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Grundeinkommen: Pilotprojekt beendet – Termin für Ergebnisse steht fest


Pilotprojekt Grundeinkommen
"Dann hätten wir allen ein Grundeinkommen zahlen müssen"

  • Christine Holthoff
InterviewVon Christine Holthoff

Aktualisiert am 27.05.2024Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Münchner Innenstadt: Eine bedingungslose Auszahlung für jeden Deutschen – davon träumen Befürworter eines Grundeinkommens.Vergrößern des Bildes
Münchner Innenstadt: Eine bedingungslose Auszahlung für jeden Deutschen – davon träumen Befürworter eines Grundeinkommens. (Quelle: Wolfgang Maria Weber/imago-images-bilder)

Drei Jahre lang haben Probanden 1.200 Euro pro Monat geschenkt bekommen. Nun werten die Forscher das Ergebnis aus. Für die Psychologin Susann Fiedler ist das Pilotprojekt Grundeinkommen aber schon jetzt ein Erfolg.

1.200 Euro extra im Monat, einfach so – diese Chance klang zu verlockend, um sie nicht wahrzunehmen. Daher bewarben sich Anfang 2021 mehr als zwei Millionen Menschen um eine Teilnahme am Pilotprojekt Grundeinkommen, der ersten deutschen Langzeitstudie, die die bedingungslose Geldzahlung empirisch testet. Drei Jahre später endet nun das Experiment, die Datenerhebung ist offiziell abgeschlossen.

Wann mit den Ergebnissen zu rechnen ist, warum man schon jetzt von einem gelungenen Experiment sprechen kann und wie es nach der Datenauswertung weitergeht, darüber hat t-online mit Susann Fiedler gesprochen, Professorin für Wirtschaft und Psychologie an der Wirtschaftsuniversität Wien und Teil des Forscherteams für das Pilotprojekt.

t-online: Frau Fiedler, mit dem Ende der Erhebung beginnt für Sie als Forscherin nun die heiße Phase. Wann wäre das Pilotprojekt Grundeinkommen für Sie ein Erfolg?

Susann Fiedler: Das kommt darauf an, wie man Erfolg definiert. Für mich ist das Projekt schon jetzt ein Erfolg. Denn wir haben ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass es in der Politik mehr evidenzbasierte Entscheidungen geben muss. Dass Politiker also auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse handeln – und nicht wie bisher oft nur nach Bauchgefühl und Annahmen. Denn damit sind wir nicht gut beraten.

(Quelle: Pilotprojekt Grundeinkommen)

Zur Person

Susann Fiedler ist seit Februar 2021 Professorin für Wirtschaft und Psychologie an der Wirtschaftsuniversität Wien. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Gebiet der Verhaltensökonomie und Entscheidungsfindung. Zuvor leitete sie eine Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Fiedler studierte Wirtschaft und Psychologie an der Universität Erfurt.

Sie spielen auf einen der größten Kritikpunkte am bedingungslosen Grundeinkommen an, der Vermutung, dass Bezieher keinen Anreiz mehr hätten zu arbeiten. Was, wenn Ihre Studie genau das herausfindet?

Fiedler: Wenn die Intuition stimmt, dass alle zu Hause bleiben, dann ist das so. Dann haben wir eine Datenbasis, auf der wir reden können. Ich bin weder Gegnerin noch Befürworterin eines bedingungslosen Grundeinkommens. Mir geht es darum, herauszufinden, wie es tatsächlich wirkt. Das bringt uns weiter. Nicht Argumente wie "Ich glaube", "Ich denke" oder "Meine Oma hat aber gesagt ...".

Auf welche Fragen hoffen Sie, Antworten zu finden?

Fiedler: Da ich von Haus aus Psychologin bin, interessiere ich mich besonders für die Folgen eines Grundeinkommens auf die Lebenszufriedenheit. Wir reden heute viel darüber, wie die Gesellschaft gesünder werden kann. Haben Grundeinkommensbezieher vielleicht weniger Depressionen? Blicken Sie optimistischer in die Zukunft? Nehmen sie sich als autonomer wahr? Und dann gibt es natürlich die große Frage nach dem Effekt auf die Arbeit. Nehmen sie das Geld und gehen in Teilzeit? All das sind Fragen, die wir hoffentlich klären können.

Und was wird das Pilotprojekt nicht klären können? Wo stößt es an Grenzen?

Fiedler: Was wir uns nicht angucken können, sind gesamtgesellschaftliche Effekte. Dafür hätten wir allen Menschen in Deutschland ein Grundeinkommen zahlen müssen. Auch wissen wir wenig darüber, welchen Effekt das Geld auf andere Bevölkerungsgruppen hat. Unsere Probanden sind eher jung, zwischen 20 und 40 Jahren, hatten zum Beginn der Studie alle noch keine Kinder und ein solides Einkommen. Diese Auswahl haben wir aber mit Absicht getroffen.

Warum?

Fiedler: Wir wollten gerne wissen, ob auch Leute aus der Mitte der Gesellschaft von einem Grundeinkommen profitieren. Andere Experimente untersuchen zum Beispiel die Wirkung auf Arbeitslose. Dass ihnen eine bedingungslose Zahlung hilft, finden viele selbstverständlich. Besonders interessant wird es, wenn das Grundeinkommen selbst auf solche Menschen einen Effekt hat, die durch Arbeit abgesichert sind.

Pilotprojekt Grundeinkommen

Das Pilotprojekt hat der gemeinnützige Verein Mein Grundeinkommen ins Leben gerufen. Ziel ist es, das Grundeinkommen empirisch auf den Prüfstand zu stellen. Die Studie wird vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin sowie von Forschenden der Universität zu Köln und der Wirtschaftsuniversität Wien unabhängig durchgeführt. 199.292 Privatpersonen finanzieren mit ihren Spenden die Grundeinkommen in Höhe von 5,184 Millionen Euro. 1.380 Menschen waren in der Kontrollgruppe, 122 haben das Grundeinkommen letztlich erhalten. Die Wissenschaftler erhalten für ihre Forschung zum bedingungslosen Grundeinkommen kein Geld vom Verein.

Wie können Sie sich eigentlich so sicher sein, dass sich Veränderungen bei den Teilnehmern ausschließlich auf die Geldzahlung zurückführen lassen?

Fiedler: Das liegt an einer Besonderheit, die das Pilotprojekt zu bieten hat: der großen Kontrollgruppe. Wir haben dafür gesorgt, dass wir statistische Zwillinge erschaffen. Einem Grundeinkommensempfänger stehen mehrere ihm ähnelnde Personen in der Kontrollgruppe gegenüber. Sie gleichen den Empfängern in Alter, Bildungsniveau, Lebensstadium und Wohnort, erhalten aber außer einer Aufwandsentschädigung kein Geld.

Wann können wir mit den Ergebnissen rechnen?

Fiedler: Die sind für Januar 2025 geplant. Jetzt geht es erst mal darum, die Daten zu bereinigen und die Ergebnisse zusammenzufassen. Ich bin auch selbst sehr neugierig, wie die finalen Effekte aussehen. Solche Langzeitstudien sind für mich eher ungewöhnlich. Normalerweise gehe ich morgens mit meiner Forschungsfrage ins Labor und habe abends die Daten.

Teilen Sie Ihre Meinung mit

Sollte es ein Bedingungsloses Grundeinkommen geben? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de. Bitte nutzen Sie den Betreff "Grundeinkommen" und begründen Sie.

Über drei Jahre forschen Sie nun schon zum Grundeinkommen. Ist das Projekt dann Anfang 2025 beendet oder geht es noch weiter?

Fiedler: Wir denken natürlich gerne groß weiter. Der erste Schritt war jetzt die Frage: Was bewirkt zusätzliches Geld? Als Nächstes wäre interessant zu schauen, welchen Effekt allein die finanzielle Sicherheit hat. Und dann gibt es natürlich noch die Frage nach der Finanzierbarkeit. Eine erste Modellstudie dazu gibt es sogar schon (t-online berichtete), aber das könnte man auch in die Umsetzung bringen.

Frau Fiedler, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Susann Fiedler
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