialen Transferleistungen.

Wie ist denn die Stimmung in ihrem Heimatverband Thüringen?

Es gab zunächst eine sehr harte Ablehnungsfront für eine große Koalition nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen. Jetzt beschäftigen sich die Mitglieder mit den konkreten Ergebnissen des Koalitionsvertrages. Die Einsicht in die Notwendigkeit dieser Koalition wächst. Eine Tendenz kann ich aber noch nicht wirklich ablesen. Es hat aber zumindest eine gewisse Beruhigung eingesetzt.

Warum hat die SPD denn in den neuen Bundesländern offenbar noch größere Schwierigkeiten, zu ihren Mitgliedern durchzudringen?

In den neuen Bundesländern hat die SPD nur wenige Mitglieder und ist von ihren Organisationsstrukturen her keine Volkspartei.

Sie haben Ihren Wahlkreis in Erfurt, Weimar und Weimarer Land. Vertreten Sie dort also nur eine Nischenpartei?

Mir geht es vor allem um den Zusammenhalt über alle gesellschaftlichen Schichten hinweg. Ich definiere eine Volkspartei über ihren inhaltlichen Anspruch. So gesehen sind wir natürlich eine Volkspartei.

Muss es in der neuen Regierung eine Ministerin oder einen Minister aus den neuen Bundesländern geben?

Ja, denn die Menschen im Osten haben besondere Erfahrungen gemacht und fühlen deshalb anders. Und diese Gefühlslage muss man artikulieren können. Die Menschen müssen sich mit denen identifizieren können, die sie regieren.

Ist das die Aufgabe der SPD, die, wie Sie sagen, im Osten gar keine Volkspartei ist. Oder müsste eher die CDU den Osten repräsentieren?

Machen wir uns nichts vor, im Osten ist auch die CDU keine Volkspartei mehr.

Auch in Sachsen nicht?

Auch in Sachsen nicht mehr, angesichts der Wahlergebnisse der AfD. Volksparteien sind selten geworden. Die CSU ist in Bayern noch Volkspartei. Die SPD ist es zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, Hamburg, Niedersachsen und in Teilen von Nordrhein-Westfalen.

Klingt nicht so, als könnte ein Minister aus den neuen Bundesländern das kitten.

Ein Minister alleine kann das nicht kitten, da würde man demjenigen zu viel aufladen. Das reicht nicht. Man muss bei jeder Entscheidung fragen, was das für die Menschen in den neuen Bundesländern bedeutet. Wenn es etwa um den Umgang mit Russland geht oder um Sozialpolitik, dann muss man auch die ostdeutsche Brille aufhaben. Und man muss berücksichtigen, dass sie anders ticken und anders entscheiden. Das hat man doch bei der Bundestagswahl gesehen. Ich halte es für einen wichtigen Punkt, dass wir die Gesellschaft nicht nur sozial zusammenhalten, sondern eben auch, was die unterschiedlichen Landsmannschaften angeht, um die Spaltung zu überwinden.

Die Kanzlerin kommt aus einem neuen Bundesland. Offenbar genügt die bloße Anwesenheit von Ostdeutschen in der Regierung nicht, die Vorbehalte zwischen Ost und West zu bekämpfen.

Sie gibt ja nun nicht gerade offen zu erkennen, dass sie aus dem Osten kommt. Sie ist niemals offensiv damit umgegangen. Sie hat "Die Legende von Paul und Paula" als ihren Lieblingsfilm bezeichnet. Das war es aber auch. Sie setzt ihre Biografie nicht ein, um Akzeptanz für politische Entscheidungen und Repräsentationen zu finden. Im Gegenteil, sie hat sich dem westdeutschen Parteiensystem und der CDU angepasst.

Das klingt harsch. Heißt das auch, Angela Merkel hat während ihrer Amtszeit wenig für die Angleichung von Ost und West oder das Abtragen der Mauer in den Köpfen getan?

Sie hat wenig getan, um die Mauer in den Köpfen niederzureißen. Aber es geht dabei eher um ihre Haltung, nicht um konkrete Sachentscheidungen. Ich habe jedenfalls nicht feststellen können, dass sie den Menschen Heimat und Geborgenheit gegeben hat.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website