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Jens Spahns Bündnis mit Armin Laschet: Er muss da raus – nur wie?


Spahns Bündnis mit Laschet
Er muss da raus – nur wie?

Ein Porträt von Tim Kummert

Aktualisiert am 11.08.2020Lesedauer: 8 Min.
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Berlin Mitte: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beim Termin mit t-online.de.Vergrößern des Bildes
Berlin Mitte: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beim Termin mit t-online.de. (Quelle: Michael Hübner für t-online.de)

Jens Spahn kandidiert als Stellvertreter von Armin Laschet für den Vorsitz der CDU. So der Plan. Doch Laschets Popularität hat zuletzt derart gelitten, dass sich viele in der Partei nun Spahn als Chef wünschen.

Wenn man Jens Spahn die Frage stellt, über die längst nicht mehr nur seine Partei rätselt, schaut einen der 40-Jährige an, als wolle man etwas völlig Abwegiges wissen. Also, Herr Spahn: "Treten Sie auf jeden Fall als Stellvertreter von Armin Laschet an, wenn der im Dezember als CDU-Chef kandidiert?" Die Antwort kommt nicht sofort, erst schnellen Spahns Augenbrauen überrascht nach oben, doch dann sagt er laut und entschlossen: "Ja!"

Es ist Donnerstag vergangener Woche, der Gesundheitsminister hat für das Gespräch einen Spaziergang in der Nähe seines Ministeriums im Zentrum Berlins vorgeschlagen. Die Runde ähnelt allerdings eher der olympischen Disziplin des Gehens. Spahn ist zügig unterwegs, sehr zügig sogar.

So wie eigentlich immer in seiner Karriere: Mit Anfang 20 zog er erstmals in den Bundestag ein, machte sich rasch als Fachpolitiker in der komplizierten Gesundheitspolitik einen Namen, wurde mit Mitte 30 Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, dann Bundesgesundheitsminister – und stand im vergangenen Jahr sogar kurz davor, das mächtige Verteidigungsressort zu übernehmen.

Wie eine Traumkombination

Wie das so ist, wenn es nur aufwärts geht: Die Zahl der Neider wächst mit den Aufgaben. Hinter vorgehaltener Hand wurde Spahn von sogenannten Parteifreunden mal als Ehrgeizling bezeichnet, mal als jemand, der nur auf eigene Rechnung unterwegs ist.

Deshalb war es für manch einen durchaus eine Überraschung, als Spahn sich im Frühjahr, als mal wieder die Suche nach einem neuen CDU-Chef begann, mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet verbündete – dieses Mal jedoch als Nummer zwei. Der liberale, ältere Laschet, so die Idee, wird Vorsitzender der Christdemokraten, der konservative, jüngere Spahn sein Vize. Es wirkte wie eine Traumkombination.

Es gehört zur Ironie dieses politischen Zweckbündnisses, dass beide ihre gemeinsame Kandidatur ausgerechnet an jenem Vormittag präsentierten, als abends der erste Coronafall im Kreis Heinsberg bekannt wurde. Seither haben sich auch die internen Machtverhältnisse des Duos verschoben: Der stets gut sortiert wirkende Krisenmanager Spahn ist inzwischen die Nummer eins, während der Krisenmanager Laschet manchmal so wirkte, als wisse er selbst nicht mehr, was er eben noch gefordert habe.

Er ist mindestens genauso gut, in Wahrheit aber viel besser

Für die CDU jedoch, der es natürlich auch um Inhalte geht, ist es am wichtigsten zu regieren. Und dafür braucht es eben auch das Personal an der Spitze, das bei den Wählern die besten Chancen hat. In der Partei fragen sich deshalb viele, wie lange Spahn bei der Selbstdemontage seines Verbündeten Laschet noch zuschauen will – und wann er sich aus dem Bündnis befreit.

Manch einer glaubt, er müsse bei der Entscheidungsfindung nachhelfen. So wie Ende Juli, als mehrere CDU-Bundestagsabgeordnete aus Süddeutschland erklärten, Spahn sei „eindeutig auf Augenhöhe“ mit den anderen Kandidaten für den Parteivorsitz. Übersetzt heißt das: Er ist mindestens genauso gut wie Laschet und Friedrich Merz, in Wahrheit aber viel besser.

Wortführer der Gruppe war Michael Hennrich. Dass sich ausgerechnet der anerkannte Gesundheitspolitiker für den Gesundheitsminister aussprach, hielten einige in der Partei nicht für einen Zufall. Es wirkte, als schicke Spahn seine Verbündeten vor, um die Stimmung zu testen. "Diese Vorstöße könnten sich noch häufen, teilweise von Spahn initiiert", sagt ein Mitglied der Fraktionsführung.

Wird aus diesen Stimmen ein Chor, könnte dieser Spahn den Weg aus dem Bündnis mit Laschet ebnen. Er beugt sich ja nur dem Willen der Partei. So in der Art ließe sich argumentieren. Es ist ein Notausgang für Spahn, dem ihm andere gerade bauen. Ob er allerdings hindurchgehen wird, ist offen. Schließlich weiß Spahn, welcher Ruf ihm vorauseilt. Deshalb wird er alles tun, den Skeptikern keine neue Gründe zu liefern.

Die Parteibasis will keinen offenen Machtkampf

So hat er es bereits im Frühjahr gehandhabt. Am 17. Februar ist Spahn zu einer Veranstaltung über Pflege nach Düren gekommen, auf halber Strecke zwischen Köln und Aachen. Der Saal ist voll, die rund 350 Zuhörer wollen natürlich auch wissen, wie es mit Spahn weitergeht.

Wenige Tage zuvor hat CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rücktritt verkündet, sobald ein neuer Parteichef gewählt ist. Und Spahn ist einer der potenziellen Kandidaten, schließlich hat er bereits Ende 2018 eine respektable Kandidatur abgeliefert. Doch in Düren redet er nur über die Pflegeversicherung, man könnte meinen, die Querelen der CDU interessierten ihn nicht.

Dabei beschäftigt ihn kein Thema so sehr. Die Zeit um den 17. Februar sind für ihn Tage der Abwägung. Er ringt mit sich, ob er selbst für den Vorsitz kandidieren soll oder sich einem der anderen möglichen Kandidaten anschließt. Er telefoniert oft mit Laschet und spricht auch mit Friedrich Merz.

Seine Chancen schätzt er nicht als besonders gut ein, weil beide ebenfalls kandidieren wollen. Und weil die Parteibasis nicht schon wieder einen offenen Machtkampf will. Ausgerechnet am Rosenmontag fasst der Westfale Jens Spahn dann den Entschluss, sich der Kandidatur des Karnevalsfan Laschet anzuschließen.

Die Geschichte seit Ende Februar ist bekannt: Ausbruch in Heinsberg, Schul- und Geschäftsschließungen, Kontaktverbot. Und mittendrin immer Spahn, Spahn, Spahn. Zwar hat sein Image als Krisenmanager zuletzt Risse bekommen. So klagen Dutzende Firmen auf Hunderte Millionen Euro Schadensersatz, weil das Gesundheitsministerium bei ihnen bestellte Masken offenbar noch nicht bezahlt hat. Doch im Vergleich zum fahrige daherkommenden Laschet wirkt der Gesundheitsminister noch immer souverän.

Spahn überholt im Stechschritt

In Spahns Ministerium haben sie in den vergangenen Monaten immer wieder fassungslos gen Düsseldorf geblickt. Etwa, als Laschet nach dem Ausbruch beim Fleischproduzenten Tönnies im Landkreis Gütersloh einen Lockdown verhängen musste, nachdem er zuvor wochenlang auf allerlei Lockerungen gepocht hatte.

Die Verzweiflung in Spahns Umfeld über Laschets ungeschicktes Agieren zeigt auch, dass das Duo nur noch vor dem Versprechen aus der gemeinsamen Kandidatur aus der Vor-Corona-Zeit zusammengehalten wird. Eine Zeit, die länger her wirkt als gerade einmal sechs Monate.

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Keinen dürfte es so ärgern wie Spahn, dass er sich verkalkuliert hat. Das wird auch beim Spazierrennen durch Berlin in der vergangenen Woche deutlich. Wenn jemand vor ihm läuft, der ihm zu langsam ist, wartet Spahn, bis niemand entgegenkommt und überholt im Stechschritt. Die meisten Menschen, das kann man wohl sagen, sind Spahn zu langsam. Er überholt andere ständig.

Mit 15 Jahren trat Spahn in die "Junge Union" ein, mit 17 Jahren in die CDU. Warum ist er in die Politik gegangen, als andere Jugendliche andere Dinge im Kopf hatten? Spahn sagt, er habe Politik zunächst als "Hobby" betrachtet, so wie sein Bruder eben Fußball gespielt habe: "Dann bekam ich plötzlich die Chance, von der Kreis- in die Bundesliga zu wechseln. Das war der Einzug in den Bundestag im Jahr 2002." Das sei der Moment gewesen, als aus dem Hobby der Beruf wurde.

Spahn geht Risiken ein und überwindet Widerstände

Spahn will von sich das Bild des weltgewandten und entscheidungsfreudigen Krisenmanagers zeichnen. Auch deshalb sagt er jetzt Sätze, die klingen, als hätten PR-Berater jede noch so kleine Kante abgeschliffen. Er habe gemerkt, dass er "Freude" daran habe, "Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen". Und wie beiläufig erzählt er, dass er am Morgen schon mit dem britischen Gesundheitsminister und am Vortag mit der serbischen Premierministerin telefoniert habe.

Es ist Teil von Spahns Inszenierung, gleichzeitig aber auch seine Stärke, dass er durchaus Risiken eingeht und Widerstände überwindet. 2014 setzte er sich in einer Kampfkandidatur durch und wurde ins CDU-Präsidium gewählt. 2017 kam Merkel an ihrem Kritiker Spahn nicht mehr vorbei, als es um die Besetzung des Gesundheitsressort ging.

Einen weitsichtigen Politiker, das weiß Spahn auch, zeichnet aus, vor Übermut zu warnen. "Wir sind als CDU immer noch in einer schwierigen Lage, Corona zaubert grundsätzlichere Probleme ja nicht einfach weg", sagt er. Und: "Wir suchen den politischen Gegner zum Beispiel immer noch zu oft in den eigenen Reihen." Jens Spahn findet übrigens, dass Jens Spahn diese Probleme gut lösen könnte. "Deshalb bringe ich mich ja ein."

Spahn bemüht sich um seine Unterstützer

Und dann gibt es noch etwas, das Spahn durchaus auszeichnet: Er ist lernwillig und -fähig. Kollegen in der Fraktion sagen etwa, dass er sich in der Corona-Krise verändert habe. Spahn merke, wie das Bündnis mit Laschet an Anziehungskraft verliert, aber die Zustimmung für ihn selbst steige. Vorstöße wie die von den süddeutschen Abgeordneten um Michael Hennrich sind deshalb kostbar für ihn.

Er bemüht sich, besonders um seine Unterstützter. Wenn diese Abgeordneten ihm eine SMS schreiben, antwortet er oft innerhalb von Minuten. Spahn versucht auch, möglichst viele Kreisvorsitzende zu kennen, er will sich an der Basis verankern. Auch das sichert ihn ab für seine weitere Karriere.

Die Mobilisierung mit dem Graswurzel-Prinzip hat er schon einmal erfolgreich angewendet: Als Spahn beim Parteitag 2018 gegen Kramp-Karrenbauer und Merz antrat, bombardierte er zuvor viele Delegierte via SMS, sie sollten doch für ihn stimmen. Das Bild, das sonst von der CDU entstehe, sei fatal: Ein junger Funktionär würde abgewatscht.

Die Taktik ging auf, im ersten Wahlgang bekam Spahn immerhin 15,7 Prozent. Er hatte sich behauptet, sein Machtanspruch war deutlich geworden. Vielleicht läuft es auf dem Parteitag im Dezember ähnlich, nur dieses Mal ohne Kramp-Karrenbauer und mit mehr Prozenten für Spahn. Er beackert so lange weiterhin die Basis und die Funktionäre.

"Ein verlässlicher Minister"

Es gibt erste Indizien, dass sein Werben Wirkung zeigt. Da ist zum Beispiel der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) Carsten Linnemann. Eigentlich hatte sich die MIT schon im Frühling für Merz als neuen Vorsitzenden ausgesprochen. Dabei bleibe es auch, versichert Linnemann zwar im Gespräch mit t-online.de.

Doch dann sagt er: "Ich nehme Jens Spahn als extrem guten Politiker wahr: Er macht sehr gute Regierungsarbeit, ist ein verlässlicher Minister. Ich schätze ihn sehr." Deutlicher kann ein politisches Lob kaum ausfallen, es sind Sätze, wie man sie über jemanden sagt, von dem man glaubt, dass er noch in höchste Ämter kommen könnte.

Als Linnemann vor einigen Wochen den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder aufforderte, sich vor dem Bundesparteitag der CDU zu entscheiden, ob er Kanzlerkandidat werden wolle, sahen darin einige in der Partei eine Brücke für Spahn: Wenn Söder zugreift, könnte Spahn die Zeit nutzen, um sich in einem neuen Duo zu bewerben: CDU-Chef Spahn und Kanzlerkandidat Söder.

Es sieht derzeit nicht danach aus, als würde Laschet hinschmeißen

Insider rechnen sogar damit, dass nur ein CDU-Chef Spahn einen CSU-Kanzlerkandidaten zulassen würde. "Merz oder Laschet würden das nie tun", sagt jemand aus der Fraktion.

Doch solche Überlegungen sind noch vage, weil unklar ist, wie es mit dem Duo Laschet-Spahn weitergeht. Klar ist nur, dass eine Entscheidung bald fallen müsste. Der Parteitag findet schon in etwas mehr als drei Monaten statt. Und derzeit sieht es nicht so aus, als würde Laschet hinschmeißen. Erst am Wochenende tourte er durch Ostdeutschland.

Spahn stellt sicherheitshalber schon mal klar, dass er sich wohl vorerst auch mit dem Posten des Vize-Parteichefs zufrieden geben würde. Das sei doch "schon eine ganze Menge".

Stellvertretender CDU-Vorsitzender als großes Karriereziel? Das glaubt Spahn sich wahrscheinlich nicht einmal selbst. So wenig, wie jener Mitschüler, der 1999 in die Abizeitung unter Spahns Foto zur Frage schrieb, was Jens später wohl beruflich machen werde: "Bundeskanzler, was sonst?"

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