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Ukraine: So kann der Waffenstillstand mit Russland erzwungen werden


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Tagesanbruch
Gegen Putin hilft nur noch eines

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 11.10.2024Lesedauer: 6 Min.
US-Soldaten transportieren schweres Gerät während eines Nato-Manövers in Polen (Archivbild).Vergrößern des Bildes
US-Soldaten transportieren schweres Gerät während eines Nato-Manövers in Polen (Archivbild). (Quelle: IMAGO/Dominika Zarzycka)
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Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj muss umdisponieren. Auf internationaler Bühne hatte er Großes vor – doch das Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe, bei dem er mit US-Präsident Joe Biden und weiteren Regierungschefs, Verteidigungsministern und Lametta-Trägern zusammenkommen wollte, ist kurzfristig ins Wasser gefallen. Es hätte der Moment sein sollen, in dem Selenskyj der Welt seinen "Siegesplan" enthüllt. Aber der alte Herr aus Amerika, die Nummer eins in dieser Runde, hat kurzfristig leider keine Zeit.

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Denn der US-Bundesstaat Florida hat mit dem Hurrikan "Milton" zu kämpfen. Das Weiße Haus auch. Übertönt wird der Sturm nur noch von der Trompete des Wahlkampf-Herausforderers Donald Trump. Der hätte Bidens Abwesenheit im Ausland garantiert als Steilvorlage für seine schrillen Fanfaren genutzt: der VERRÄTER BIDEN! Zeige SEIN WAHRES GESICHT!! Und stelle DIE INTERESSEN DER BANANENREPUBLIK UKRAINE!!! Über das Wohl der sturmgebeutelten Bürger der GRÖSSTEN NATION AUF ERDEN!!!!, oder so ähnlich, jedenfalls irgendwas mit vielen Großbuchstaben, Lügen und griffigen Beleidigungen hätte er wohl rausgehauen. Kein Wunder also, dass Mister Biden nicht zu dem Treffen nach Deutschland gereist und der Termin auf unbestimmte Zeit verschoben worden ist. Die weiteren Aussichten für die Ukraine, lernen wir, hängen vom Wetter ab.

Stattdessen muss Präsident Selenskyj nun zu Einzelgesprächen durch die europäischen Hauptstädte tingeln und dort für seinen Siegesplan werben, der irgendwie auch ein Friedensplan sein soll. Das ist bitter nötig. Damit sich der Westen weiterhin für die Sache der Ukraine erwärmt, muss etwas anderes auf den Tisch als ein "Weiter so". Gestern besuchte Selenskyj den britischen Polit-Star Keir Starmer und den französischen Sonnenkönig Emmanuel Macron, heute wird er beim Ampelmann Olaf Scholz vorstellig.

Selenskyj hat eine eigene Perspektive auf das Thema Frieden und Siegen: Er darf sich gegenüber innenpolitischen Konkurrenten keine Blöße geben, will seine Popularität sichern und die Einigkeit in der Bevölkerung so weit wie möglich erhalten. Sein Plan dürfte deshalb einige unrealistische Annahmen und Maximalforderungen an den Westen enthalten. Dass der Präsident wieder einmal die Freigabe westlicher Waffen zum Beschuss von Zielen verlangt, die tief in Russland liegen, ist bereits bekannt. Dass die Antwort weiterhin nein lautet, pfeifen die Spatzen auch schon von den Dächern. Einen großen Wurf sollte man daher nicht erwarten.

Doch wie könnte eine realistische Friedensperspektive in dem kriegsgeschundenen Land überhaupt aussehen? Lassen wir das Problem, dass der Kriegstreiber Putin gar nicht verhandlungsbereit ist, mal für einen Augenblick beiseite – was nicht ist, kann ja noch werden. Doch selbst diesen hypothetischen Verhandlungen fehlt die Basis: Putin hat mal um mal bewiesen, dass er Verträge bricht, sobald es ihm passt. Seine Signatur unter einem Abkommen hat erwiesenermaßen keinerlei Bedeutung (was die Wagenknecht-Jünger gern übersehen). Dieses Faktum macht Putin – und man muss diese Erkenntnis einen Moment sacken lassen – verhandlungsunfähig. Man kann sich ein Dokument mit der Unterschrift des Tschekisten im Kreml einrahmen, aber Verbindlichkeit hat es nicht. Was also tun?

Nun, Putin bricht nicht jeden Vertrag. Er hält sich an Abkommen, wenn es für ihn vorteilhaft ist – oder die Alternative unattraktiv. Sein Ziel in der Ukraine – die Annexion von mindestens vier Provinzen und das Ende der Westbindung, wie er im Juni erklärte – hat er noch nicht erreicht. Ein jetzt geschlossener Waffenstillstand würde deshalb eine Phase hektischer Aufrüstung nach sich ziehen, nur um die nächste Runde der Kämpfe anzubahnen. In Russland sind die Weichen dafür schon längst gestellt: Die gesamte Wirtschaft ist auf Waffenproduktion umgestellt worden. Von einer erneuten Attacke müsste Putin deshalb wirksam abgeschreckt werden – wozu mehr erforderlich ist als Tinte auf Papier.

Selenskyjs Team in Kiew beschwört ohne Unterlass den Nato-Beitritt der Ukraine. In den Hauptstädten des Westens jongliert man alternativ mit dem Gedanken an weitgehende Sicherheitsgarantien. Das Beistandsversprechen müsste jedoch so glaubwürdig, so konkret und so umfassend sein, dass Putin glasklar verklickert würde: Bei ihrer nächsten Attacke im Donbass würden seine Soldaten auf Nato-Truppen treffen. Das jedoch ist illusorisch. Für die Ukraine in den Dritten Weltkrieg zu ziehen, das wollte schon 2022 niemand. Solchen Versprechungen glaubt kein Mensch, auch Putin nicht.

Also muss ein anderes Gegengewicht her, damit ein Waffenstillstand der russischen Kriegsmaschinerie nicht nur eine willkommene Pause zur Hochrüstung verschafft. Die Konsequenz ist ebenso geradlinig wie unerfreulich: Damit die Feuerpause hält, muss der Westen in den Rüstungswettlauf mit Moskau eintreten – und diesen gewinnen. Erst eine vor Waffen starrende Ukraine stellt für Putin kein attraktives Opfer mehr dar. Ja, es ist leider ein hässliches und gefährliches Europa, das sich dabei abzeichnet. Aber wenigstens eines mit weniger frischen Gräbern.

Dabei kann einiges schiefgehen. Denn sobald die Waffen schweigen, wird die Ukraine-Krise von Berlin bis Washington in der Liste der Prioritäten tief stürzen. Wozu dafür Geld ausgeben, wenn es so viele andere drängende Probleme gibt und zwischen Kiew und Moskau doch sozusagen irgendwie gewissermaßen so etwas Ähnliches wie Frieden herrscht? Wenn diese Logik sich durchsetzt – und das Risiko ist hoch –, bietet sich in der Ukraine eine neue Chance für Putin, und der nächste Krieg ist uns sicher.

Dennoch bietet ein fragiler Waffenstillstand, in dem die hochgerüsteten Gegner sich in Schach halten, aber wenigstens das Töten eine Pause macht, eine Perspektive für bessere Zeiten. Zugegeben, dafür braucht man ein bisschen Geduld. Mit Putins Regime ist ein verlässlicher Frieden nicht möglich, aber mit einem Russland ohne Putin mag das womöglich anders sein. Aufrüsten und abwarten also. Seinen 72. Geburtstag hat der Diktator gerade gefeiert, und es könnten noch eine ganze Reihe weiterer folgen – aber am Ende erwartet ihn derselbe Ausgang, den wir alle nehmen. Bis dahin ist ein waffenstarrender Waffenstillstand die beste Option, damit der Wahnsinn auf den ukrainischen Schlachtfeldern endet. Er könnte Zeit erkaufen. Und der Zeit hält nicht einmal Putin stand.


Die CSU ist sich nicht grün

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Was ist in Bayern los? Bevor sich die CSU heute und morgen in Augsburg zu ihrem ersten Parteitag seit der Kanzlerkandidaten-Kür von CDU-Chef Friedrich Merz trifft, ist bei den Christlich-Sozialen ein seltenes Phänomen zu bestaunen: Widerworte gegen Markus Söder! Und zwar von einem durchaus prominenten Absender: Manfred Weber, immerhin Vorsitzender der Europäischen Volkspartei und CSU-Vize, erlaubte sich, in einem Interview die kategorische Absage des bayerischen Ministerpräsidenten an eine schwarz-grüne Koalition im Bund infrage zu stellen.

Die Reaktionen folgten prompt: Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek schmähte Webers Sätze als "Fehleinschätzung", der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, rügte die "Mindermeinung", und der einstige Baum-Umarmer Söder selbst kündigte an, seine Ablehnung auf dem Parteitag zu bekräftigen.

Umso gespannter darf man sein, wie Friedrich Merz, der am Samstag als Gastredner eingeplant ist, mit dem Thema umgeht. Schließlich muss sich der Kanzler-Aspirant seine Machtoptionen offenhalten. Bislang hat er seine Absage an Schwarz-Grün diplomatisch mit dem Zusatz "aus heutiger Sicht" versehen. Hinter verschlossenen Türen spielt man schon Planspiele durch, berichtet unsere Reporterin Sara Sievert.


Ein bisschen Frieden

Die Kriege in der Ukraine und in Nahost, der mörderische Machtkampf und die Hungersnot im Sudan: Angesichts dieser und weiterer Gewaltkonflikte auf der Welt kann man die Frage stellen, ob die Vergabe des Friedensnobelpreises gegenwärtig überhaupt Sinn ergibt. Oder ob besser eine Aussetzung – es wäre nicht die erste – das wirkungsvollere Zeichen wäre.

Zum Glück gibt es auch in düsteren Zeiten Menschen, deren Taten Hoffnung stiften. Da sind zum Beispiel Oppositionelle in autoritären Regimen wie die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja oder Hilfsorganisationen wie die Welthungerhilfe, deren jüngster Bericht die Welt aufrütteln sollte.


Deutschland im Herbst

Bis zum Ende der Sommerzeit dauert es noch gut zwei Wochen, aber der Herbst ist unübersehbar. Besonders ungemütlich ging es zuletzt in Baden-Württemberg zu, wo der Starksturm "Kirk" Bäume umkippte wie Streichhölzer, aber auch in anderen Landesteilen herrschen Wind und Dauerregen. Immerhin: Für den Westen versprechen die Meteorologen heute "goldenes Oktoberwetter".


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Apropos Herbst: Die Erkältungsviren sind derzeit wirklich fies. Aber wissen Sie, was noch besser dagegen hilft als Pillen, Zink und Ingwer? Das hier.


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Die Ampelkoalition hatte bislang Bruchlinien zwischen SPD, Grünen und FDP. Jetzt brechen auch noch Konflikte innerhalb der Parteien auf. Unser Kolumnist Christoph Schwennicke stellt die Frage, ob sich das Land diesen Zustand noch ein Jahr lang leisten kann.


Bald soll es eine neue Möglichkeit geben, staatlich gefördert fürs Alter vorzusorgen. Wie die geplante Lösung aussieht, welche Vorteile sie hat und wann Sie lieber im alten System bleiben sollten, erklärt die Finanzberaterin Anja Schulz im Interview mit meiner Kollegin Christine Holthoff.


Zum Schluss

Problemlösung nach Donald-Methode:

Ich wünsche Ihnen einen ruhigen Tag.

Herzliche Grüße und bis morgen

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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