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Tagesanbruch: CSU-Parteitag – Der Alte geht, die Erben übernehmen


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

Meinung Von Florian Harms

Aktualisiert am 17.01.2019Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Labour-Chef Jeremy Corbyn spricht im britischen Parlament: Die Gegner von Premierministerin Theresa May geben sich kompromisslos.Vergrößern des Bildes
Labour-Chef Jeremy Corbyn spricht im britischen Parlament: Die Gegner von Premierministerin Theresa May geben sich kompromisslos. (Quelle: House of Commons/PA/ap-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Zwei Dramen, zwei kleine Siege: Großbritanniens eiserne Theresa hat gestern Abend ein Misstrauensvotum im Parlament überlebt, Griechenlands wackerer Alexis hat die Vertrauensfrage überstanden. Aber beide Erfolge wirken schal. Ministerpräsident Tsipras versucht sich nun mit einer hauchdünnen Mehrheit bis zu den Wahlen im Herbst durchzuhangeln; ihm steht ein politischer Spießrutenlauf bevor. Premierministerin May konnte ebenfalls nur eine kleine Mehrheit davon überzeugen, sie weiterwerkeln zu lassen – und schon wartet die nächste Herkulesaufgabe: Nach den parlamentarischen Regeln muss sie bis Montag einen neuen Plan zum Ausstieg aus der EU vorlegen, andernfalls dürfen die Abgeordneten selbst ran. Dass dabei etwas Konstruktives herauskäme, gilt als ähnlich wahrscheinlich wie drei Tage praller Sonnenschein im Londoner Januar.

Mehrere Szenarien sind nun möglich: May könnte a) versuchen, den EU-Ländern weitere Zugeständnisse abzutrotzen, und das Abkommen dann erneut zur Abstimmung stellen. Oder b) darauf dringen, das Austrittsdatum des 29. März zu verschieben. Oder c) die Augen schließen, mit Karacho in den ungeordneten Brexit schlittern und die wirtschaftlichen Folgeschäden in Kauf nehmen. Auch das scheint sie nicht zu fürchten – nur ihren Machtverlust, den will sie auf jeden Fall verhindern. Neuwahlen "wären das Schlechteste, was wir tun können", sagte sie gestern. Was wiederum Labour-Chef Jeremy Corbyn auf die Palme brachte, der gern selbst Premier wäre und sofort den Druck auf Frau May erhöhte: Er werde erst dann wieder mit ihr sprechen, wenn sie einen "No-Deal-Brexit" ausschließe, giftete er.

Wir erleben in London einen Zusammenbruch der Kommunikation. Theresa May hat dazu beigetragen, indem sie monatelang stur an ihrem Plan festhielt und sich weigerte, ihre Gegner stärker einzubinden. Ihre Gegner wiederum – sowohl die im Regierungslager als auch die in der Opposition – machen es sich seit Monaten viel zu leicht, indem sie starrköpfig auf ihren Maximalforderungen beharren. Manchmal erinnern mich die Diskussionen in Großbritannien an Kindergarten-Dialoge: "Ich will fünf Kugeln Eis!" "Fünf Kugeln haben wir nicht, du kannst zwei haben." "Aber ich will fünf!" "Wie gesagt: Geht nicht. Zwei gehen." "Aber ich MUSS fünf haben!!" So was endet selten ohne Tränen.

Die Zocker in Westminster scheinen bereit zu sein, ihr Blatt so lange auszureizen, bis sie nur noch eine Karte in der Hand halten. Welche das am Ende ist? Das vermag ich Ihnen Stand heute nicht zu sagen. Aber dass es ein Trumpf ist, wird von Stunde zu Stunde unwahrscheinlicher.

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Hans Globke war ein Schreibtischtäter. Während der NS-Zeit verfasste er einen juristischen Kommentar zu den antisemitischen "Nürnberger Rassengesetzen" und wirkte an der Entrechtung der Juden mit. Trotzdem beförderte ihn Kanzler Adenauer im Jahr 1953 zum Chef des Bundeskanzleramts. Ein Aufschrei ging durch die junge Bundesrepublik. Heutige Bundesregierungen, sollte man meinen, haben eine entschiedenere Haltung zu Schergen des Nazi-Regimes. Umso mehr verwundert, was unser Zeitgeschichte-Experte Marc von Lüpke berichtet: Bis heute hängt im Bundeskanzleramt ein Porträt Globkes – ohne einordnenden Begleittext. Wie kann das sein?

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WAS STEHT AN?

Horst Seehofer kämpft im bayerischen Winter gegen die Schneemassen, für seine politische Karriere dagegen neigt sich der Herbst. Den Abschluss der CSU-Landtagsfraktionsklausur im beschaulichen Bad Staffelstein mag er heute Mittag mit seinem typisch-süffisanten Lächeln beobachten – in seinem Innern aber sieht es anders aus. Da nagen die Zweifel, da brennt die Reue. Er hätte Ende 2017 auf keinen Fall ankündigen dürfen, als Ministerpräsident abzutreten, hat er kürzlich eingeräumt. Das sei ein schwerer Fehler gewesen. Denn so machte er sich selbst zur "lame duck", so stärkte er seinen Kontrahenten Markus Söder, so brachte er sich selbst in Bredouille, als er später dann doch weitermachen wollte. Vielleicht lässt sich sein Verhalten während des Asylstreits mit Merkel im vergangenen Sommer auch als Folge dieses Fehlers deuten, als einen Versuch, auf Biegen und Brechen doch noch mal die eigene Unverzichtbarkeit unter Beweis zu stellen. Küchenpsychologie, ich weiß, aber denkbar.

Unübersehbar ist jedenfalls, dass Seehofer seither mit sich selbst nur selten im Reinen zu sein scheint. Mürrisch und isoliert wirkte er jüngst öfter. Ist er in Berlin, verschanzt er sich gerne in seinem Ministerium, wo er wenigstens noch ein Amt hat. Ist er in Bayern, lobt er seine Heimat über den grünen Klee und spricht abschätzig über "die da in Berlin". Das ist mehr als bajuwarische Politfolklore, das kommt von tief drinnen. Sein Problem ist aber: In der Heimat wollen sie ihn nicht mehr als Chef haben. Wer gegenüber CSU-Leuten den Namen Seehofer erwähnt, erntet wahlweise Stöhnen oder Erleichterungsseufzer, dass der Alte bald weg vom Fenster ist.

Ein letztes Mal öffnet sich das ganz große CSU-Fenster für Seehofer am Samstag auf dem Sonderparteitag in München. Er sähe es wohl gern, würde er dort mit ausführlichen Ehrenbezeugungen vom Thron des Parteivorsitzenden verabschiedet – stattdessen werden wir eine Krönungsmesse für den neuen Regenten erleben: Markus Söder ist endlich am Ziel seines akribisch geplanten Karriereweges angekommen und will das Parteivolk mit einer Grundsatzrede beglücken. Und dann ist da auch noch die neue Nummer zwei der CSU: Manfred Weber, der gut vernetzte Europa-Spitzenkandidat. "Die CSU steht an einem Wendepunkt", zitiert ihn heute morgen der "Münchner Merkur". So was sagt man, wenn man dort steht, wohin die Wende führen soll. Komplettiert werden die beiden von Generalsekretär Markus Blume, einem weitsichtigen Politstrategen. Alle drei verkörpern sie die neue CSU, gegen die Seehofer fast wie ein Politfossil wirkt. Was nicht heißt, dass die Jungen ihre Sache besser machen werden. Wie sagt der Volksmund? "Demut, diese schöne Tugend, ehrt das Alter und die Jugend."

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Im Bundestag stehen heute gleich mehrere wichtige Themen auf der Agenda, darunter die Feierstunde zum 100. Jahrestag der ersten deutschen Wahl, an der auch Frauen teilnehmen durften. Das Parlament will zudem die Übergangsregeln für den Fall eines harten Brexits verabschieden, so errichtet Deutschland einen legislativen Schutzwall gegen das britische Chaos. Außerdem wollen die Abgeordneten darüber diskutieren, wie sich die Zahl der Organspenden erhöhen lässt. Denn davon gibt es in Deutschland immer noch viel zu wenige:

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Diese Handball-WM ist wirklich mitreißend. Sogar in unserem Newsroom steht ein Tor und liegen Bälle. Die deutsche Nationalmannschaft ist noch ungeschlagen und zeigte gegen Frankreich, dass sie sich auch vor Champions nicht verstecken muss. Vor dem letzten deutschen Gruppenspiel heute Abend nennt Ihnen mein Kollege Benjamin Zurmühl in seinem Videokommentar drei Gründe, warum es dieses Jahr tatsächlich mit dem Titel klappen kann.

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WAS LESEN?

Vor knapp einem Jahr gingen Marina Amarals Bilder um die Welt: Sie koloriert Schwarz-Weiß-Fotos von Auschwitz-Häftlingen, wodurch sie noch erschütternder wirken. "Das hat die Opfer für mich realer werden lassen. Sie sind jetzt keine Nummer mehr aus irgendeiner Statistik. Jetzt sind sie Menschen aus Fleisch und Blut wie du und ich", erklärte sie in einem Interview. Das Ergebnis sehen Sie an diesem Beispiel der 14-jährigen Czesława Kwok: Scheu blickt sie in die Linse des Fotografen, an ihrer aufgeplatzten Lippe klebt noch Blut, nachdem eine KZ-Wärterin ihr ins Gesicht geschlagen hat. Drei Monate später ist sie tot.

Die Originalfotos:

Die kolorierten Bilder:

Inzwischen hat Marina Amaral ihre Arbeit fortgesetzt und weitere Fotografien koloriert. Ich möchte sie Ihnen ausdrücklich zur Ansicht empfehlen. Sie werden Ihnen nicht mehr aus dem Kopf gehen.

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Wir neigen hierzulande dazu, Donald Trump als Spinner zu brandmarken. Aber das ist er nicht, er kalkuliert seine Überrumpelungsmanöver sehr genau, er hat ein feines Gespür für Stimmungen in der Bevölkerung und weiß sich diese zunutze zu machen. Er scheint tatsächlich Überzeugungen zu hegen (und wenn es nur die ist, dass niemand ihm das Wasser reichen kann) – und er pflegt eine seltsame Beziehung zu Russland. Für dessen Präsidenten Wladimir Putin gäbe es wohl kaum einen größeren Triumph als einen Zerfall der Nato. Genau der stand im vergangenen Jahr offenbar tatsächlich zur Debatte. Nicht nur als rhetorische Floskel, sondern sehr konkret. Mehrfach hat Trump gegenüber Beamten die Absicht geäußert, mit den USA das Verteidigungsbündnis zu verlassen – was dessen Aus gleichkäme und schwerwiegende Folgen für Deutschlands Sicherheit hätte. Geht es Trump dabei wirklich nur ums Geld oder ist er gar ein Geheimagent Putins? Darüber wird in Amerika nun ernsthaft diskutiert. Die "New York Times" weiß mehr.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Eine Eule ist eine Eule ist eine Eule. Sollte man meinen. Doch dann meint man falsch. Eine Eule kann viel mehr sein. Ein Triumphator. Eine Muse. Ein Liebchen. Ein Hypnotiseur. Meinen Sie nicht? Dann schauen Sie bitte mal hier hinein (und klicken Sie sich gern auch auf die zweite Seite durch). Wunderbar, die Tierwelt, oder?

Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Tag.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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