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Corona-Mutationen in Deutschland: "Die Vorboten der dritten Welle"


Vorboten der dritten Corona-Welle

Von Florian Harms

Aktualisiert am 22.02.2021Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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Italienische Carabinieri kontrollieren Autos nahe Mailand. Mehrere Städte in der Lombardei zählen wegen der hoch ansteckenden britischen Corona-Mutation zur "roten Zone" mit strengem Ausgangsverbot.Vergrößern des Bildes
Italienische Carabinieri kontrollieren Autos nahe Mailand. Mehrere Städte in der Lombardei zählen wegen der hoch ansteckenden britischen Corona-Mutation zur "roten Zone" mit strengem Ausgangsverbot. (Quelle: dpa-bilder)

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WAS WAR?

Schein und Sein passen in diesen Tagen nicht zusammen. Der Sonnenschein beschert uns einen frühen Frühling, ein willkommenes Aufatmen nach wochenlanger Bibberkälte, Schnee und Eis. Bis zu 20 Grad Mitte Februar: Da geht das Herz auf, da frohlockt das Gemüt, allenfalls leicht irritiert von den seltsamen Wetterkapriolen. Liegestuhl auf Terrasse oder Balkon, Spaziergang durch Park oder Wald: Der Schein ist schön.

Das Sein holt uns ein, wenn wir Radio, Fernseher oder Internet einschalten: Dann hören wir von plötzlich wieder steigenden Corona-Zahlen, von Warnungen der Virologen und von der Ahnung, dass die elenden Mutanten drauf und dran sind, uns in die dritte Welle der Pandemie zu stürzen. An den neuen Virusvarianten steckt man sich ja viel schneller an, oft genügt schon ein kurzer Kontakt mit einem Infizierten. In mehreren EU-Regionen gelten prompt wieder harte Ausgangsverbote, Polizisten riegeln rote Zonen ab. In Italien, Großbritannien, Dänemark, Irland, Portugal und Tschechien sehen wir, was uns in zwei, drei Wochen ebenfalls erwarten könnte. In Flensburg ist es schon so weit.

Trotz Sonnenschein vorsichtig sein: So könnten wir wohl halbwegs unbeschadet durch den Vorfrühling steuern, bis genügend Menschen ihren Impfschutz haben. Anders als noch im Januar und Februar werden die Dosen ab März wohl in großen Mengen verfügbar sein – so viele, dass die akribische Impfverordnung des Gesundheitsministers mit den "Impfgruppen", "Impfberechtigten" und "Impfzentren", womöglich gar nicht hinterherkommt. Früher oder später könnte es heißen: Und jetzt alle! Dann bekommt jeder, der die Spritze haben will, seinen Piks unkompliziert beim Hausarzt. Ohne deutschen Perfektionismus.

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Aber was ist bis dahin? Bleiben wir solange diszipliniert, umsichtig, verantwortungsvoll? Es scheint nicht so. Seit Tagen trommeln die Lockdown-Kritiker für ein Ende der Beschränkungen, wollen morgen dies und übermorgen jenes öffnen. Am heutigen Montag beginnen die meisten Bundesländer damit, ihre Schulen wieder aufzumachen – nicht auf Basis eines einheitlichen Konzepts, sondern je nach Belieben (die Regeln in Ihrem Bundesland erfahren Sie hier). Man redet dabei viel über "Vorsichtsmaßnahmen"Maskenpflicht, Wechselbetrieb, Schnelltests –, aber bei genauerem Hinsehen entpuppen sich all die Wortmeldungen von Politikern und Lobbyisten eher als Beschwörungen denn als Pläne. Maskenpflicht? In Berlin dürfen Schüler statt der medizinischen Maske einfache Stoffmasken tragen. Wechselbetrieb? Schon seit Wochen sind Schulklassen vielerorts gut gefüllt, eine Ausnahme für die "Notbetreuung" bekommt schon, wer die Rasselbande daheim nicht mehr aushält. Schnelltests? Hat Herr Spahn großspurig angekündigt – doch noch ist ungeklärt, wer sie wie und wo einsetzen soll. Währenddessen kommen die Mutanten näher und näher. In Rheinland-Pfalz haben mehrere Kommunen die Schulöffnung wegen rapide steigender Infektionszahlen in letzter Sekunde gekippt, berichtet mein Kollege Lars Wienand.

Es regiert mal wieder das Prinzip Hoffnung: Wird schon irgendwie gut gehen. Genau wie im vergangenen Herbst. Als Optimist kann man das in Ordnung finden. Als Pessimist beängstigend. Als Realist zumindest riskant. Und was finden die Fachleute? Die bundesweiten Schulöffnungen ohne Impfungen und klares Konzept seien "ein Desaster auf ganzer Linie", sagt der Kinderintensivmediziner Florian Hoffmann im Interview mit meiner Kollegin Sonja Eichert. Für die Bildung und Betreuung der Kinder seien die Öffnungen natürlich wichtig. "Aus infektiologischer Sicht habe ich aber Bauchschmerzen, weil wir überhaupt nicht wissen, wie sich das Infektionsgeschehen dadurch verändern wird. Auch weil die Verteilung der Varianten, vor allem der Variante B.1.1.7. aus Großbritannien, in Deutschland noch nicht klar ist." Auch immer mehr Kommentatoren warnen vor der dritten Welle. "Die Mutante verändert alles", schreibt die "FAZ". "Ein Albtraum löst den anderen ab."

Verspielen wir die Erfolge des zweiten Lockdowns, indem wir ihn nun zu früh lockern, statt noch ein paar Wochen Geduld aufzubringen? Wer Medizinern wie Herrn Hoffmann zuhört, dem drängt sich dieser Eindruck auf. Wirtschaftsvertreter und Wahlkämpfer wie Armin Laschet (CDU), Malu Dreyer (SPD) und Susanne Eisenmann (CDU) rufen ihre Lockerungsappelle in jedes Mikrofon. Hätten Sie ein überzeugendes Konzept für Öffnungen, ohne die Bürger durch steigende Infektionen zu gefährden, könnte das ja ein überzeugender Weg sein. Leider ist ihr Plan mehr Schein als Sein.


WAS STEHT AN?

Die Krise der katholischen Kirche nimmt existenzbedrohende Ausmaße an. Missbrauch, Vertuschung, Bevormundung, Eitelkeit, Habgier, Arroganz: Die scheinheiligen Würdenträger machen sich so vieler Sünden schuldig, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. In Köln treten Gläubige scharenweise aus der Kirche aus, weil sie jedes Verständnis für die selbstherrlichen Vertuschungstricks des Kardinals Rainer Maria Woelki im Missbrauchsskandal verloren haben – und niemand die Reißleine zieht. Eine Institution, deren Chefs ihre eigenen Werte derart systematisch verletzten, verliert ihre Glaubwürdigkeit. Das dämmert nun allmählich auch den Bischöfen, die sich ab morgen zu ihrer digitalen Frühjahrsvollversammlung treffen – und mancher bekommt es mit der Angst zu tun: Wenn erst einmal der erste Bischof zurückgetreten ist, könne das "einen Erdrutsch zur Folge haben", ist zu hören. Dabei wäre ein Erdrutsch vermutlich das Beste, was den Katholiken passieren könnte. Ein Neuanfang mit unbelastetem Führungspersonal und einschneidende Reformen dürften der einzige Weg sein, um diesen Laden noch zu retten.


In Myanmar gehen die Massendemonstrationen gegen den Militärputsch weiter. Nun gibt es auch Proteste in Deutschland: Am Nachmittag ist in Frankfurt eine Kundgebung vor dem Generalkonsulat der Volksrepublik China geplant. Peking unterstützt die Generäle.


Der britische Premierminister Boris Johnson will heute einen Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown vorstellen: Die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sollen "vorsichtig, aber irreversibel" aufgehoben werden. Ob er da den Mund nicht mal wieder zu voll nimmt?

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Ein Auktionshaus im schottischen Perth versteigert fast 2.000 Flaschen aus einer seltenen Whisky-Sammlung. Darunter ist "The Macallan 1926 Fine and Rare", der mit anderthalb Millionen Pfund bislang teuerste Whisky der Welt. Vermutlich wird er seinen Weltrekord heute abermals brechen. Genossen wird er aber wohl nie. Schade.


WAS LESEN?

Seit 1.700 Jahren ist jüdisches Leben auf deutschem Boden dokumentiert. Bei der Eröffnung des Jubiläumsjahrs in der Kölner Synagoge hat Bundespräsident Steinmeier klare Forderungen an die gesamte Gesellschaft erhoben. Die Kollegen der "Deutschen Welle" fassen sie zusammen.


Der Physikprofessor Roland Wiesendanger macht Schlagzeilen mit der These, das Coronavirus sei durch einen Laborunfall in Wuhan in die Welt gekommen. Ernst zu nehmen oder unsinnig? Unser Rechercheur Lars Wienand ist der Frage nachgegangen.


Weltweit haben bereits mehr als 31 Millionen Menschen vollen Impfschutz gegen Covid-19. Klingt viel, ist aber noch nicht einmal ein halbes Prozent der Weltbevölkerung. Meine Kollegen Sandra Sperling und Axel Krüger zeigen Ihnen, wann Corona besiegt sein könnte.


Pocken, Cholera, Tuberkulose: Die Liste der Menschheitsplagen ist lang. Im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke erklärt der Mediziner und Historiker Ronald D. Gerste, wie die Geißeln besiegt werden konnten – und was das für die Corona-Krise bedeutet.


WAS AMÜSIERT MICH?

In eine heikle Lage sind wir da geraten…

Bleiben Sie bitte trotzdem gut gelaunt. Ich wünsche Ihnen einen sonnigen Wochenstart.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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