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Sudan: Flüchtlingszahlen steigen, kein Ende des Bürgerkriegs in Sicht


Krise flammt auf
Die Drahtzieher der Eskalation sitzen wohl im Ausland

MeinungEin Gastbeitrag von Ulf Laessing

24.05.2025 - 13:14 UhrLesedauer: 5 Min.
SUDAN-POLITICS/AMBREYVergrößern des Bildes
Rauch steigt nach einem Drohnenangriff auf ein Öldepot in Port Sudan auf (Archivbild): Im Krieg im Sudan mischen auch ausländische Mächte mit. (Quelle: Khalid Abdelaziz/reuters)
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Die Flüchtlingszahlen im Sudan steigen dramatisch. Ausländische Mächte mischen im dortigen Bürgerkrieg mit. Der Konflikt droht auch, das Nachbarland Tschad zu destabilisieren.

Sie kommen zu Fuß, auf Lastwagen oder Pferdekarren: Der Bürgerkrieg im Sudan treibt immer mehr Menschen in die Flucht. Mehr als eine Million sind allein im Nachbarstaat Tschad angekommen – Tendenz steigend. Ihre Lage ist dramatisch, da die Trump-Regierung Hilfen gestrichen hat. Es handelt sich um einen weiteren Afrika-Konflikt, in den sich auch Russland einmischt.

Der Konflikt brach im April 2023 zwischen der regulären Armee und einer paramilitärischen Truppe, den sogenannten Rapid Support Forces (RSF), aus. Deren Kommandeure – Armeechef Abdel Fattah Burhan und RSF-Chef Mohamed Hemedti – hatten seit dem Sturz des Langzeitherrschers Omar al-Bashir im Jahr 2019 um die Macht gerungen und damit Hoffnungen auf einen demokratischen Neuanfang im krisengeplagten Sudan zunichtegemacht.

(Quelle: KAS)

Zur Person

Ulf Laessing leitet das Regionalprogramm Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit Sitz in Malis Hauptstadt Bamako.

Mehrere Staaten unterstützen die Kriegsparteien

Seither bekämpfen sich beide Seiten mit schweren Waffen wie Artillerie und sogar Flugzeugen sowie mit Drohnen – ermöglicht durch massive ausländische Unterstützung. Ägypten und Russland unterstützen die Armee, während die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die RSF mit Waffen beliefern.

Es ist ein Krieg ohne Gewinner. Zwar eroberte die Armee jüngst von der RSF die Hauptstadt Khartum und einige Gebiete im Südwesten zurück, nachdem Russland seine Waffenlieferungen massiv verstärkt hatte. Doch die Hoffnung mancher, die RSF werde zusammenbrechen, erfüllte sich nicht.

Die Arabischen Emirate tragen zum militärischen Patt bei

Die Armee ist nicht in der Lage, die Hochburg der Paramilitärs in Darfur an der Grenze zum Tschad einzunehmen. Zudem wurde Port Sudan, wo die reguläre Regierung Burhans sitzt, in den letzten Tagen massiv mit Drohnen angegriffen. Offiziell bekannte sich die RSF dazu – Diplomaten vermuten jedoch die VAE als eigentliche Drahtzieher.

Die Emirate unterhalten im benachbarten Somalia mehrere Stützpunkte. Nach dem Fall Khartums hatten sie die Waffenlieferungen offenbar noch einmal intensiviert. Während diese zuvor ausschließlich über den Tschad liefen, gelangen laut Diplomatenangaben nun auch Waffen über eine neue Route in der Zentralafrikanischen Republik zur RSF.

Mit den Drohnenangriffen auf Port Sudan machen die Vereinigten Arabischen Emirate deutlich, dass sie die RSF weiterhin unterstützen. Die Partnerschaft geht auf den Jemen-Krieg zurück, in dem die Paramilitärs die Emirate mit Kämpfern unterstützt hatten.

10.000 Menschen fliehen wöchentlich

Es bleibt somit bei einem militärischen Patt, das zwei Jahre nach Kriegsbeginn immer neue Flüchtlingsströme auslöst. Derzeit treffen rund 10.000 Menschen pro Woche allein im Osten des Tschad ein, wo die Vereinten Nationen neue Zeltstädte errichten. Viele fliehen aus Darfur, wo die RSF laut Menschenrechtsorganisationen eine Kampagne der ethnischen Säuberung durchführt. Ihre arabischen Kämpfer vertreiben afrikanische Stämme – rund eine Million Menschen sind bereits in den Tschad geflüchtet.

Einer von ihnen ist Mohamed, dem in einem schlecht ausgestatteten Krankenhaus in Darfur ein Bein amputiert werden musste. "Ich wurde von einem RSF-Kämpfer angeschossen, und das Bein konnte nicht mehr gerettet werden", erzählt er. Er lebt in einem Zelt direkt hinter dem tschadischen Grenzposten und hofft, dass Ärzte sein zweites ebenfalls verletztes Bein retten können.

Inzwischen kommen auch viele Flüchtlinge aus Khartum, obwohl die Hauptstadt 1.400 Kilometer entfernt liegt. Es sind Araber, die nun fliehen, weil sie nach der Rückeroberung durch die Armee pauschal der Unterstützung der RSF verdächtigt werden – häufig zu Unrecht, wie Flüchtlinge berichten.

Beide Kriegsparteien setzen wohl Hunger als Waffe ein

Die 23-jährige Maab sagt: "Ich wurde von einem RSF-Kämpfer zwangsverheiratet. Als er abgehauen ist, wurde ich von der Armee zwei Wochen lang inhaftiert und der Unterstützung der RSF beschuldigt." Sie spricht mit stockender Stimme. Zusammen mit anderen Flüchtlingen aus Khartum ist sie in einer Notunterkunft direkt vor dem tschadisch-sudanesischen Grenzposten untergebracht – getrennt von den Menschen aus Darfur, da die Behörden im Tschad Konflikte zwischen den verschiedenen Volksgruppen fürchten.

Die Anschuldigungen gegen die Armee zeigen, dass es in diesem Konflikt keine "Guten" gibt. Die Armee sieht sich zwar als rechtmäßige Institution, doch Burhan war ebenso wie Hemedti eng mit Diktator Bashir verbündet. Menschenrechtsgruppen werfen beiden Seiten vor, Hunger als Waffe einzusetzen.

Auf der tschadischen Seite der Grenze war eine Kolonne Lastwagen mit Hilfsgütern zu sehen, die auf die Einreise in den Sudan warteten – doch es gibt starke bürokratische Einschränkungen, da die Armee im 2.200 Kilometer entfernten Port Sudan auf eine Genehmigung besteht, obwohl sie in den angrenzenden Grenzgebieten gar keine Kontrolle hat. Die Vereinten Nationen erfüllen dennoch diese sinnlose Forderung.

Nach Assads Sturz in Syrien fällt das Auge des Kreml auf den Sudan

Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht, da sich die Militärführer Burhan und Hemedti beide dank ausländischer Waffenlieferungen als zukünftige Sieger sehen. Die frühere US-Regierung hatte noch versucht, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln – allerdings ohne Erfolg. Der neue US-Präsident Donald Trump dürfte hingegen kaum Druck auf Russland und die VAE ausgeübt haben, ihre Waffenlieferungen einzustellen.

Für Moskau steht viel auf dem Spiel: Russland will in Port Sudan eine Marinebasis errichten, um seine Söldneroperationen in Afrika zu versorgen. Die Flugdistanz nach Mali oder Burkina Faso, wo russische Söldner tätig sind, ist zu weit. Bisher lief die Versorgung über Syrien, wo Russland zwar über eine Marinebasis und einen Luftwaffenstützpunkt verfügt – doch es ist unklar, ob die neuen syrischen Machthaber deren Weiterbetrieb erlauben werden. Daher sucht Russland in Port Sudan nach einer Alternative, um Kriegsmaterial per Schiff und Flugzeug zu verfrachten.

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Risiken für das Nachbarland Tschad

Der Flüchtlingsstrom droht, den Nachbarstaat Tschad zu destabilisieren. Das Sahelland ist extrem fragil, zählt zu den ärmsten Ländern der Welt und wurde seit seiner Unabhängigkeit fast ausschließlich von Putschisten regiert. Wer im Tschad an der Macht ist, braucht Geld, um Rebellen und Oppositionelle zu kaufen.

Präsident Mahamat Deby hat sich auf einen Pakt mit den VAE eingelassen: Er erlaubt Waffenlieferungen über die Ostgrenze und erhält im Gegenzug großzügige Kredite – ein riskantes Spiel, da einige der von der RSF verfolgten Volksgruppen auch im Tschad leben und sich an Deby rächen könnten.

Die Flüchtlinge leben in mehr als einem Dutzend Lagern im Osten des Tschad, einer Region, die selbst völlig unterentwickelt ist. Deutsche Organisationen wie Help versuchen, die Not zu lindern, doch es fehlt überall an Mitteln. Die USA waren bisher einer der wichtigsten Geldgeber, fallen jetzt aber aus. Schon vor dem Rückzug der US-Amerikaner hatten die Vereinten Nationen (VN) nur 40 Prozent der benötigten Mittel zur Verfügung, wie ein VN-Vertreter berichtet. Die Folge: Die Rationen für Flüchtlinge werden künftig gekürzt.

Bislang sind die meisten Flüchtlinge im Tschad geblieben. Doch da eine Rückkehr in den Sudan derzeit unmöglich erscheint, könnten einige von ihnen versuchen, über Libyen oder Niger nach Nordafrika und von dort per Boot nach Italien zu gelangen.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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