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Plakatkampagne in Baden-Württemberg: Zwischen Merkel-Kopie und Populismus


Plakatkampagne in Baden-Württemberg
Zwischen Merkel-Kopie und Populismus

Von Tilman Baur, Stuttgart

14.03.2021Lesedauer: 4 Min.
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"Wichtiger Tag für die Demokratie": So kommentierte Winfried Kretschmann die Wichtigkeit der Landtagswahl kurz nach seiner eigenen Stimmabgabe. (Quelle: Reuters)

Die einen setzen auf Charisma, die anderen auf Provokation: Wie gut bringen die Parteien in Baden-Württemberg ihre Botschaften aufs Plakat? Die Kampagnen im Check.

"CDU, weil uns die Zukunft der Kinder am Arsch vorbei geht": Diesen Slogan haben in der vergangenen Woche viele Menschen in Stuttgart und anderen Städten in Baden-Württemberg auf Wahlplakaten gelesen. Sie sehen täuschend echt wie die Originale der CDU aus, sind aber Fälschungen. Die Umweltschützer von Extinction Rebellion haben den Coup gelandet.

Der Fall hat in den sozialen Netzwerken ein großes Echo ausgelöst. Er zeigt: Obwohl die Pandemie auch den Landtagswahlkampf stark ins Digitale verlagert hat, sind Wahlplakate weiterhin auch für jüngere Zielgruppen relevant. Welche Botschaft wollen die Plakate vermitteln – und wie gut sind sie darin? Klaus Kamps ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart. Er hat für t-online die Kampagnen der Parteien analysiert, die derzeit im Landtag vertreten sind.

Grüne: Landesvater Kretschmann ist das Kapital

Die Grünen setzen als stärkste Fraktion im Landtag stark auf die präsidiale Aura von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Mal blickt dieser fast entrückt ins Weite, mal sieht er spielenden Kindern zu. "Er denkt ans Ganze" lautet einer der Slogans. "Das ist eine sehr starke Form der Personalisierung. Die Botschaft ist: Man verlässt sich auf ihn", sagt Kamps.

Kretschmann wird in anderen Aufnahmen als Zuhörer inszeniert, mal auf dem Spielplatz, mal in einem Start-up-Kontext. Andere Plakate thematisieren grüne Kerninhalte wie Umwelt und Bildung. Im Ensemble sei die Mischung aus väterlicher Fürsorge des Landesvaters einerseits und modern verpackten grünen Themen andererseits gelungen, findet Kamps.

CDU: Mehr Schrift, weniger Spitzenkandidatin

Weniger präsidial, eher hemdsärmelig inszeniert die CDU Kretschmanns Herausforderin Susanne Eisenmann. Wenn von einer Inszenierung überhaupt die Rede sein kann, denn auf den meisten Plakaten ist sie selbst gar nicht abgebildet. Stattdessen hält die Partei es schlicht. Weiße Schriftzüge auf orangenen Hintergründen transportieren die Botschaften, die stets gleich beginnen ("CDU, weil wir Tag und Nacht sicher sein wollen" oder "CDU, weil unser Mittelstand nur weiterlebt, wenn wir Nachwuchs fördern").

"Das ist ein ganz anderer Ansatz der Politikvermittlung. Die CDU setzt auf Text", sagt Klaus Kamps. Ein Misstrauensvotum gegenüber der Kandidatin müsse man darin aber nicht zwingend sehen, so der Experte. Ein Problem sieht er dennoch: "Die Leute müssen stehen bleiben, um die etwas längeren Sätze zu lesen. Das ist schwierig, was die Wirkung der Plakate angeht."

FDP: Hingucken um jeden Preis

Einen krassen Gegenpol zur schlichten CDU-Kampagne bildet die der FDP. Die Plakate wirken poppig und psychedelisch, könnten genauso gut für ein Hippiefestival werben. Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke krempelt die Ärmel hoch, präsentiert sich mal seriös im dunkelblauen Anzug, mal im dunklen Pullover. Die Botschaft: Keine Zeit verlieren, sich aufs Wesentliche konzentrieren.


"Hier geht es um Aufmerksamkeitsökonomie, die Leute sollen auf jeden Fall hingucken, auch auf die Gefahr hin, dass sie sich darüber lustig machen", sagt Klaus Kamps. Damit knüpfe die FDP an ihre eigene Tradition provokativer Plakatkampagnen an.

SPD: Botschaften, die schnell auf den Punkt kommen

Auf den übergeordneten Slogan "Das Wichtige jetzt" setzt die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Andreas Stoch. Den Slogan plakatiert die Partei teils in Großbuchstaben zusammen mit dem Foto Stochs, auf anderen Plakaten steht er unten klein geschrieben neben dem SPD-Schriftzug. Problematisch, findet Kamps. "Das ist erklärungsbedürftig, es wird nicht klar, worum es inhaltlich geht", sagt Klaus Kamps.

Auch ihre sonstigen Botschaften verkündet die Partei in Großbuchstaben und immer knapp in Zwei- oder Drei-Wort-Sätzen ("Schulchaos beenden", "Bezahlbare Wohnungen bauen"), die jedoch mit thematisch passenden Visualisierungen verwoben sind. Der Slogan "Schulen stärken" prangt auf einem Schreibtisch, an dem Schüler sitzen, und über dem Spruch "Kitas kostenfrei" baumeln Kinder auf einer Schaukel. Diese Plakate überzeugen den Experten. Die Kampagne schaffe es, in wenigen Worten viel zu sagen, sagt Klaus Kamps.

AfD setzt Ausrufezeichen

"Kretschmann, setzen, 6!" tönt eines der Wahlplakate der AfD, der momentan stärksten Oppositionsfraktion im Landtag. Als einzige Fraktion setzt sie auf Ausrufezeichen hinter ihren Botschaften. Das sei "typische Oppositionssemantik", sagt Klaus Kamps. Die Plakate lehnen sich grundsätzlich an das charakteristische Blau der AfD an, weisen aber auch andere Farbelemente auf.

So zum Beispiel Schwarz und Gelb direkt untereinander. Es sind die Landesfarben Baden-Württembergs, aber auch jene der Identitären Bewegung. Eine bewusste Doppeldeutigkeit? Darüber will Klaus Kamps nicht spekulieren. Die AfD-Plakate wirkten auf jeden Fall unruhiger als die der anderen Parteien, so der Experte.

Kampagnenerfolg abhängig von Ausrichtung des Wahlkampfs

Ob eine Kampagne gelungen ist oder nicht ist von vielen Faktoren abhängig. Einer davon ist das Ziel der Parteien, erklärt Klaus Kamps. Dazu gehört die Frage, ob sie eher eigene Wähler mobilisieren oder Unentschlossene überzeugen wollten. Pauschale Aussagen seien deshalb nicht seriös. "Auch ästhetisch weniger gelungene Kampagnen können unter politischen Gesichtspunkten sinnvoll sein", sagt der Professor.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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