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Corona-Krise – Malu Dreyer: "Können Gesellschaft nicht dauerhaft abschließen"


Regierungschefin Malu Dreyer
"Wir waren von der Ankündigung völlig überrascht"

  • Johannes Bebermeier
InterviewVon Johannes Bebermeier, Sven Böll

25.02.2021Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Malu Dreyer: Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin spricht sich für Öffnungsschritte noch im März aus.Vergrößern des Bildes
Malu Dreyer: Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin spricht sich für Öffnungsschritte noch im März aus. (Quelle: Rainer Unkel/imago-images-bilder)

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, macht Hoffnung auf eine baldige Lockerung des Lockdowns – und kritisiert den Aktionismus von Gesundheitsminister Jens Spahn.

t-online: Frau Dreyer, die Corona-Zahlen steigen wieder leicht, trotzdem diskutieren wir munter über Öffnungen. Warum eigentlich?

Malu Dreyer: Wir haben seit Dezember sehr viel geschafft, weil so viele Menschen so gut mitmachen, obwohl fast alle Corona überdrüssig sind. Aber wir können eine Gesellschaft nicht dauerhaft abschließen. Und wir werden einen positiven Effekt bei der Impfung sehen, vor allem in den Altenheimen. Deshalb müssen wir über Perspektiven sprechen und weiter sehr, sehr diszipliniert sein.

Was heißt das konkret?

Eine Perspektive aufzuzeigen bedeutet nicht, dass morgen alles aufgemacht wird. Es geht darum zu überlegen, was man tun kann, um den Menschen endlich wieder Zuversicht zu geben. Viele Unternehmen befinden sich in existenzieller Not, die meisten Familien sind am Limit.

Allerdings könnte auch beim Pandemie-Management vieles besser laufen. Seit Monaten erklärt die Politik, Kitas und Schulen sollten zuerst wieder öffnen. Warum diskutieren wir dann erst jetzt über die Impfung von Lehrern und Erziehern?

Wir sind den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission gefolgt. Und die Experten haben die Reihenfolge der Impfungen so festgelegt, dass die Gruppe, die am ehesten schwer erkrankt, zuerst dran ist. Das ist auch sehr nachvollziehbar. Es war die SPD, die eine frühere Impfung von Lehrpersonal und Erziehern und Erzieherinnen beim Impfgipfel Anfang Februar eingebracht hat. Es hat dann allerdings etwas gedauert, bis das von allen so gesehen wurde.

Aber es macht sich bei vielen Menschen doch zunehmend der Eindruck breit, dass es mit dem Impfen bei uns nicht gut läuft. Nachdem wir uns wochenlang geärgert haben, dass Astrazeneca zu wenig liefert, bleiben nun Dosen ungenutzt im Lager liegen.

In Rheinland-Pfalz gibt es für jede Dosis, die wir von Astrazeneca haben, bereits einen konkreten Termin. Und wenn wir deutlich mehr Impfstoff bekommen, werden wir auch noch mehr impfen. Bei uns bleibt kein Impfstoff ungenutzt.

Die Sorge der Kanzlerin, dass wir bald mehr Impfstoff als Kapazitäten haben könnten, teilen sie nicht?

Zumindest nicht für Rheinland-Pfalz. Nur um ein Beispiel zu nennen: Viele große Unternehmen bei uns werden ihre Belegschaft impfen, sobald es genug Impfstoff gibt. Und einige Firmen haben sogar bereits angeboten, dass sie das auch für die Bevölkerung an ihrem Standort übernehmen können. Vor allem wird auch die niedergelassene Ärzteschaft impfen.

Ein ähnliches Chaos wie beim Impfen herrscht bei den kostenlosen Schnelltests. Sie sollen nun nicht Anfang März, wie von Jens Spahn geplant, sondern wahrscheinlich eine Woche später kommen. Was ist da schiefgelaufen?

Wir waren von der spontanen Ankündigung des Bundesgesundheitsministers völlig überrascht. Ich habe mich sofort gefragt: Wie soll das organisiert werden? Aber wir haben sofort für Rheinland-Pfalz das Projekt "Testen für alle" aufgesetzt. Wir sind dank vieler Akteure im ganzen Land gut gerüstet. Grundsätzlich ist bei solchen Ankündigungen allerdings entscheidend, dass man vorher miteinander bespricht, wie das funktionieren soll. Sonst gibt es Enttäuschungen.

Wann wird man sich in Rheinland-Pfalz kostenlos testen lassen können?

Unsere Testinfrastruktur ist im Aufbau. Wenn wir beim Bund-Länder-Treffen am 3. März beschließen, wann das kostenlose Testen starten soll, geht es bei uns dann auch zügig los.

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Beim letzten Bund-Länder-Treffen sollte es einen Stufenplan für Öffnungen geben. Daraus wurde nichts. Sind Sie für kommende Woche optimistischer?

Ja. Es wird intensiv daran gearbeitet. Noch gibt es relativ viele unterschiedliche Modelle, die diskutiert werden. Aber die Schnittmengen sind da, insofern bin ich zuversichtlich, dass wir aus dem Treffen nicht ohne Perspektivplan rausgehen.

In welchen Bereichen sollte zuerst gelockert werden?

Die Kontaktbeschränkungen machen den Menschen zu schaffen. Wenn sich zwei Familien treffen wollen, geht das gerade nicht. Deshalb sollten wir zur alten Regel zurück: Es dürfen sich zwei Familien oder Hausstände, maximal fünf Personen treffen, ohne dass die Kinder mitzählen.

Was steht noch auf Ihrer Prioritätenliste?

Wir brauchen möglichst bald Schritte im Einzelhandel, da können wir mit guten Hygienekonzepten wieder vieles möglich machen. Ebenso bei den körpernahen Dienstleistungen und in den Museen. Auch in der Gastronomie sehe ich zumindest im Außenbereich Möglichkeiten für Öffnungen.

Das klingt nach ziemlich vielen Lockerungen auf einmal. Wann sollen die denn umgesetzt werden?

Wir werden das nicht auf einmal machen können. Man muss immer beobachten, was nach einem Öffnungsschritt passiert. Darauf müssen wir uns zwischen Bund und Ländern nächste Woche einigen. Wir müssen wegen der Mutationen weiterhin vorsichtig sein. Aber trotzdem ist es möglich, erste kleine Öffnungsschritte zu gehen. Ich glaube, dass das bei einer entsprechenden Entwicklung der Pandemie bereits im März möglich ist.

Was heißt denn "entsprechende Entwicklung"?

Wenn die Inzidenz zwischen 35 und 50 liegt, und die Zahlen nicht stark steigen, muss es verantwortbare Öffnungsschritte geben.

Das Land Berlin hat ja einen Vorschlag gemacht, der eine erste Stufe bei 50 und nur noch eine weitere bei 35 vorsieht. Wenn die 35 dann jeweils 2 Wochen gehalten wird, sollen immer weitere Öffnungen folgen. Können Sie sich damit anfreunden?

Berlin hat nach vielen gemeinsamen Gesprächen einen Vorschlag gemacht. Da sind Vorstellungen aus anderen Ländern eingeflossen, auch aus unserem Rheinland-Pfalz-Plan. Natürlich ist sowas aber nie 1:1. Im Moment stimmen wir das alles miteinander ab. Das wird bis nächste Woche noch etwas Arbeit sein, aber ich bin optimistisch.

Was passiert eigentlich, wenn die Zahlen nächste Woche nicht mehr nur langsam, sondern schon wieder schneller steigen? Gibt es dann trotzdem Öffnungsschritte, weil der politische Druck einfach zu groß ist?

Darum geht es doch bei den Stufenplänen: Sie sagen nicht "Am Tag X können wir öffnen", sondern bei einer bestimmten Infektionslage haben wir die Möglichkeit dazu. Es geht nicht um den politischen Druck, sondern darum, dass wir die Wirklichkeit betrachten: Die meisten Unternehmen und Menschen brauchen ein klares Signal. Und das müssen wir ihnen nun geben.

Wird es Urlaubsreisen zu Ostern geben können?

Das kann ich noch nicht prophezeien. Ich will das aber auch nicht ausschließen. Es ist ein gutes Zeichen, dass das Robert-Koch-Institut festgestellt hat, dass in Hotels die Infektionsgefahr gar nicht so groß ist. Auch bei Ferienwohnungen und -häusern gibt es kein zusätzliches großes Risiko.

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Noch vor Ostern – am 14. März – ist Landtagswahl in Rheinland-Pfalz. Hoffen Sie eigentlich insgeheim darauf, dass sich das Muster von 2016 wiederholt?

Inwiefern?

Naja, damals lagen Sie anfangs zurück, ihre Gegenkandidatin Julia Klöckner von der CDU machte Fehler – und am Ende waren Sie die strahlende Siegerin.

Ich habe vor fünf Jahren nicht darauf gehofft, dass Frau Klöckner Fehler macht, sondern mich auf unsere Stärken konzentriert. Man hat im Wahlkampf auch gar keine Zeit, sich ständig mit den Wettbewerbern zu beschäftigten. Und das gilt dieses Mal noch mehr als sonst, weil ich als Ministerpräsidentin vor allem damit beschäftigt bin, unser Land gut durch die Pandemie zu führen.

In Ihrem Bundesland gibt es die einzige Ampelkoalition in Deutschland. Werden Sie auch dann weiter mit Grünen und FDP regieren, wenn die CDU stärkste Partei wird?

Ich spekuliere über so etwas nicht.

Das müssen Sie jetzt sagen.

Nein, es ist meine feste Überzeugung. Wir haben sehr, sehr gut und extrem harmonisch regiert - und dabei alle Ziele des Koalitionsvertrages umgesetzt. Deshalb kann ich mir sehr gut vorstellen, diese Koalition fortzusetzen.

Ist die Mainzer Ampel ein Modell für den Bund?

Wenn die Chemie in Berlin genauso stimmt wie in Mainz, taugen wir natürlich als Vorbild.

Ist sie denn genauso gut?

Das müssen Sie die Beteiligten in Berlin fragen.

Auf Bundesebene liegt die SPD bei rund 15 Prozent, in Rheinland-Pfalz aber bei fast doppelt so viel. Warum?

Zuerst einmal: Die SPD im Bund wird noch stark zulegen.

Darauf hoffen Sozialdemokraten aber schon lange.

Sie werden sehen, dass ich recht behalte. Denn in den Bundesländern gucken die Menschen darauf, wem sie am ehesten zutrauen, eine gute Regierung zu führen und wen sie dafür als Regierungschef oder -chefin wollen. Dabei schneide ich gut ab – und auch Parteifreunde in anderen Ländern.

Das ist genau der Punkt: Warum funktioniert es in den Ländern, aber nicht im Bund? Es wirft ja niemand der SPD vor, in der Bundesregierung besonders schlecht zu regieren.

Es ist ein großer Unterschied, ob man eine Regierung anführt oder Juniorpartner ist. Aber klar ist ja auch: Im Herbst wird neu sortiert, dann wissen wir, wer für die Union und für die Grünen ins Rennen geht.

Und bei diesem Vergleich sticht Olaf Scholz die potenziellen Unionskandidaten Armin Laschet und Markus Söder aus?

Selbstverständlich. Die Bürger werden sich fragen: Wem trauen wir zu, Kanzler zu sein? Und ganz viele werden sagen: Olaf Scholz.

Verwendete Quellen
  • Videotelefonat mit Malu Dreyer am 24. Februar 2021
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