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Tagesanbruch: Özils Rücktritt, Demonstranten-Bashing und Hamiltons Triumph


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Ruediger Schmitz

Aktualisiert am 23.07.2018Lesedauer: 7 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Turkish President Erdogan meets with Arsenal's soccer player Ozil in LondonVergrößern des Bildes
Mesut Özil und Präsident Recep Tayyip Erdogan (Quelle: Reuters-bilder)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

es freut mich sehr, Sie in dieser Woche in Vertretung von Florian Harms begrüßen zu dürfen.

WAS WAR?

Was war da gestern los mit Mesut Özil? In unserer Redaktion waren nach einem eher ruhigen Wochenende alle wie elektrisiert, als der vielfache Nationalspieler des Jahres im Laufe des Sonntags über Twitter und Facebook drei lange Statements veröffentlichte.

Im ersten, kurz vor dreizehn Uhr gesendet, versuchte Özil zu erklären, wie es zu dem Foto mit Erdogan gekommen war. Im zweiten, gegen 15 Uhr, führte er einen Rundumschlag gegen den DFB, deutsche Medien und Lothar Matthäus.

Und im dritten, kurz nach 20 Uhr, erklärte er seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft und warf DFB-Präsident Reinhard Grindel Diskriminierung und Rassismus vor. Auf unserer Seite finden Sie alle Statements im englischen Original und in voller Länge ins Deutsche übersetzt.

Mit seinen Äußerungen zog Özil, nachdem er vorher lange geschwiegen hatte, die Konsequenzen aus der Affäre um die Fotos mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. Und zwar ganz so, wie seine Fans und Follower es lieben: ein großes, strategisch durchnummeriertes Drama mit markigen Worten: "Ich werde nicht länger als Sündenbock dienen für seine Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen", sagte er beispielsweise an die Adresse von Grindel.

"Damit ist der nächste Tiefpunkt einer der schlimmsten DFB-Krisen aller Zeiten erreicht. Und spätestens jetzt gibt es nur noch Verlierer", schreibt unser Sportchef Florian Wichert in seinem Kommentar. Er analysiert, was Özils Statement bewirkt: bei Mesut Özil, Reinhard Grindel, Oliver Bierhoff – und dem DFB: "Schlimm, was innerhalb kürzester Zeit aus dem Weltmeister von 2014 geworden ist."

Türkische Regierungspolitiker haben sich schnell auf die Seite des Fußballers geschlagen. Sportminister Mehmet Kasapoglu schrieb am Sonntagabend auf Twitter: "Wir unterstützen die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen." Justizminister Abdulhamit Gül gratulierte dem gebürtigen Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln, weil dieser mit seinem Rücktritt das "schönste Tor gegen den faschistischen Virus geschossen" habe.

Der Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, begrüßte Özils Aussage, dass er den türkischen Präsidenten wieder treffen würde. Weiter schrieb er auf Twitter: "Aber stellen Sie sich vor, welchem Druck Herr Mesut in diesem Prozess ausgesetzt war. Wo sind Höflichkeit, Toleranz, Pluralismus geblieben ...?!"

Ob Özil das so recht ist? Kommt für ihn der Beifall von der richtigen Seite?

Vielleicht hat das Ganze aber auch sein Gutes. Özils Abrechnung kommt spät, viel zu spät, und natürlich vermischt der Publikumsliebling darin die Kritik an seiner Person mit der Kritik an seinen zuletzt durchaus schlechten Leistungen.

Trotzdem sind die Einsichten in die Denkweise und das Verhalten des Deutschen Fußball-Bundes wichtig – und vielleicht führt das große öffentliche Aufsehen tatsächlich dazu, dass sich etwas ändert in diesem gemeinnützigen Verein, der mit Vereinsstrukturen einen der mittlerweile größten und wichtigsten Bereiche des gesellschaftlichen Lebens leitet.

Was glauben Sie, liebe Leser? Hat Özil mit seiner öffentlichen Abrechnung richtig gehandelt? Bitte schreiben Sie mir.


In München haben am gestrigen Sonntag Zehntausende Menschen gegen einen Rechtsruck in der Gesellschaft und in der Politik demonstriert. Unter dem Motto "#ausgehetzt – Gemeinsam gegen die Politik der Angst!" protestierten sie besonders gegen die Flüchtlingspolitik der CSU. Die Polizei sprach von mehr als 20.000 Teilnehmern.

In ihrem Demonstrationsaufruf warfen die Veranstalter namentlich CSU-Chef Horst Seehofer, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eine "verantwortungslose Politik der Spaltung" vor.

Die CSU reagierte auf den Demonstrationsaufruf kurzfristig mit einer Gegenkampagne. Sie hängte in der Stadt Plakate auf mit dem Aufdruck: "Ja zum politischen Anstand! Nein zu #ausgehetzt. Bayern lässt sich nicht verhetzen!".

Wesentlich schärfer äußerte sich CSU-Generalsekretär Markus Blume. Er warf Demonstranten seinerseits "Hetze" gegen seine Partei vor. "Wer 'CSU-Rassistenpack' skandiert, wer der CSU unterstellt, Konzentrationslager vorzubereiten, oder wer die CSU für schuldig erklärt am Tod von Migranten im Mittelmeer, der hat jeglichen Anstand verloren und betreibt übelste Hetze", sagte Blume "Spiegel Online".

Bürger, ganz normale Bürger, die nicht mehr damit einverstanden sind, wie die CSU-Chefs den Ton in der Politik immer weiter verschärfen, gehen auf die Straße – und werden ihrerseits von der etablierten Partei mit dem "C" im Namen als übelste Hetzer beschimpft. Anscheinend hat die CSU immer noch nicht verstanden, dass ihre ausländerfeindlichen Parolen nur die AfD gestärkt haben. Da ist etwas faul im Staate Bayern.

Schnupper-Visum, was für ein niedliches Wort. Dabei geht es um nichts weniger als die Frage, wie Deutschland in Zukunft mit Migranten umgeht, wie sehr das Land sie braucht, was es zu bieten hat, wie sehr es sich abschottet oder öffnet.

Union und SPD hatten beim Koalitionsausschuss zur Migrationspolitik Anfang Juli beschlossen, bis Ende des Jahres ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das die Zuwanderung von Fachleuten aus dem Ausland neu regelt, die von der Wirtschaft dringend benötigt werden.

Arbeitsminister Hubertus Heil hat nun befristete Visa ins Spiel gebracht, mit denen ausländische Fachkräfte hier in Deutschland auf Jobsuche gehen können. Im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sprach er von Branchen wie der Pflege, in denen ein Mangel an Arbeitskräften herrsche und in der sie gute Chancen hätten: "Sollte ihnen das nicht gelingen, müssen sie nach Ablauf der Zeit wieder zurück." Sozialleistungen sollen in diesen sechs Monaten keine gezahlt werden.

Reflexartig kritisierten Linke und Grüne den Vorschlag des SPD-Ministers: konzeptlos, weltfremd und "von vornherein zum Scheitern verurteilt" sei das. Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, nennt "schlechte Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne und extreme Arbeitsbelastung“ als Gründe für den Personalmangel in der Pflege. Ja, das ist richtig – trotzdem ist der Vorstoß von Heil ein Schritt in die richtige Richtung.

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Die Weißhelme sind Syrer, die Syrern helfen. Sie retten in Kriegsgebieten Menschen aus Häusern, die bei Kampfhandlungen zerbombt wurden. Gestern haben sie selbst Hilfe gebraucht.

Assad und Putin werfen ihnen vor, die Rebellen zu unterstützen. In einer ungewöhnlichen Rettungsaktion hat Israel mehrere Hundert syrische Weißhelme und ihre Familien vor den heranrückenden Regierungstruppen im Süden des Landes in Sicherheit gebracht.

Wie die jordanische Regierung mitteilte, wurden 422 Mitglieder der syrischen Hilfsorganisation und ihre Angehörigen nach Israel geholt und dann nach Jordanien gebracht. Der israelische Armeerundfunk spricht von insgesamt 800 Syrern, die nach Jordanien weitergeleitet wurden. Jordanien erklärte unmittelbar darauf, die Menschen würden nun nach Deutschland, Kanada und Großbritannien gebracht.

Seehofer erklärte, dass Deutschland acht Weißhelme und ihre Familien aufnehmen werde: "Ihnen Schutz zu gewähren, ist für mich eine humanitäre Verpflichtung und Ausdruck meiner Politik, für Humanität und Ordnung in der Migrationspolitik zu sorgen". Zum Vergleich: Kanada nimmt 50 Weißhelme und ihre Familien auf.


Im internationalen Handelsstreit zeigen sich die USA gegenüber Europa und Japan gesprächsbereit. Bei dem Treffen der G20-Finanzminister in Buenos Aires am Wochenende schlug Finanzminister Steven Mnuchin erneut vor, die Handelsbarrieren innerhalb der Gruppe der sieben traditionellen Industriestaaten fallen zu lassen. Es gebe allerdings drei Bedingungen, so Mnuchin: die Abschaffung von Zöllen, Handelsbarrieren und Beihilfen.

Frankreich hielt umgehend dagegen. Bevor sich die EU zu Handelsgesprächen bereit erkläre, müsste US-Präsident Donald Trump die Zölle auf Stahl und Aluminium sowie seine Drohung mit Zöllen auf Autos zurückziehen. "Wir weigern uns, mit einer Pistole auf der Brust zu verhandeln", sagte Finanzminister Bruno Le Maire.

Es sollte Sebastian Vettels großer Triumph werden: Ein Sieg in Hockenheim, den er sich schon so lange ersehnt hatte – ausgerechnet beim Heimrennen hat er noch nie gewonnen.

Doch am Ende kam alles ganz anders, auf dramatische Weise: Vettel führte lange, absolvierte ein souveränes Rennen, verbremste sich aber 15 Runden vor Schluss und krachte in eine Mauer. Das plötzliche, unerwartete Aus.

Sieger: Ausgerechnet Vettels Titelrivale Lewis Hamilton, der damit auch in der WM-Wertung wieder führt. Mein Kollege Tobias Ruf hat den Ausgang des packenden Grand Prix aufgeschrieben – und die tränenreiche Reaktion des deutschen Formel-1-Stars danach.

WAS IST?

Das wird ein zäher Montag heute für Außenminister Heiko Maas. Am Vormittag trifft er den britischen Außenminister Jeremy Hunt zu seinem Antrittsbesuch, danach seinen italienischen Kollegen Enzo Moavero Milanesi. Beide Staaten haben mit Europa nicht mehr viel im Sinn und gehen lieber ihren eigenen Weg. Die Briten verlassen gerade die Europäische Union, die Italiener fahren in der Flüchtlingsfrage einen harten Abschottungskurs und kümmern sich nicht groß um Absprachen mit den anderen europäischen Partnern.

So denkt Heiko Maas vielleicht ein wenig mit Bedauern an die Zeiten, als deutsche Außenminister noch an innerdeutschen Grenzöffnungen oder der Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung beteiligt waren. Aber Radfahrer wissen es: Für schwere Steigungen braucht man kleine Übersetzungen. Und auch damit dreht man am Rad der Geschichte.

Am Dienstag jährt sich die Katastrophe der Loveparade in Duisburg. 2010 waren 21 Menschen am einzigen Ein- und Ausgang zur Technoparade erdrückt worden, über 650 Besucher wurden verletzt, einige von ihnen leiden bis heute körperlich und seelisch unter den Folgen. Bei der "Nacht der 1000 Lichter" am Vorabend gedenken die Menschen der Opfer dieses Tages, an dem eine Generation ihre Unbeschwertheit verlor.

WAS ANSCHAUEN?

Vor einigen Jahren kam ich von der Mittagspause zurück in die Redaktion, die Büros waren leer. Alle Kollegen hatten sich im Büro des Chefredakteurs versammelt, der zu dieser Zeit in Urlaub war. Dort stand der einzige Fernseher. Auf dem Bildschirm war ein Haus mit einer Rauchwolke zu sehen, vor strahlend blauem Himmel. Niemand sagte etwas. "Ist das echt?", fragte ich. Dann stürzte das Haus ein.

Die meisten von uns wissen noch, was sie am 11. September 2001 gemacht haben. Wie es so weit kommen konnte, obwohl FBI und CIA schon Monate vorher viele Hinweise und Spuren hatten, erzählt die Serie "Looming Tower". Die Konkurrenz der Geheimdienste FBI und CIA ebnete den Anschlägen von al-Qaida und Osama bin Laden den Weg. Zurzeit auf Amazon Prime zu sehen, ab Ende September auch als Bluray-Box, USA 2017, Warner Home Video.


Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche,


Ihr Rüdiger Schmitz-Normann
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: Ruediger.Schmitz-Normann@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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