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"Nudging": Veränderungen im Büroalltag – Manipulation oder Klimarevolution?


CO2-Sparen
Manipulation oder gute Idee? Wie Ihr Chef den Büroalltag verändern kann


Aktualisiert am 02.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Ein Bürogebäude am Abend (Symbolbild): In vielen Firmen brennt nachts Licht – obwohl niemand da ist. (Quelle: IMAGO/Olaf Döring)

Eine neue Studie zeigt: Auch im Büroalltag lässt sich durch kleine Verhaltensanpassungen viel fürs Klima tun. Doch der Ansatz ist nicht unumstritten.

Das Ziel ist klar: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Und Fakt ist auch: Damit das gelingt, damit die Netto-CO₂-Emmissionen in den kommenden 22 Jahren auf null sinken, müssen alle mit anpacken – vom großen Energieversorger, der die Stromproduktion auf erneuerbare Energien umstellt, bis hin zum kleinen Privathaushalt, der nach dem Willen der Ampelregierung künftig vor allem mit einer Wärmepumpe statt mit Gas heizen möge.

Doch was ist mit all dem, was zwischen diesen beiden viel diskutierten Vorhaben liegt? Wie können zum Beispiel auch Firmen gewährleisten, dass ihre Angestellten im Büro zum Klimaziel beitragen? Wie lässt sich Energie sparen, wenn der einzelne Mitarbeiter – anders als zu Hause – keinen direkten finanziellen Vorteil dadurch hat?

Diesen Fragen ist jetzt ein Team von Wissenschaftlern am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nachgegangen. Ihr Ansatz: Viele Veränderungen hin zum klimaneutralen Büro lassen sich durch sogenanntes "Nudging", zu Deutsch "Anstupsen", hervorrufen.

Per Anstupsen in die erwünschte Richtung

Die Ergebnisse könnten sich den Berechnungen zufolge sehen lassen: Pro Jahr lassen sich durch "Nudging" zum Stromsparen allein in den sieben größten deutschen Städten bis zu 176.000 Tonnen CO₂ einsparen, heißt es in einer Studie, die t-online vorab vorliegt. Das entspricht – immerhin – in etwa dem CO₂-Fußabdruck von 16.300 Durchschnittsdeutschen.

Das Konzept des "Nudging" geht auf die sogenannte Verhaltensökonomie zurück. Damit gemeint ist eine Denkschule der Volkswirtschaftslehre, der zufolge viele Menschen sich durch kleine Anreize in eine wünschenswerte Richtung stupsen lassen – ohne ihnen mit Verboten andere Optionen zu verwehren.

In der Wissenschaft nennt sich dieses Konzept auch "libertärer Paternalismus", wobei Gegner des Ansatzes ihre Kritik vor allem am zweiten Wort festmachen: "Nuding", so der Vorwurf, sei kaum etwas anderes als politisch forcierte Manipulation. Zudem setze die Idee voraus, dass jemand – in der Regel der Staat – wisse, welches Verhalten gesellschaftlich wirklich wünschenswert ist.

Schon jetzt kommt "Nuding" zum Tragen

Ob man es gut findet oder nicht: Begegnet ist vielen Menschen "Nudging" womöglich schon einmal beim Buchen eines Fluges. Vor dem Abschluss des Kaufes fragen viele Airlines ihre Passagiere, ob sie den CO₂-Ausstoß ihres Fluges über eine Zusatzgebühr ausgleichen wollen, ohne ein entsprechendes Kreuz bei Ja oder Nein geht es nicht weiter.

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Damit zwingen die Fluggesellschaften ihre Kunden zum Nachdenken, überlassen die Entscheidung über die Kompensation dennoch dem Passagier. Manche Airlines wählen auch einen größeren Anstupser, indem sie in der Online-Maske standardmäßig das Kreuz bereits bei Ja setzen. Damit folgen sie der verhaltensökonomisch bewiesenen Annahme, dass die meisten Menschen bei dieser Standardoption bleiben, obwohl sie ihre Auswahl auch auf Nein ändern könnten.

Den IW-Autoren Jennifer Potthoff und Dominik Enste zufolge lassen sich derlei Ansätze auch auf die Arbeitswelt übertragen. Ihre Überzeugung: "Um ein 'grüneres Verhalten' in Unternehmen hervorzurufen, reicht es nicht, ökologische Nachhaltigkeit von oben nach unten zu verordnen." Vielmehr müssten Firmenchefs ihre Mitarbeiter motivieren, am selben Strang zu ziehen – auch wenn sie dafür keine finanziellen Anreize setzen könnten.

So könnten das "Nudging" aussehen

"Die Grundidee vom 'Nudging' ist es, komplexe Entscheidungssituationen zu vereinfachen", so Enste und Potthoff. Es gehe nicht um Befehle, Verbote, Strafen oder Steuern, wie sie etwa der Staat mit dem CO₂-Preis einführen kann, sondern um kleine Verhaltensanpassungen im Alltag, die keinem wehtun, aber in der Masse viel bewirken können.

Wie genau Firmenchefs "Nudging" im Büro anwenden können, wird anhand von drei Beispielen deutlich:

  • Regelmäßige E-Mails zum Stromverbrauch im Büro: Vielen Mitarbeitern wird dadurch bewusst, dass sie abends das Licht löschen oder ungenutzte Computerbildschirme ausschalten sollten. Bestenfalls entsteht auf diese Weise sogar ein spielerischer Wettbewerb darum, welche Abteilung weniger Strom verbraucht. Ähnlich lässt sich auch beim Spritverbrauch von Dienstwagen verfahren.
  • Fahrrad-Wettkampf: Damit möglichst wenige Angestellte mit dem eigenen Auto zur Arbeit kommen und so CO₂-Emissionen einsparen, könnten Firmen einen Wettlauf zwischen den Abteilungen ausrufen, wer mehr Fahrradkilometer pro Monat sammelt. Auch hier, so die Forscher, fördere der kompetitive Ansatz die Lust auf klimafreundliches Verhalten.
  • Doppelseitiges Drucken: Diese Maßnahme zielt weniger auf die direkte Verkleinerung des CO₂-Fußabdrucks im Büro ab, sondern mehr auf den sparsameren Ressourceneinsatz, in diesem Fall Papier. Die Idee: Wenn die Option "beidseitiges Drucken" in allen Programmen standardmäßig voreingestellt ist, ändern dies nur die wenigsten – und schonen damit die Umwelt.

Daneben gibt es viele weitere Ideen, die das Büro zu einem "grüneren" Ort machen sowie das Umweltbewusstsein der Firmenangestellten heben können. Helfen die "Nudges" allein, um die Klimaziele zu erreichen? Wohl kaum, wie auch die Studienautoren schreiben: Sie könnten nicht "die einzige Lösung" sein, damit Unternehmen das Klima schützen, der Ansatz habe seine Grenzen – nicht zuletzt, weil jeder Mensch unterschiedlich darauf reagiere.

Dennoch bergen allein die verhaltensökonomischen Ansätze beim Stromverbrauch im Büro erhebliche Einsparpotenziale, so die Autoren: "Wenn alle Büros der deutschen Top-7-Städte (Köln, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München, Stuttgart) durch 'Green Nudges' durchschnittlich 6,5 Prozent Strom einsparen würden und man von 70 Kilowattstunden pro Quadratmeter Stromverbrauch pro Jahr ausgeht, könnten in Deutschland jährlich 419.676 Megawattstunden, mehr als 176.000 Tonnen CO₂ und 167,87 Millionen Euro Stromkosten eingespart werden."

Verwendete Quellen
  • IW-Studie: "Behavioral Economics in Companies: Nudging green behavior"
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