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Tagesanbruch: Grindel & Bierhoff – Hochmut ist der Anfang vom Ende


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 12.07.2018Lesedauer: 6 Min.
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Alles richtig gemacht: die Herren Bierhoff und Grindel vom DFBVergrößern des Bildes
Alles richtig gemacht - die Herren Bierhoff und Grindel vom DFB (Quelle: Christian Charisius/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Wir sehen und hören in diesen Tagen wieder mal viel über Herrn Trump. Ist ja auch wichtig, was er sagt, macht, tut, während er in Europa von einem Termin zum nächsten jettet. Nato-Gipfel in Brüssel, Besuch in London, Vieraugengespräch mit Putin in Helsinki. Wenn ich mir die Berichterstattung über Herrn Trump in einigen deutschen Medien anschaue, habe ich allerdings manchmal den Eindruck, da werde ein Quartalsirrer beschrieben.

Keine Frage: Viel (sehr viel) von dem, was Trump sagt, macht, tut, erscheint auch mir kurzsichtig, dreist, übertrieben, manchmal auch radikal. Aber es hilft ja nichts, wir müssen mit diesem Mann im mächtigsten Amt der Welt leben. Also wäre es gut, wenn wir verstünden, was ihn antreibt. Zum Beispiel, indem wir uns ein kurzes Video ansehen, das eine Szene auf dem Nato-Gipfel zeigt: Trump erklärt den Europäern beim Frühstück, was ihn so erzürnt. Deutschland spielt dabei eine Rolle und Russland und Gerhard Schröder. Nachdem ich die gut zwei Minuten gesehen hatte, habe ich Trumps Gedankenwelt ein bisschen besser verstanden.

Allerdings hatte ich hinterher das dringende Bedürfnis, seine Aussagen zu überprüfen. Dabei kommt heraus: Wieder mal hat Trump übertrieben. Alle weiteren Erklärungen liefert unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold in seiner Analyse.

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Wie lange soll das eigentlich noch so weitergehen? Wie lange sollen wir Herrn Bierhoff und Herrn Grindel eigentlich noch dabei zuschauen, wie sie eine dilettantische Ausrede nach der anderen in die Welt blasen, immer neue Schuldige für den miserablen Auftritt der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM suchen, aber im Traum nicht auf die Idee kommen, dass sie selbst vielleicht eventuell möglicherweise auch ein klitzeskleines bisschen zu diesem Debakel beigetragen haben?

Hochmut ist eine Todsünde, und Überheblichkeit ist der Anfang vom Ende des Erfolgs. Das ist im Fußball nicht anders als in der Wirtschaft. Nach einem großen Erfolg (zum Beispiel einem Weltmeisterschaftstitel) sonnt man sich allzu leicht in seinem Ruhm, wird schwerfällig, selbstzufrieden, hinterfragt sich nicht mehr, verliert den Blick für Veränderungen und neue Trends. Wieso sollen wir etwas verändern? Wir sind doch die Besten! So dachten sie bei Kodak, bei Nokia, in den meisten deutschen Medienverlagen, beim DFB.

Und wenn dann auf den Hochmut der unweigerliche Fall folgt, dann eiern die Verantwortlichen herum, zeigen mit dem Finger auf alle möglichen anderen Schuldigen und versuchen mit Ausflüchten ihre Posten zu retten. Das ist der deutschen Nationalmannschaft unwürdig und behindert den dringend nötigen Neuanfang. Wenn der DFB noch ernst genommen werden will, sollte er jetzt die Konsequenzen ziehen.

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WAS STEHT AN?

Früher, in der analogen Welt, war manches einfacher. Nach dem Tod eines Verwandten schauten die Angehörigen in seine Wohnung, zogen die Schubladen auf, blätterten in Ordnern, lasen vielleicht seine Briefe oder Tagebücher. Der Versuch, Offengebliebenes zu begreifen, vielleicht gar die Hintergründe eines Todesfalls zu verstehen, schien eher von Erfolg gekrönt, als wir noch mit Füller oder Kuli auf Papier schrieben. Heute schreiben wir meist, indem wir die Tasten irgendeines Gerätes drücken, und verewigen unsere Gedanken in der Cloud statt in der Kladde. Wenn diese Cloud einem großen Konzern gehört, sagen wir zum Beispiel Facebook, dann beginnt das Problem spätestens mit dem Ableben eines nahestehenden Menschen.

So erging es den Eltern eines Mädchens, das vor mehr als fünf Jahren vor eine U-Bahn stürzte und kurz darauf im Krankenhaus starb. Wie konnte es zu diesem schrecklichen Ereignis kommen? Ein Unfall? Oder ein Suizid? Hatte die Tochter vor ihrem Tod vielleicht Nachrichten ausgetauscht, die Aufschluss über ihre letzten Lebenstage und ihre Gemütslage gaben? Wo könnte sie solche Nachrichten geschrieben haben? Natürlich dort, wo wir alle heute unser halbes Leben und manche noch viel mehr preisgeben: auf Facebook. Also wollten die Eltern im Account ihrer Tochter nachsehen, sie hatten sogar das Passwort – aber anmelden konnten sie sich trotzdem nicht. Weil Facebook das Profil bereits im "Gedenkzustand" eingefroren hatte. Er verwandelt die Seite nach dem Tod eines Nutzers zu einer Art virtuellem Kondolenzbuch. Die Eltern baten, fragten, klagten – aber der blaue Konzern blieb stur. Das Konto blieb verschlossen. Privatsphäre sei Privatsphäre.

Deshalb muss heute der Bundesgerichtshof entscheiden, ob das rechtens ist. Erwartet wird ein Grundsatzurteil, das alle Hinterbliebenen betrifft: Haben Erben das Recht, die anderswo gespeicherten Chat-Protokolle, E-Mails oder Fotos eines verstorbenen Angehörigen einzusehen – auch wenn sich dieser in seinem Testament nicht dazu geäußert hat? Eine Frage von großer Tragweite. Und ein Urteil, das in Ihrem Leben genauso irgendwann eine Rolle spielen könnte wie in meinem und in dem von Millionen weiteren Menschen.

Apropos: Wenn Sie wissen wollen, wie Sie für den Fall der Fälle Ihren digitalen Nachlass klug regeln, sollten Sie sich fünf Minuten Zeit nehmen und diese Anleitung lesen.

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Wie stellt sich die britische Regierung denn nun den Brexit konkret vor, wie will sie den Austritt aus der EU umsetzen und wie die anschließenden Beziehungen zur Rest-EU gestalten? Seit zwei Jahren rätselt Europa, heute soll es die Antwort bekommen: Premierministerin Theresa May stellt in London das “White Paper“ ihres Kabinetts vor. In diesem Kabinett geht es allerdings seit den Rücktritten von Brexit-Minister Davis und Außenminister Johnson drunter und drüber. Ich denke, May bleiben nun eigentlich nur noch zwei Optionen: aufgeben, selbst zurücktreten und das Chaos ihren engstirnigen Gegnern überlassen. Oder die Rücktritte ignorieren und ihren Plan eiskalt durchziehen. So wie sich diese Frau in den vergangenen Monaten geschlagen hat, tippe ich auf Letzteres.

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Kommen wir zu einer kleinen Beichte. Ich schreibe den Tagesanbruch wirklich gern. Jeden Abend viel lesen, dann schreiben, dann korrekturlesen, dann zu nachtschlafener Zeit das Ergebnis an die liebe Kollegin in Melbourne schicken, die den Newsletter produziert und pünktlich um 6 Uhr mitteleuropäischer Zeit zu Ihnen schickt. Ja, das ist ein ziemlich großer Aufwand, aber für die lieben Leserinnen und Leser von Deutschlands größter Nachrichtenseite betreiben wir ihn gern.

Was mich aber wirklich fuchsig macht: Wenn die Recherche an so einem Abend mal wieder viel, viel, viel länger dauert als nötig, weil die Internetverbindung elendig lahm ist. Zum Beispiel auf Reisen. Zum Beispiel im Zug. Wir leben in einem Land, das sich zu den modernsten der Welt zählt – aber weder die Bundesregierung noch dieser riesige Telekommunikationskonzern mit dem Magenta-T im Namen (zu dem t-online.de ja nicht mehr gehört) noch die wahnsinnig mobile Deutsche Bahn kriegen es hin, die riesengroßen Funklöcher in diesem hochmodernen Land zu schließen. Vielerorts geht entweder gar nix oder es geht nur im Schneckentempo. Das deutsche LTE-Netz zählt zu den schlechtesten in Europa.

Ich finde das erbärmlich, und ich habe trotz allfälliger Lippenbekenntnisse bisher nicht das Gefühl, dass die Verantwortlichen das Problem wirklich anpacken.

Oh, was sehe ich denn da in den Terminen? Bundesinfrastrukturminister Andreas Scheuer trifft sich heute mit Vertretern von Bundesländern und Mobilfunkkonzernen. Thema der Veranstaltung: das Schließen der Löcher im deutschen Mobilfunknetz. Na dann – aber bitte dalli-dalli!

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Und zum Abschluss der tägliche Seehofer: Erst präsentiert der Minister der Öffentlichkeit einen veralteten Stand seines Migrationsplans, dann freut er sich ersichtlich darüber, dass an seinem 69. Geburtstag 69 Menschen abgeschoben wurden (von denen einer sich kurz darauf das Leben genommen hat), dann hören wir aus seinem Ministerium, dass selbst enge Mitarbeiter ihren Chef inzwischen nicht mehr verstehen, schließlich sehen wir einen Mann vor uns, der sich an seine beiden Ämter klammert, als seien sie das einzige, was er noch hat, und dabei von Tag zu Tag eine unglücklichere Figur macht. Ja, da einfach weiterzumachen kann uns Respekt einflößen. Oder es lässt uns nur noch den Kopf schütteln.

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WAS LESEN?

Unsere Zeit ist von enormen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen geprägt. Allzu oft erschöpfen sich die Debatten darüber aber im Herausschreien von Meinungen; der Ton im öffentlichen Raum, in sozialen Netzwerken und auch im Forum von t-online.de wird rauer. Wir müssen mehr miteinander als übereinander reden. Unsere Demokratie braucht kontroverse, aber respektvolle Diskussionen in der Bürgerschaft. Deshalb unterstützen wir von t-online.de das Projekt “Deutschland spricht“. Was es damit auf sich hat? Bitte hier entlang.

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WAS FASZINIERT MICH?

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Zug oder in der U-Bahn. Ihnen gegenüber sitzt jemand und liest. Ganz vertieft. Nach einer Weile fällt Ihnen auf: Der hält das Buch falsch herum! Auf dem Kopf. Was macht der Mann? Beobachtet er Sie? Ein Spion? Mit erheblichem Ausbildungsbedarf? Beruhigen Sie sich. Vielleicht ist es ja auch nur Daniel Mirera. Der liest und schreibt auf dem Kopf. Alles. Immer. Sein Leben lang.

Ich wünsche Ihnen einen Tag mit neuen Perspektiven.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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