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Tagesanbruch: Strafzölle starten Handelskrieg, Söder zeigt seine "Stärke"


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 01.06.2018Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Markus SöderVergrößern des Bildes
Fabelhaftes Bild vom Herrn Söder vor der fabelhaften Kulisse des Petersdoms in Rom. (Quelle: Daniel Karmann/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute wachen Sie in einem anderen Europa auf als gestern. Warum? Weil gestern etwas Bedeutendes war.

WAS WAR?

Das war: Donald Trump hat sich entschieden, ab heute Importzölle auf Stahl und Aluminium aus der EU zu erheben. Ja und, fragen Sie sich vielleicht, was soll da schon passieren? Trump halt, irgend so ein Wirtschaftsthema halt, Flügelschlagen halt.

Und das ist halt leider falsch.

Wochenlang, monatelang haben europäische Politiker, darunter der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier, versucht, der US-Regierung gut zuzureden, Vernunft anzunehmen, rationale Argumente zu respektieren. Ein Handelskonflikt schadet am Ende immer allen Seiten.

Das Problem ist: In der US-Regierung ist niemand mehr übrig, der diese Argumente hören will. Der Präsident hat alle Widersacher, die nicht bei drei jedem seiner Tweets applaudieren, vor die Tür gesetzt. Jetzt sind da nur noch: Hardliner und Ideologen. Die dem Diktum von Trumps ehemaligem Berater Stephen Bannon folgen: Als Präsident kannst du alles tun, was du willst, nur eines darfst du nie tun: deine Wahlkampfversprechen brechen. Und weil Trump eben im Wahlkampf allerhand wilde Sachen versprochen hat, setzt er jetzt an der Macht allerhand wilde Sachen um. Um seinen Wählern zu gefallen. Um sich in ihrem Applaus zu sonnen. Um die Kongresswahlen im November zu gewinnen. Um ein starker, wilder Mann zu sein. So verkehrt sich ein im Grunde lobenswerter Vorsatz (steh zu deinem Wort!) in Destruktion (alle gegen alle!).

Denn das wird nun die Folge sein. Schon vor Wochen haben deutsche Politiker im Vertrauen prognostiziert, wie der Konflikt eskalieren wird: Erst werden europäischer Stahl und Aluminium in den USA teurer, dann erhebt Europa im Gegenzug Zölle auf immer mehr amerikanische Produkte. Bei Erdnussbutter, Motorrädern und Whiskey wird es jedenfalls nicht bleiben. Dann sind deutsche Autos an der Reihe. So wird ein Handelskrieg entfesselt, unter dem zigtausende Arbeitnehmer auf beiden Seiten des Atlantiks leiden werden.

"Damit endet die Epoche des freien Welthandels, es beginnt ein neues Zeitalter", schreibt unsere Wirtschaftskolumnistin Ursula Weidenfeld in ihrem Kommentar. "Die USA sind die Herzkammer des freien Welthandels gewesen. Jetzt werden sie zum Hauptinfarktrisiko." Es kann lange dauern, bis der Patient sich wieder erholt.

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Auch abseits von Herrn Trump war gestern wieder allerhand los. Alle, wirklich alle reden übers Wetter, in Italien wollen die radikalen Parteien nun doch eine Regierung bilden – und die Deutsche Bank verkommt zum Ramschladen. Hervorheben möchte ich aber eine andere Nachricht.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Präsidentschaft George W. Bushs (ob das W. in seinem Namen für "Warrior" oder "Wicked" steht, weiß ich nicht mehr). Eine brutale Zeit voller Terror, Krieg, Lügen. Eine Zeit, in der die Weltmacht USA in den Augen vieler Menschen ihre Strahlkraft verlor, weil sie den Terror und die Heuchelei al-Qaidas ihrerseits mit Terror und Heuchelei beantwortete. Morde in Afghanistan, erfundene Beweise im UN-Sicherheitsrat, Einmarsch im Irak, Abu Ghraib, Guantanamo. Mein Eindruck: Das Misstrauen, das viele Deutsche heute gegen Amerika hegen, wurzelt in diesen Bush-Jahren.

Das böse Erbe haftet aber nicht nur den USA an. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat gestern Rumänien und Litauen wegen zahlreicher Menschenrechtsverletzungen in geheimen CIA-Gefängnissen auf ihrem Staatsgebiet verurteilt. Manchmal dauert es lange, bis die Gerechtigkeit siegt. Entscheidend ist, dass sie siegt.

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WAS STEHT AN?

Herr Söder hat kürzlich ein wichtiges Amt bekommen. Herr Söder möchte dieses Amt sehr gern behalten. Deshalb hat sich Herr Söder ein paar Dinge ausgedacht, um zu zeigen, welch ein starker Mann er ist, der Herr Söder. Ein hartes Polizeigesetz, das ist schon mal nicht schlecht. Jede Woche ein, zwei starke Sprüche, das hält ihn in den Schlagzeilen. Aber ein bisschen was fürs Gemüt sollte auch dabei sein. Und für die Tradition. Und die Heimatliebe. Und die Religion. Am besten alles zusammen. Aber bitte möglichst einfach, so dass es jeder Wähler versteht. Denn um die geht es ja, die Wähler. Also ein Kreuz. Nein, viele Kreuze: in jeder bayerischen Behörde eines. Aus Kalkül, nicht aus Überzeugung. Und passend zum Inkrafttreten des Erlasses heute eine Privataudienz bei Papst Franziskus im Vatikan. Das gibt fabelhafte Bilder. Das ist fabelhaft geplant. Das hilft im Wahlkampf um das Amt des Ministerpräsidenten. Denn Herr Söder möchte dieses Amt sehr gern behalten.

Und da sage noch irgendjemand, Politikern gehe es nur um die Sache.

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Apropos Politiker, hier ist noch eine Geschichte: Es war einmal eine Partei, die viele interessante Politiker hervorbrachte, die viele interessante Ideen hatten. Diese Partei regierte und regierte, dann regierte sie mal kurz nicht, aber nur, um schon vier Jahre später wieder zu regieren. Und seitdem regiert sie und regiert und regiert. Und bei all dem Regieren sind ihr irgendwann nicht nur die Ideen ausgegangen, sondern auch die besten Leute. Es blieben ihr Leute, die vor allem eines gern tun: regieren. Bei den Wählern aber blieb vor allem eines: der Eindruck, dass das nicht reicht, um die Macht zu verdienen. So blieb der Partei nichts anderes übrig, als sich von Grund auf zu reform… Tja, schön wärs. Die Realität sieht leider anders aus: Heute treffen sich die Sozialdemokraten auf ihrem Landesparteitag in Berlin, um ihre Kandidaten für die Europawahl zu bestimmen. Um weiter zu regieren.

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Aber nicht nur in Deutschland haben die Regierenden zu kämpfen, auch andernorts stehen sie mächtig unter Beschuss. In Spanien muss sich Ministerpräsident Rajoy heute einem Misstrauensvotum stellen. Im Hintergrund geht es um eine Korruptionsaffäre in der konservativen Volkspartei. Im Vordergrund wird Rajoy die Abstimmung wohl verlieren und abtreten müssen. Und noch weiter im Hintergrund wird Angela Merkel dadurch eines ihrer wichtigsten Verbündeten in Europa verlustig gehen. Schlecht für sie, aber nicht unbedingt schlecht für Europa. Neuer Wind schadet nicht, solange er konstruktiv weht.

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Julian Brandt, Leon Goretzka, Joshua Kimmich, Leroy Sané, Jonathan Tah, Timo Werner: Ja, unsere Nachwuchshoffnungen zählen zu den größten Fußballtalenten der Welt. Derzeit kämpfen sie mit- und ein bisschen gegeneinander im Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft in Südtirol um einen Platz im endgültigen WM-Kader. Wer darf bleiben? Wer muss gehen? Unser Reporter Luis Reiß schildert seine Eindrücke aus Eppan und bewertet die Chancen der jungen Herren. Heute Morgen auf t-online.de.

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Und wenn Sie zufällig nicht in Wustermark im Havelland in Brandenburg leben, dann empfehle ich Ihnen, heute rasch dorthin zu fahren. Es gibt da einen Bahnhof. Bringen Sie ordentlich Appetit mit. Denn in Wustermark angekommen, treffen sie auf Deutschlands 16 beste Eishersteller. In einem Wettbewerb mit dem schön-schleckigen Namen "Gelato-Festival" konkurrieren sie um Platz eins. Denn nur der Allerbeste darf in drei Jahren zur Eis-Weltmeisterschaft nach Florenz fahren. Die gibt es wirklich. Wie schön.

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WAS LESEN UND ANSCHAUEN?

Hoch und runter wird in diesen Tagen die brisante Lage in Italien diskutiert. Wie erklärt sich der Erfolg der radikalen Parteien – und ist die Entwicklung mit jener in Frankreich oder Deutschland vergleichbar? Sind gar Demokratien in ganz Europa in Gefahr, fragte "Tagesthemen"-Moderatorin Caren Miosga kürzlich den Politikwissenschaftler Claus Leggewie. Seine Antwort ist nur eine gute Minute kurz, bietet aber genug Stoff, um viele Stunden lang darüber nachzudenken.

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Wieso, um alles in der Welt, tritt der Zidane von seinem Trainerposten zurück? Ich war sicher nicht der Einzige, dem gestern um 13.05 Uhr dieser Gedanke durch den Kopf schoss. Dreimal hintereinander hat der Mann mit Real Madrid die Champions League gewonnen – mehr geht doch gar nicht, das ist doch der Gipfel des Erfolgs! Tja, aber es ist eben nicht die ganze Geschichte, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt. Ein Text über eine große Enttäuschung.

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Es gibt Dinge, für die in der Alltagsdiät der meisten von uns kein Platz ist. Die unser Leben bestimmen, und die wir doch nicht sehen. Ein blinder Fleck von enormen Ausmaßen. Bei Sydni Dunn war dieser Fleck nicht blind, und sie berichtet uns davon: Sterben müssen wir alle – wir selbst und auch jeder, der uns nahesteht. Die Eltern Sydni Dunns wussten, dass sie tot sein würden, bevor ihre Tochter die Kindheit hinter sich lässt. Als der Vater an Aids starb, war sie vier. Beim Tod der Mutter war sie neun. Aber spurlos gehen, das wollten sie nicht. Alles setzte die Mutter daran, den Vater nicht aus dem Alltag entschwinden zu lassen, als er nicht mehr da war. Er hätte das neue T-Shirt gemocht. Den Sonnenuntergang hat er an den Himmel gemalt. Erinnerungen schaffen, durch gemeinsam verbrachte Zeit, durch große und kleine Unternehmungen: Das tun alle Eltern – doch nicht in demselben, akut geschärften Bewusstsein, wie wichtig und unwiederbringlich das ist. Das ist entschuldbar. Wir können es nicht sehen. Es gibt da diesen blinden Fleck.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Der ist einfach talentiert, der Mario Lars, der unser Cartoonist ist, der immer so lustige Ideen hat, die voll ins Schwarze treffen, was man an seiner heutigen Zeichnung sieht, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

Ich wünsche Ihnen einen quicklebendigen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: harms.chefredaktion@t-online.de

Mit Material von dpa.

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