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Parteitage in Deutschland: Kommt die nächste Wahl für die Grünen zu spät?


Parteitage in Deutschland
Kommt die nächste Wahl für die Grünen zu spät?

  • Gerhad Spörl
MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 18.11.2019Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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Annalena Baerbock: Die Grünen-Chefin wurde gerade auf einem Parteitag wiedergewählt.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock: Die Grünen-Chefin wurde gerade auf einem Parteitag wiedergewählt. (Quelle: imago-images-bilder)

Wer muss die SPD führen? Kann sich AKK halten? Häutet sich die AfD? Die Parteitage folgen jetzt im Wochenrhythmus aufeinander. Allein die Grünen haben es hinter sich – mit Friede, Freude, Eierkuchen.

Wir leben in der Saison der Parteitage. Die Grünen haben ihren schon hinter sich gebracht, während der CDU, SPD und der AfD das zweifelhafte Vergnügen noch bevorsteht.

In der Theorie sind Parteitage Selbstfeier und Leistungsschau zugleich. Die Freundinnen und Freunde jubeln ihrem Vorsitzenden und seinen Gefolgsleuten zu und trachten danach, uns Journalisten Einheit und Zuversicht zu vermitteln. Am besten kann das eigentlich die CDU, am wenigsten die SPD. Die Grünen waren zumeist für einige Überraschungen gut.

Sind sie nicht länger, es sei denn, man versteht das Ausbleiben von Überraschungen für die eigentliche Überraschung. Von allen Parteien, an die wir gewohnt sind, ergeht es den Grünen momentan ja auch am besten. Ihr einziges Problem besteht darin, ob es ihnen vielleicht zu früh zu gut geht, da eventuell erst in knapp zwei Jahren gewählt wird. Darin können SPD oder CDU nur ein Luxusproblem erkennen, das sie liebend gern hätten.

Höhenflug mit Argwohn

Ebenso beschwingt wie routiniert haben die Grünen die zwei Tage in Bielefeld hinter sich gebracht. Eitel, Freude und Sonnenschein. Traumhafte Wahlergebnisse für das Duo Habeck/Baerbock, geradezu honeckerhaft. Die Kunst wird darin bestehen, so lange wie möglich auf dieser Welle zu surfen, die die Nordsee für sie bereitet.

Ich kann verstehen, dass viele Beobachter diesen Höhenflug mit Argwohn verfolgen und einen baldigen Absturz vorhersagen. Vielleicht können die Grünen am Ende die Erwartungen, die bis weit hinein in die Mitte der Gesellschaft in sie gesetzt werden, tatsächlich nicht erfüllen. Nichts geht nur bergauf, schon wahr, aber warum sollten sich die Grünen nicht auf gehobenem Niveau halten? Gehoben meint: 20 Prozent plus.

Im "Spiegel" steht ein längeres Porträt über Robert Habeck, an dem sich viele Kollegen abarbeiten. Diesmal kreist die Autorin darum, ob er genügend Kenntnisse über Feinheiten in der Innen- oder Finanzpolitik besitzt und vor allem, ob er Kanzler kann. Darüber lässt sich erstens trefflich und zweitens noch sehr lange spekulieren. Ob er den Anforderungen gewachsen ist, weiß ich nicht, weiß die Autorin nicht und weiß auch Robert Habeck nicht. Woher sollten wir, woher sollte er das auch wissen?

Die bisherigen Kanzler von Adenauer bis Merkel, von Brandt bis Schröder zeichneten sich immer nur durch eines aus, bis sie wurden, was sie werden wollten. Dies erreichten sie durch den unbedingten Wunsch, die Nummer eins zu sein – kurzum: durch den Willen zur Macht, der sie dazu antrieb, sich so umfassend wie möglich auf den Tag X vorzubereiten.

Die bessere Kandidatin?

Die Grünen haben sogar ein Vorbild in ihrer ruhmreichen Vergangenheit: Joschka Fischer. Als er im Jahr 1998 Außenminister wurde, konnte er Englisch, weil er es heimlich gelernt hatte. Im Schrank hingen genügend Anzüge für den Alltag und jeden Staatsakt. Und die innere Härte besaß er ohnehin, sodass er sich binnen kurzer Zeit größtmögliche Kompetenz aneignete, wozu übrigens in jedem Ministerium ein formidabler Beamtenapparat beiträgt, wenn man ihn nur lässt.

Wer so hochfliegen will, wer gar am Kanzleramt rüttelt, muss Leidenschaft, Disziplin und einen Verstand auf Hochtouren haben. Dazu sollte er über die Fähigkeit verfügen, exzellente Leute an sich zu binden.

Dass Journalisten die Frage stellen, was einer kann und ob er wirklich kann, was er sich zutraut, versteht sich von selbst. Aber wieso wird sie nur an Habeck gestellt? Ehrlich gesagt traue ich Annalena Baerbock fast mehr zu. Sie hat Disziplin, Klarheit und Geradlinigkeit. Sie ist weniger verspielt als der Robert. Sie kokettiert weniger damit, anders als andere Politiker zu sein – sie ist einfach sie selbst. Auch redet sie wenig über Macht und Menschlichkeit, sie praktiziert beides.

Brüche bei der CDU

Im Übrigen glaube ich nicht, dass es schon beim nächsten Mal so weit kommt, dass sich den Grünen die K-Frage stellt. Für sie, für uns, für das Land wäre es besser, wenn sie erst einmal mit der Union regieren dürfte, die den Kanzler stellt. Aber wer wird das sein?

Die CDU ist am kommenden Wochenende in Leipzig in ihrer heiligen Vierfältigkeit aus Merkel/AKK/Laschet/Merz zu besichtigen. Hinterher werden weder die Partei noch wir schlauer sein als zuvor, was ziemlich merkwürdig ist für einen Traditionsverein, in dem sonst immer alles reibungslos geklärt wird und zwar subito, damit keine Lücke auftritt, die die Falschen füllen könnten.

Die eine geht, die Kanzlerin, so weit, so gut. Die andere, AKK, würde gerne kommen und rudert mächtig, wenn auch nicht sonderlich glücksbegabt. Die anderen beiden kommentieren aus dem Off, wobei Friedrich Merz als Großinquisitor auftritt, dem alles missfällt, was er sieht. Dagegen inszeniert sich Armin Laschet eher als Inkarnation des gesunden Menschenverstandes – und sagt: Das kann man doch anders machen, muss man allerdings auch.

Machtfrage bei der AfD?

Der Parteitag in Leipzig ist noch nicht der große Abschied für Angela Merkel. Er wird auch nicht zur zweiten Etappe auf dem Weg zur Nachfolge für Annegret Kramp-Karrenbauer. Man muss ihr aber zutrauen, dass sie sich nach und nach die nötige Härte zulegt, die sie braucht, um den Flaneur Merz und den Gute-Laune-Bären Laschet abzuschütteln. Das Maß an Fehlern, das sie sich leisten darf, hat sie ausgeschöpft.

In der Woche darauf, am 30. November, trifft sich die AfD, der gärige Haufen, wie Alexander Gauland sagt. Von allen vier Parteitagen könnte er der spannendste werden, falls die Machtfrage gestellt werden sollte. Dass es bisher nicht so weit kam, dafür war der Alle-mit-allen-Versöhnler Gauland zuständig. Ich bin gespannt, ob er es noch einmal hin bekommt, Frieden über den Gräben zu spenden.

Dafür muss wohl Jörg Meuthen den Preis bezahlen. Alice Weidel sondiert nach allen Richtungen gleichzeitig. Opportunismus ist in so viel Unübersichtlichkeit der Normalfall für Karrieristen, die überleben wollen, egal was passiert. Und Björn Höcke? Ist ein leidiger Zauderer, der die Pose des Caudillo liebt, mit Fahnen und Schlachtgesängen und in Eintracht mit dem Mob, der gerne mal den rechten Arm hebt.

Anlauf auf die Bundestagswahl

Anfang Dezember wird sich die SPD treffen und das Paar krönen, das einen lange währenden Ratschluss hervorbringt. Beim letzten Mal ist Rudolf Scharping herausgekommen, der Fleisch gewordene pompöse Durchschnittssozialdemokrat. Wer ist der Scharping von heute? Norbert Walter-Borjans, der mit Saskia Esken antritt. Da muss man ganz schön lange googeln, um sich ein Bild von den beiden zu machen.


Kommt es so, was wird dann aus Olaf Scholz? Ginge es mit rechten Dingen zu, müsste er als Finanzminister zurücktreten. Will er das, will die Kanzlerin das? Und hätten die beiden neuen Parteivorsitzenden so viel Autorität, um zu sagen: Aus ist es mit der Großen Koalition, nichts wie weg hier!

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Egal, wie es kommen wird, die vier Parteien nehmen den Anlauf auf die nächste Bundestagswahl. Die Grünen hätten das größte Interesse an einer schnellen Neuwahl, so gut wie es für sie läuft. CDU und SPD haben das größte Interesse daran, dass es erst im Spätsommer 2021 soweit ist.

Die herrschenden Verhältnisse, sie werden nicht ordentlicher.

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