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Klimawandel in Neu-Delhi/Indien: Smog – das Gift kommt schleichend


Was heute wichtig ist
Das Gift kommt schleichend

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 06.11.2019Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Ohne Atemmaske ist der Smog in Neu-Delhi kaum mehr zu ertragen.Vergrößern des Bildes
Ohne Atemmaske ist der Smog in Neu-Delhi kaum mehr zu ertragen. (Quelle: Partha Sarkar/XinHua/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Die Schulen bleiben geschlossen, Flüge verspäten sich wegen schlechter Sicht, die Leute sollen möglichst zu Hause bleiben – und jeden Tag dürfen abwechselnd entweder nur Autos mit geraden oder ungeraden Zahlen auf dem Nummernschild umherfahren: Das sind noch die harmloseren Folgen. Die gravierenderen erleidet, wer trotzdem auf die Straße tritt: Husten, Augentränen, Atemnot. Niemand in der Mega-Metropole Neu-Delhi geht noch "eben mal raus, frische Luft schnappen". Frische Luft gibt es nicht mehr. Über der Stadt und der ganzen Region liegt eine dichte Wolke giftigen Smogs. Schlimmer als irgendwo sonst auf der Welt. Wie jedes Jahr. Man muss das sehen, um die Dramatik zu begreifen:

In Deutschland können wir uns glücklich schätzen: Der giftige Dunst in Indien ist weit weg. So weit, dass wir ihn aus der Distanz studieren und eine wichtige Lehre daraus ziehen können. Wenn wir uns in hiesigen Breiten mit der Klimakrise auseinandersetzen, hat es manchmal den Anschein, entschlossene Gegenmaßnahmen scheiterten an mangelnder Einsicht. Jetzt sehen wir: Das greift zu kurz. Anders als den Klimawandel, der sich schleichend und unsichtbar vollzieht und deshalb nicht unmittelbar erfahrbar ist, kann man die verpestete Luft in Indien bei jedem Atemzug in den Lungen brennen spüren. Niemand leugnet das, niemand redet es klein. Trotzdem passiert nichts. Sogar der oberste Gerichtshof Indiens befasst sich jetzt mit dem Versagen der Politik und wirft den Behörden vor, sie seien "nur an Spielerei interessiert" statt an effektiver Problemlösung.

Die Lektion, die wir uns mit Blick auf die Bekämpfung der Klimakrise nicht dick genug hinter die Ohren schreiben können, ist ganz einfach: Menschen scheitern an der Bewältigung solcher Herausforderungen nicht intellektuell. Weder mangelt es an Problembewusstsein noch am Wissen, woher der Dreck kommt. Wir scheitern organisatorisch. Schwerfällige Bürokratie, Zuständigkeits-Hickhack, Verantwortliche schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu – und kaum jemand denkt langfristig über die nächsten fünf, sechs Jahre hinaus.

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Das bedeutet für uns: Wir können nicht früh und entschlossen genug anfangen, uns der Klimakrise anzunehmen, denn unsere Maßnahmen werden länger benötigen und weniger effizient sein als alles, was wir planen. Der typisch menschliche Kleinmut wird uns in die Parade fahren, die vermeintlichen “Interessenabwägungen“, die falschen Prioritäten, die Ausflüchte und natürlich auch die Lobbyisten. Entscheidungsträger werden Absurdes behaupten und es vielleicht sogar selbst glauben – zum Beispiel, dass ein Schleuderpreis von 10 Euro pro Tonne Kohlendioxid zur Eindämmung der Krise doch irgendwie angemessen sei. Auch wenn die Wissenschaft unisono widerspricht. Oh, Moment, das ist ja schon passiert. Hat mir gerade erst jemand gesagt. Und es war nicht in Indien.


An Warnungen fehlt es jedenfalls nicht: In einem dramatischen Appell haben sich jetzt mehr als 11.000 Wissenschaftler aus 153 Ländern an die Entscheider in den Regierungen rund um den Globus gewandt: Sie sehen einen weltweiten Klimanotfall als realistisches Zukunftsszenario. Weil die Klimakrise sich schneller als erwartet entwickle, brauche es drastische Maßnahmen gegen den Ausstoß von Treibhausgasen – andernfalls drohe "unsägliches menschliches Leid". Warum tun Merkel, Trump, Xi, Modi, Putin und all die anderen trotzdem so wenig? Siehe oben.


WAS STEHT AN?

Es ist schon bemerkenswert, wie ein einziger Mann das Werk ganzer Kohorten von Diplomaten einreißen kann. Der Iran hat gestern angekündigt einen weiteren Schritt im Teilausstieg aus dem Wiener Atomabkommen zu vollziehen. Ab heute soll in der Atomanlage Fordo Urangas in mehr als tausend bisher inaktive Zentrifugen injizieren werden. So wächst die Gefahr einer iranischen Atombombe, die den ganzen Nahen Osten noch weiter destabilisieren würde.

Doch der Mann, der dafür verantwortlich ist, sitzt nicht in Teheran, sondern in Washington. Donald Trump hält den mühsam ausgehandelten Atomvertrag für Mist und hat ihn einseitig gekündigt. Er will einen “besseren Deal“. Mit Blick auf seine Persönlichkeitsstruktur dürfen wir vermuten: Er will einfach einen anderen Deal als sein Vorgänger Obama – Hauptsache, er selbst macht ihn und kann sich damit brüsten. Deshalb hat er dem Iran massive Wirtschaftssanktionen aufgebrummt, die allerdings weniger die Mullahs als eher die Bevölkerung zu treffen scheinen. Dem Regime bietet er so einen willkommen Vorwand, das Atomprogramm wieder anzuwerfen.

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Nun ist es das eine, die aggressive iranische Außenpolitik am Persischen Golf, in Syrien, im Jemen und im Libanon zu kritisieren und gegebenenfalls auch harte Antworten darauf zu finden. Das andere ist, was uns die wechselhafte Geschichte des Nahen Ostens gezeigt hat: Beständige Lösungen kamen fast nie durch Druck, Drohungen oder Gewalt zustande, sondern durch Verhandlungen, in denen die Interessen beider Seiten berücksichtigt wurden – und der Eifer, mit dem Kopf durch die Wand zu stoßen, der versöhnend ausgestreckten Hand wich. So geschehen im Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten, zwischen Israel und Jordanien – und im Atomabkommen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft, wobei deutsche Diplomaten eine bedeutende Rolle spielten. Das war Politik mit Köpfchen. Der Herr in Washington bevorzugt leider Politik mit Kopfstoß.


Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung übergibt heute sein Jahresgutachten an Kanzlerin Merkel und ihre Minister. Ein Ergebnis des Reports ahne ich bereits: Die Bundesregierung sollte schleunigst mehr in die öffentliche Infrastruktur investieren.


Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt hat ebenfalls ein Gutachten geschrieben, und es ist nicht weniger wichtig: In einer Langzeitstudie beleuchtet der Report die Kinder- und Jugendarmut in Deutschland. Dass wir uns in einem so reichen Land wie Deutschland mit diesem Thema befassen müssen, ist eine Schande.


In Erfurt konstituiert sich die Thüringer CDU-Landtagsfraktion und wählt voraussichtlich wieder Mike Mohring zum Fraktionsvorsitzenden. Zur Erinnerung: Das ist der Mann, der fast zwölf Prozent Stimmenverluste einfuhr, dann Sondierungsgespräche mit der Linkspartei anregte, damit bei seinen eigenen Leuten auf Empörung stieß, von der Parteispitze zurückgepfiffen wurde, dann von 17 CDU-Leuten ein Papier hingelegt bekam, die mit der Landes-AfD des rechtsextremen Björn Höcke plaudern wollen, und nun um seine Autorität kämpfen muss. Ob das was wird mit der Wiederwahl?


In Berlin spricht Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema “Transatlantisch bleiben“. Eine gute Gelegenheit für eine außenpolitische Grundsatzrede. Vielleicht hören wir ja heute AKKs Befreiungsschlag.

Unterdessen treibt die CDU-Chefin die digitale Weiterbildung ihrer Partei voran. Mittels eines Lernkonzepts namens "Milla" sollen die Mitglieder geschult und digital satisfaktionsfähig werden – auch für den Fall, dass der nächste Rezo kommt. Mein Kollege Jan Mölleken hat sich das Konzept in der CDU-Zentrale erklären lassen.


In Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe geht die weltweit erste Forschungsanlage in Betrieb, die aus Luft und Strom flüssigen, CO2-neutralen Kraftstoff herstellen kann. “Power-to-X“ heißt sie. Klingt spannend.


In Tübingen wollen Forscher spektakuläre Fossilienfunde zur Vorgeschichte des Menschen präsentieren. Paläontologen haben sie in Süddeutschland entdeckt, angeblich sollen sie ein neues Licht auf die Vorgeschichte unserer Spezies werfen.


ZITAT DES TAGES

“Ich stehe jetzt noch klarer hinter Trump als zuvor."

Wie kann man so etwas sagen – angesichts der Lügen, Gemeinheiten und Fehlentscheidungen, die dieser Präsident seit seiner Wahl der Welt zugemutet hat? Unser Amerika-Korrespondent Fabian Reinbold kann die Frage beantworten: Er hat in Kentucky eine ganz besondere Veranstaltung besucht.


WAS LESEN?

Das Ehepaar Timleck (rechts) konnte im Jahr 1936 stolz auf die riesige Schar an Nachwuchs sein. Allerdings war der Kindersegen nicht ganz freiwillig. Denn seit 1926 ereignete sich im kanadischen Toronto das sogenannte "Große Storchen-Derby": ein Wettbewerb, der mit sehr viel Geld und dem Testament eines schrulligen Juristen zu tun hatte. Was sich genau dahinter verbirgt, lesen Sie in unserer Rubrik "Historisches Bild".


Außenminister Heiko Maas gilt als Mann der leisen Töne. Er poltert nicht. Er macht keine großen Ansagen. Manchmal fragt man sich, was er überhaupt macht. Er selbst betont stets, er suche das Gespräch – gerade wenn die Dinge schwierig seien. Das sind sie beispielsweise zwischen Deutschland und Ungarn, wohin Maas nun zum ersten Mal in seiner Amtszeit gereist ist. Das Land zählt zu den wichtigsten deutschen Wirtschaftspartnern, doch politisch ist das Verhältnis unterkühlt. Flüchtlingsstreit, Pressefreiheit, Rechtsstaat: Es gäbe eigentlich jede Menge zu besprechen bei so einem Besuch. Was hat Maas draus gemacht? Meine Kollegin Madeleine Janssen war in Budapest dabei.


England, Spanien, Italien: Die gegenwärtigen Traumziele für Fußballer und Trainer beschränken sich auf Europa. Hier spielen die großen Stars, hier wartet der große Erfolg, hier ist das große Geld. Thorsten Fink ist einen anderen Weg gegangen: Der frühere Spieler des FC Bayern trainiert seit Juni den japanischen Erstligisten Vissel Kobe. In der Hafenstadt betreut er eine ambitionierte Mannschaft, in der mit Ex-Nationalspieler Lukas Podolski und den Spaniern Andres Iniesta und David Villa gleich drei Weltmeister stehen. Im Interview mit meinem Kollegen David Digili verrät der 52-Jährige, was ihn im Alltag in Japan überrascht hat, welches große Ziel "Poldi" noch hat – und was seine Aufgabe besonders schwierig macht.


WAS AMÜSIERT MICH?

Oh, der deutsche Glücksatlas ist veröffentlicht worden! Endlich wissen, wir, in welchen Bundesländern die Menschen besonders froh sind:

Ich wünsche Ihnen einen glücklichen Tag (auch Ihnen im hohen Norden). Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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