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TV-Duell zur US-Wahl: Donald Trump vs. Joe Biden – Kampf um die Fleischtöpfe


Was heute wichtig ist
Kampf um die Fleischtöpfe

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 30.09.2020Lesedauer: 7 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Persönliche Angriffe haben das TV-Duell zwischen Trump und Biden bestimmt.Vergrößern des Bildes
Persönliche Angriffe haben das TV-Duell zwischen Trump und Biden bestimmt. (Quelle: Brian Snyder/Reuters-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Amerikanische Wahlkämpfe sind genau das: Kämpfe. Es geht nicht nur um Macht, sondern auch um Geld, Religion, Ideologie, Waffen, Behauptungen und Lügen, um tiefe gesellschaftliche Konflikte und Ideen zu ihrer Überwindung, vor allem aber um die Frage, welches der beiden politischen Lager in den folgenden vier Jahren an die Fleischtöpfe kommt – also Steuergesetze erlassen, Gefolgsleute versorgen und ganze Wirtschaftsbranchen bevorzugen oder andere benachteiligen kann. In amerikanischen Wahlkämpfen ums Weiße Haus und um den Kongress geht es um alles, und in diesem Jahr wird die Schlacht zwischen Republikanern und Demokraten so erbittert ausgetragen wie seit Jahrzehnten nicht.

Dank einer jahrelangen "Rollback-Strategie", mit der sie immer mehr Posten in den Bundesstaaten ergattern und die Wahlkreise zu ihrem Vorteil zuschneiden konnten, dank der Schwäche ihrer Gegner und mithilfe eines Präsidenten, der Skrupellosigkeit zum Markenzeichen erhob, aber auch viele unzufriedene Bürger hinter sich scharte, haben die Republikaner vor vier Jahren die Macht errungen. Jetzt wollen sie sie auf keinen Fall wieder abgeben. In vielen anderen demokratischen Ländern hätte die Zivilgesellschaft einen Regierungschef wie Donald Trump kaum solange erduldet. Seine Lügen, seine Hetze und seine Betrügereien hätten genügt, um ihn des Amtes zu entheben.

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Nicht so in Amerika. In Nibelungentreue stehen die Republikaner zu ihrem Präsidenten. Es geht ihnen nicht um ihn, es geht ihnen um die Fleischtöpfe. Herr Trump wusste, was von ihm erwartet wurde – und er lieferte: Er winkte eine Steuerreform zugunsten der Reichen durch, blockierte trotz all der Massaker scharfe Waffengesetze, weichte die Umweltregeln auf, um das Öl-Fracking und die Kohleförderung voranzutreiben, und versuchte die Gesundheitsreform seines Vorgängers zurückzudrehen, die den Versicherungskonzernen gar nicht gefiel. Wir in Deutschland nehmen Herrn Trump oft nur als twitterndes Irrlicht wahr, als Springteufel, der die internationale Gemeinschaft, die Gesetze des Anstands oder des guten Geschmacks jeden Tag durch eine neue Absurdität erschüttert. Aber er ist viel mehr als das. Donald Trump mag wahlweise an einen Clown, Mafiapaten oder Elefanten im Porzellanladen erinnern, aber er ist auch ein Instrument der Republikaner-Agenda. Sehr reiche und sehr einflussreiche Leute halten große Stücke auf diesen Präsidenten, weil er ihren Reichtum und ihren Einfluss sichert. Der Immobilienmogul Sheldon Adelson, der Hedgefonds-Manager Carl Icahn und der Ölindustrielle Kelcy Warren sind nur drei von ihnen.

In diesem Punkt sieht es auf der anderen Seite allerdings nicht anders aus. Auch Joe Biden ist weich auf den Dollarnoten seiner Spender gebettet, ohne die er einpacken könnte. Wer in einem Swing State wie Pennsylvania, Wisconsin oder Florida lebt, der kann sich seit Wochen vor Wahlwerbung kaum retten: In den Fernsehkanälen laufen die Spots hoch und runter, in den sozialen Netzwerken prangen die Slogans hinter jedem Klick, an die Haustüren klopfen auch in Corona-Zeiten eifrige Unterstützer. Hinzu kommen die vielen kleinen Gefälligkeiten, Wahlgeschenke und Posten, die helfen sollen, das eigene Lager an die Urne zu treiben. All das erfordert viel Geld. Mehr als eine Milliarde Dollar wird der Wahlkampf in diesem Jahr wohl kosten.

Und dann sind da noch die TV-Duelle, drei an der Zahl. Die Fernsehsender preisen sie als "ungefilterte Tests", in denen die beiden Kandidaten ihre Pläne, ihre charakterliche Eignung und ihre Schlagfertigkeit unter Beweis stellen sollen. Fast drei Viertel aller registrierten US-Wähler wollten beim ersten Duell in der vergangenen Nacht an der Universität in Cleveland, Ohio, einschalten – doch nur drei Prozent sagten, dass die Debatte ihre Entscheidung sehr wahrscheinlich beeinflussen werde.

Die TV-Duelle sind also vor allem auch das: eine große Show zur besten amerikanischen Sendezeit. Ein nationales Lagerfeuer, an dem die Nation ihre wunde demokratische Seele wärmen kann. Das ist nicht wenig in einer Zeit, in der man ins Zweifeln kommt, ob die amerikanische Demokratie überhaupt noch auf festem Fundament steht. Entsprechend generalstabsmäßig hatten sich die beiden Kandidaten vorbereitet. Der Demokrat Joe Biden veröffentlichte kurz vor der Aufzeichnung noch rasch seine Steuererklärung, damit das ganze Land sehen kann: Er und seine Ehefrau haben im vergangenen Jahr rund 346.000 Dollar an den Staat abgeführt – während Donald Trump einer Recherche der "New York Times" zufolge in zwei Jahren allenfalls ein paar hundert Dollar berappte. Aus unserer Sicht mögen die Steuertricks des US-Präsidenten keine Überraschung sein – für Amerikaner am unteren Ende der Einkommensskala könnten sie bei der Wahlentscheidung eine Rolle spielen. Erst recht, wenn sie den Kontrast zu Trumps Selbstvermarktung als Anwalt der kleinen Leute verdeutlichen. Kein Wunder also, dass dies auch in der ersten TV-Debatte eine Rolle spielte.

Wer hat das Duell in der vergangenen Nacht gewonnen – Trump oder Biden? Wer konnte mit welchen Themen punkten, wer leistete sich einen Schnitzer? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold und unser Reporter Johannes Bebermeier haben die Debatte verfolgt und eine Blitzanalyse für Sie geschrieben. Das Team unseres Videochefs Martin Trotz liefert Ihnen dazu die besten Ausschnitte. Hier erfahren Sie, wer nach dieser Nacht im Kampf um Amerikas Fleischtöpfe vorne liegt.


WAS STEHT AN?

Beim Sport kann man viel lernen, beim Ringkampf zum Beispiel gibt es den Schultersieg: Es genügt nicht, dass der Gegner irgendwie kurz mal auf der Matte liegt, er muss "auf beiden Schultern festgehalten" werden, bis "ein sichtbarer Stillstand eingetreten ist". Für eine praktische Anschauung dieser Regel begeben wir uns nach Hongkong. Dort muss sich heute Joshua Wong vor Gericht verantworten. Der ist erst 23 Jahre alt, aber in den Augen vieler Menschen schon ein Held. In den Augen der städtischen Marionettenregierung und ihrer Pekinger Dirigenten ist er dagegen ein gefährlicher Aufwiegler. Schon als Teenager unterstützte er die Demokratiebewegung, die sich gegen die schleichende Aushöhlung der Bürgerrechte stemmt. Zuletzt führte er die Demosisto-Partei an, die der Bewegung eine politische Plattform geben sollte, und galt als prominenteste Stimme des Protests. Aber der Kampf ist entschieden und die Bewegung am Boden.

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Die Demosisto-Partei gibt es nicht mehr. Ihre führenden Köpfe sind entweder außer Landes geflohen oder werden vor den Kadi gezerrt. Vorher hat die Partei noch schnell ihre Auflösung beschlossen, um Pekings Handlangern für die juristischen Attacken keine Steilvorlage zu liefern. Denn Präsident Xi Jinping in Peking hat am 30. Juni ein Sicherheitsgesetz für Hongkong befohlen – erst danach durfte Hongkongs Bevölkerung überhaupt erfahren, was es im Detail enthielt. Es hat die schlimmsten Befürchtungen übertroffen: Schwammige Formulierungen erlauben es den Behörden, jede Form des Protests niederzuschlagen. In einer ironischen Geste hielten Demonstranten später weiße Blätter in die Höhe, da niemand mehr wissen konnte, was eigentlich noch ein erlaubter Slogan ist. Wie recht sie damit hatten, erfuhr die Welt, als die ersten von ihnen verhaftet wurden. Ja, wegen weißer Zettel. "Unzulässiger Protest" lautete die Begründung.

Am Tag, als das ominöse Sicherheitsgesetz in Kraft trat, fand die Demokratie in Hongkong ihr Ende. Wer aufmuckt, kann nun zum Prozess nach China verfrachtet werden – und dort ist der Prozess vor allem kurz. Peking hat das Ringen um die Kontrolle Hongkongs für sich entschieden und die Regeln des Schultersiegs verinnerlicht: Es genügt nicht, dass der Gegner am Boden liegt. Er muss nun festgehalten werden, bis der Stillstand eingetreten ist. Deshalb steht der prominenteste Vertreter der Demokratiebewegung heute vor Gericht. Aber die tapferen Aktivisten winden sich noch. Und brauchen dringend Hilfe.


Die EU-Kommission stellt heute ihre Rechtsstaatberichte zu den 27 EU-Staaten vor: Erstmals hat sie systematisch den Zustand von Medienfreiheit, Demokratie und Korruptionsbekämpfung untersucht. Für Ungarn könnte es eine Ohrfeige werden.

In München beginnt der Prozess gegen Ex-Audi-Chef Rupert Stadler und drei Ingenieure. Sie sollen die betrügerischen Abschaltvorrichtungen bei Dieselmotoren ausgetüftelt haben.

Der Bundestag diskutiert in der Generaldebatte über den Bundeshaushalt für 2021, Angela Merkel muss ihre Corona-Schuldenpolitik verteidigen.

In Stuttgart wird mit einem Schweigemarsch der Opfer des Gewaltausbruchs am "Schwarzen Donnerstag" heute vor zehn Jahren gedacht. Bei dem Polizeieinsatz rund um das Bahnprojekt Stuttgart 21 wurden mehr als 100 Menschen verletzt.


WAS LESEN?

Wie schon im Frühjahr nimmt die Corona-Lage auch jetzt wieder atemlose Züge an. Alle paar Minuten poppt eine neue Eilmeldung auf dem Smartphone auf. Nicht alles davon muss man wissen, manches schon. Meine Kollegen Philip Friedrichs und Adrian Röger zeigen Ihnen, in welchen Landkreisen die Situation kritisch wird. Unsere Gesundheitsexperten Sandra Simonsen und Manfred Schäfer erklären Ihnen, wie Experten die neuen Corona-Regeln von Bund und Ländern bewerten. Und unser Reporter Tim Kummert war eine Woche lang in Sachsen-Anhalt unterwegs: Fast nirgendwo sind die Corona-Regeln so locker – trotzdem wächst dort die Wut vieler Menschen.


Angela Merkel ist früher oft vorgeworfen worden, sie erkläre ihre Politik zu wenig. In Corona-Zeiten ist das anders, wie sie gestern bewies.


Am kommenden Samstag jährt sich die deutsche Wiedervereinigung zum 30. Mal, und noch immer gibt es Kritik an der Einheit: Zu teuer, zu ungerecht, meckernde Ossis, arrogante Wessis – stimmt das? "Die Einheit war erfolgreicher, als manche wahrhaben wollen", sagt der Politikexperte Klaus Schroeder im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke.


Sylvester Groth packte im Juli 1985 in Dresden einen Koffer und floh Richtung Salzburg, in die DDR kehrte er vor der Wiedervereinigung nie mehr zurück. Fortan wurde der Schauspieler von der Stasi bespitzelt – und erfuhr erst vor knapp vier Jahren unfreiwillig davon. Wie es dazu kam, hat er meinem Kollegen Steven Sowa erzählt.


WAS AMÜSIERT MICH?

Der ist richtig musikalisch, der Donald!

Morgen schreibt mein Kollege Daniel Fersch den Tagesanbruch, von mir lesen Sie am Freitag wieder. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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