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Presse zum Unions-Kompromiss: "Drama wird weitergehen"


Presse über den Asylkompromiss
"Das Drama wird weitergehen"

Von dpa, t-online
03.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer im Bundestag: Für die deutschsprachige Presselandschaft ist der Asyl-Kompromiss nicht das Ende der Streitigkeiten zwischen CDU und CSU.Vergrößern des BildesBundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer im Bundestag: Für die deutschsprachige Presselandschaft ist der Asylkompromiss nicht das Ende der Streitigkeiten zwischen CDU und CSU. (Quelle: Emmanuele Contini/imago-images-bilder)
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Das Ende der Union ist abgewendet. Doch der Kompromiss in der Asylkrise wird die politische Lage in Deutschland nicht beruhigen, da ist sich die Presse einig. Ein Überblick.

Der Kompromiss zwischen der CDU und CSU könnte für die Unionsparteien noch ein bitteres Ende bedeuten. Die deutschsprachige Presse glaubt nicht, dass der Streit der Schwesterparteien mit der Einigung zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer ein Ende gefunden hat. Doch nicht nur das Schicksal von der Kanzlerin und dem Innenminister ist offener den je. Der Asylkrach könnte noch viel mehr zerstört haben.

"Der Tagesspiegel" sieht das Ende von Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer kommen: "Wenn Merkel und Seehofer sich in ihrer politischen Erzfreundschaft verfangen und gegenseitig lähmen, damit aber das ganze Land in Mitleidenschaft ziehen, darüber hinaus noch dessen internationale Einflussmöglichkeiten schwächen – dann wird es Zeit. Die Achse der Willigen in der Regierung könnte ein Wort Seehofers nehmen und es gegen ihn und Merkel wenden: wirkungsgleich. In diesem Zusammenhang ist nicht der Masterplan Migration gemeint. Nein, es meint, dass längst andere Politiker wirkungsgleich sind zu denen, die da nicht regieren. Also sollten die jetzt Platz machen, beide. Deutschland darf nicht auf Dauer Schaden nehmen."

Für "t-online.de"-Chefredakteur Florian Harms wird der Unionskrach Spuren hinterlassen – nicht nur in der Politik: "Nichts ist mehr normal. Was wir in den vergangenen Tagen erlebten, hat unsere Wahrnehmung von Politik und vor allem von denen, die sie machen, verändert. Machtkampf, Eitelkeit, Täuschung, Erpressung, Destruktion. Wegen eines typischen Politiker-Kompromisses, haben CSU und CDU so einen Zinnober veranstaltet, die Bundesregierung in eine Krise getrieben, das ganze Land tagelang beben lassen? So ein Drama, und dann so eine Verpuffung? Das ist fadenscheinig, durchschaubar, absurd. "So fühlt man Absicht und man ist verstimmt", heißt es in Goethes "Torquato Tasso", und so dürften sich heute viele Bürger fühlen. Suchte jemand eine Anleitung, wie man Politikverdrossenheit fördert, in Horst Seehofer und Angela Merkel fände er zwei versierte Autoren."

Merkel nutzt Attacken zur Sicherung der Kanzlerschaft

Für die "Mittelbayerische Zeitung" hat die CSU in den letzten Tages alles falsch gemacht: "Wenn in Bayern der Verlust der absoluten Mehrheit droht, dann reagiert die CSU nicht nur höchst hektisch, sondern neigt bisweilen auch zu irrationalem Verhalten. Seehofers angedrohter, dann wieder relativierter und ausgesetzter Rücktritt ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Gewählt werden nämlich nicht unerbittliche Streithansl, sondern ehrliche Arbeiter, die – wenn es notwendig ist – auch zu Kompromissen bereit sind. Im eher konservativen Lager haben zudem Geschlossenheit und zivile Umgangsformen einen hohen Stellenwert. Merkel, die sich am Anfang des Streits in der Defensive befand, hat die völlig überzogenen CSU-Attacken zur Absicherung ihrer Kanzlerschaft umfunktionieren können."

Die "Leipziger Volkszeitung" sieht im Unionskompromiss vor allem das Scheitern des Innenministers: "Horst Seehofer hätte ein besseres Ende seiner langen politischen Karriere verdient. Bereits halb zurückgetreten setzte er sich am Montag ins Auto und ließ sich nach Berlin fahren, zu einer Sitzung mit der Bundeskanzlerin, bei der es für ihn nicht mehr viel zu gewinnen gab. Die ersten Parteifreunde hatten sich mittlerweile von ihm distanziert, die Unionsfraktion Einheit demonstriert, und der alte Bayer stand plötzlich ganz allein da. Seehofers Scheitern ist das eines Konfrontationspolitikers, der am Ende seiner Karriere jeden Sinn für die Realität zu verlieren schien. Es ist auch das Scheitern eines Mannes, der den Moment des Abschieds aus der Politik nicht für sich erkannt hat."

Die "Nordwest-Zeitung" sieht hingegen das gesamte Parteiensystem bröckeln: "Das alles konnte nur geschehen, weil eben jene Spitzenpolitiker der Volksparteien ein totales Führungsversagen an den Tag gelegt haben. Selbst der Koalitionspartner SPD schafft es nicht, lösungsorientiert zu arbeiten. Die SPD unter 20 Prozent, die Union auf dem Weg dahin. Es geht längst nicht mehr um die Asylpolitik. Unser Parteiensystem bröckelt, ein gutes, weil demokratisch wichtiges System. Eine Alternative gibt es aber nicht. Die Folgen badet der Bürger aus."

"Das Drama wird weitergehen"

Für die "Allgemeine Zeitung" ist das Ende der Kanzlerin gekommen: "Was soll das alles bewirken, außer eine sinkende Wahlbeteiligung in Bayern und Hessen im Oktober, die die AfD auf neue Rekordwerte treiben würde? Und die Kanzlerin? Sie sollte nach dem relativen Erfolg ihrer EU-Mission erkennen, dass auch ihre Zeit abgelaufen ist."

Die "Neue Zürcher Zeitung" glaubt nicht, dass der Asylkompromiss irgendetwas an der heute schon gängigen Praxis ändert: "Asylbewerber werden in jene Länder am Rand der EU zurückgedrängt, wo sie erstmals europäischen Boden betreten haben, in den meisten Fällen in die Mittelmeerländer. Damit werden der Druck und die Unzufriedenheit in diesen Ländern, allen voran in Italien, weiter wachsen. Der dem Anschein nach moralisch so überlegene Ansatz der Bundeskanzlerin macht also für die Migranten so gut wie keinen Unterschied – sofern der Kompromiss von Montagnacht funktioniert. Aber wird er denn wirklich funktionieren? Zweifel sind angebracht."

Die Wiener Zeitung "Die Presse" meint über den Asylstreit zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer: "Seehofers Name könnte sich unterdessen bald auf einer langen Liste von Politikern finden, die im Machtkampf mit Merkel untergegangen sind. Ihre Gegner und ihre Fans verklären die CDU-Chefin zwar zur "Willkommenskanzlerin" – dabei ist Merkel zuallererst eine zähe Machtpolitikerin. Selbst ein unionsinterner Frieden muss diese Koalition nicht retten. An Neuwahlen hat in der SPD zwar niemand Interesse, aber Seehofers Migrationsvorschläge müsste die Partei erst einmal schlucken. Deutschland ist unberechenbarer geworden. Nicht nur im Fußball. Nur eine Prognose darf man wagen: Das Drama wird weitergehen."

Verwendete Quellen
  • dpa
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