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Corona: So wird die Krise zu einem Generationen-Konflikt in Deutschland


Was heute wichtig ist
Russland auf der Anklagebank

MeinungVon Luis Reiß

Aktualisiert am 07.10.2020Lesedauer: 6 Min.
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Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Militärübung im September: Seine Regierung soll einen Auftragsmord in Berlin angeordnet haben.Vergrößern des Bildes
Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Militärübung im September: Seine Regierung soll einen Auftragsmord in Berlin angeordnet haben. (Quelle: ITAR-TASS/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

heute vertrete ich an dieser Stelle Florian Harms und liefere Ihnen den kommentierten Überblick über die Themen des Tages. Es geht um die Corona-Lage in deutschen Großstädten und einen Mordprozess in Berlin, der enorme politische Konsequenzen haben könnte.

WAS WAR?

Die Maßnahmen in der Corona-Krise werden wieder strikter – nun haben Frankfurt am Main und Berlin ihre Regeln erneut verschärft. Die beiden Großstädte stehen nah an der vereinbarten Obergrenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Tendenz deutlich steigend. Beide setzen auf eine Sperrstunde mit Alkoholverbot und nächtliche Kontaktbeschränkungen.

Dass die neuen Einschränkungen vor allem das Nachtleben betreffen, zeigt, wer nach Ansicht der Experten verantwortlich für den jüngsten Corona-Anstieg ist. Junge Menschen, die die Einschränkungen der Pandemie satt haben und sich über die geltenden Regeln hinwegsetzen. Oder wie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller meinte: "Das feierwütige Volk". Sie leiden in der Pandemie besonders unter dem Stadtleben – viele haben wenig Wohnraum und keinen eigenen Garten. Einen schweren Krankheitsverlauf nach einer Corona-Infektion haben sie seltener zu befürchten. Mit dieser vermeintlichen Gewissheit stürzen sie sich ins alternative Nachtleben abseits der Discos, feiern zu Hunderten zum Beispiel in Parks oder im privaten Rahmen.

So wird die Corona-Krise zum Generationen-Konflikt. Die kommenden Wochen werden vor allem in den Städten ein Test für das kollektive Verantwortungsbewusstsein der Jüngeren. Sich selbst für das Gemeinwohl wieder stärker einzuschränken – das ist die Aufgabe. Für jeden. Ab sofort. Dass wir das können, haben der März und April eindrucksvoll gezeigt.

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Die Botschaft der Bürgermeister und Experten gestern war jedenfalls eindeutig: Nur wenn das gelingt, können weitere Schritte in Richtung Lockdown in den Städten verhindert werden. Frankfurt und Berlin mögen derzeit besonders hohe Zahlen haben, doch Köln, Duisburg, Essen, Bremen und Mannheim sind nicht weit davon entfernt.

Verständlich, wenn all der Frust der vergangenen Monate mal raus muss. Doch wir müssen nur nach Madrid oder Paris schauen. Dann sehen wir, wie einige wenige Superspreading-Events in Städten schnell zu einem nicht mehr kontrollierbaren Flächenbrand werden können.

Vor diesem Hintergrund sind die Verschärfungen in Berlin und Frankfurt weiterhin eher milde Maßnahmen. Wir müssen dafür sorgen, dass das reicht.


WAS STEHT AN?

Es ist der 23. August 2019: Ein Georgier, der seit 2016 als Asylbewerber in Deutschland lebt, schlendert durch den Kleinen Tiergarten, einen Park in Berlin. Auf einem Mountainbike nähert sich ein zweiter Mann. Er zieht eine Pistole des Typs Glock 26 mit Schalldämpfer und schießt seinem Opfer zunächst in die Seite, dann zwei Mal in den Kopf – und flieht. Weil Zeugen den mutmaßlichen Täter beobachten, wie er eine Perücke und die Tatwaffe in der Spree versenkt, kann ihn die Polizei wenig später festnehmen.

Es ist ein kaltblütiger Mord gewesen, daran gibt es keine Zweifel. Doch wenn ab diesem Mittwoch um 9 Uhr dem mutmaßlichen Schützen der Prozess gemacht wird, geht es nicht nur um die schreckliche Tat und eine möglicherweise lebenslange Freiheitsstrafe. Es geht auch um die Beziehungen Deutschlands zu Russland – oder was davon nach den Skandalen der letzten Jahre noch übrig ist.

Bei dem Angeklagten handelt es sich nämlich um den 55 Jahre alten Russen Vadim K. Er soll unter falschem Namen und als Tourist getarnt über Paris und Warschau eingereist sein. Seine Tätowierungen sollen darauf hinweisen, dass er früher bei einer Spezialeinheit des russischen Militärs gedient hat. 2013 soll er in Russland einen Mord mit ähnlicher Vorgehensweise verübt haben. Die Fahndung wurde kurze Zeit später aus ungeklärten Gründen eingestellt.

Das Opfer war von russischen Behörden als Terrorist eingestuft worden. Er hatte im zweiten Tschetschenienkrieg von 2000 bis 2004 als Anführer einer Miliz gegen Russland gekämpft.

Auch wenn Vadim K. schweigt und mögliche Komplizen vermutet werden – die Generalbundesanwaltschaft hält die Tat für einen Auftragsmord der russischen Regierung. Der Machtapparat von Staatschef Putin sitzt bei der Verhandlung imaginär mit auf der Anklagebank.

Die Kanzlerin hat bereits deutlich gemacht: Sollte das Gericht ebenfalls zu dieser Einschätzung gelangen, wird es Konsequenzen geben. Wie sollte es auch anders sein? Ein Auftragsmord, ausgeführt im Herzen der deutschen Hauptstadt, muss eine harte politische Reaktion zur Folge haben. Auch, weil die Liste russischer Vergehen immer länger wird. Zur Erinnerung: 2015 griffen russische Hacker den Bundestag an. Die Vergiftung von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny war mitnichten ein Einzelfall. Immer wieder werden Putins Gegner Opfer von mysteriösen Unfällen oder brutalen Gewaltverbrechen, im In- und im Ausland. Statt aufzuklären reagiert Russland mit Lügen.

Wut ist vermutlich das erste, was Ihnen angesichts dieses Verhaltens in den Sinn kommt. Mir zumindest geht es so. Gepaart mit einem Gefühl der großen Machtlosigkeit. Ja, es könnte neue Sanktionen geben, die Russland und die Hintermänner der Tat empfindlich treffen. Möglicherweise werden weitere Diplomaten ausgewiesen. Aber lässt sich Putins Machtclique davon wirklich beeindrucken? Mein Kollege Jonas Mueller-Töwe hat diese Frage einem der führenden Experten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gestellt, Stefan Meister. Er stellt fest: "Russland ist kein Partner mehr" – und schlägt eine neue Strategie vor.

Der Prozess um den Tiergarten-Mord könnte ein entscheidender Wendepunkt im Umgang mit Russland sein. Jonas Mueller-Töwe, der sich in den vergangenen Monaten intensiv mit dem Fall beschäftigt hat, wird für Sie heute aus dem Kriminalgericht in Berlin-Moabit berichten. Dorthin wurde die Verhandlung wegen der immensen Sicherheitsvorkehrungen verlegt.


Möglicherweise geht es auch um Russland, wenn Außenminister Heiko Maas heute dem Bundestag Rede und Antwort steht. Im Fokus stehen auf jeden Fall die Krisen in Bergkarabach, Libyen und dem östlichen Mittelmeer.


Die Meldung hat für große Schlagzeilen gesorgt: Die Grünen wollen den Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen vorerst stoppen und alle Projekte im Hinblick auf den Umweltschutz überprüfen. Heute diskutiert der Bundestag darüber.

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Morgen schreibt an dieser Stelle mein Kollege Daniel Fersch für Sie. Ich wünsche Ihnen einen tollen Start in den Tag.

Ihr

Luis Reiß
Chef vom Dienst t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @reiss_luis

Mit Material von dpa.

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