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Wolfgang Grupp: Der letzte Patriarch – so tickt der Ex-Trigema-Chef


Ex-Trigema-Chef Wolfgang Grupp
Der letzte Patriarch


Aktualisiert am 18.07.2025 - 16:50 UhrLesedauer: 5 Min.
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Wolfgang Grupp: Er war lange Zeit Trigema-Firmenchef. (Quelle: Matthias Bein/imago-images-bilder)
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Viele Jahrzehnte lang war Wolfgang Grupp einer der bekanntesten und umstrittensten Geschäftsführer Deutschlands. Doch für seine Mitarbeiter war er viel mehr. Jetzt hat er versucht, sich das Leben zu nehmen.

Seine Angestellten hatten für Wolfgang Grupp schon immer einen besonders hohen Stellenwert. Zu ihnen pflegt er eine spezielle Beziehung, die von gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist, selbst heute noch, da er nicht mehr die Geschäfte seines Unternehmens leitet.

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In seinen über 50 Jahren als Eigentümer und Geschäftsführer von Trigema musste er nach eigenen Angaben nie einen Mitarbeiter entlassen, auch Kurzarbeit gab es nie. Er ist bis heute fast täglich in der Firma vor Ort und kennt die Menschen. Wer Jubiläum feiert, wird von Grupp persönlich eingeladen. Die Kinder der Mitarbeiter erhalten eine Arbeitsplatzgarantie.

Selbst den Unausgebildeten zahlte er stets mehr als den Mindestlohn, für den er sich im Gegensatz zu vielen anderen Firmeninhabern schon lange vor dessen Einführung einsetzte. Doch für seine Loyalität zu den Mitarbeitern hat Grupp in seiner aktiven Zeit auch besondere Leistung erwartet. Faulheit verachtet er.

Homeoffice war im Unternehmen stets strengstens verboten. Seine Ansicht: "Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig." Man könne "sich dann auch gleich arbeitslos melden, weil sowieso keiner merkt, ob Sie arbeiten oder nicht". Auch Krankschreibungen mag Grupp nicht. Diejenigen, die immer zur Arbeit kamen, wurden belohnt: Alle zwei Monate gab es Gutscheine für alle, die sich nicht krankgemeldet hatten.

Wolfgang Grupp: Für kontroverse Aussagen bekannt

Über dieses Verhältnis erzählte er in den vergangenen Jahren oft und gern in Talkshows. Dort eckte er mit Aussagen wie diesen an: "Es gibt Ärzte, die sinnlos krankschreiben", beklagte der Textil-Unternehmer einst und beschwerte sich gar bei den Praxen höchstpersönlich. "Es gibt kaum einen Arzt in unserem Umfeld, dem ich keinen satten Brief geschrieben habe." Ein Mann, der polarisiert – auch weil er sich immer wieder mit teils umstrittenen Thesen zu gesellschaftlichen Themen äußert, etwa der, dass Bundeskanzler Friedrich Merz mit der AfD verhandeln und sogar eine Koalition in Betracht ziehen sollte.

Wolfgang Grupp gilt als Unternehmer alten Schlags. Als Patriarch im klassischen Sinn. Innerhalb seines Unternehmens verkörperte er den Pater familias: eine Führungsfigur, die sagt, wo es langgeht, bestimmt, aber sich auch in besonderem Maße kümmert und verantwortlich fühlt. Die Nachricht von seinem versuchten Suizid dürfte viele überrascht und schockiert haben.

Dass er sich wenige Tage später in einem Brief zunächst explizit an seine ehemaligen Angestellten wandte, dagegen nicht. Darin schrieb er: "Ich bin im 84. Lebensjahr und leide an sogenannten Altersdepressionen. Da macht man sich auch Gedanken darüber, ob man überhaupt noch gebraucht wird. Ich habe deswegen auch versucht, mein Leben zu beenden."

Ein erstaunlich offenes Bekenntnis, das für alle, die den Macher und oft polternden Patriarchen kannten, wohl auch eine nachvollziehbare Erklärung bietet. Denn für Menschen wie Grupp ist das Unternehmen mehr als nur eine Arbeit, es ist ihr Lebenssinn.

Grupp traf den Zeitgeist

Als der 27-jährige Grupp 1969 die Firma Trigema von seinem Vater übernahm, war das Unternehmen hoch verschuldet. Innerhalb von sechs Jahren baute er die zehn Millionen D-Mark an Verbindlichkeiten ab – seitdem habe er mit seiner Bank nie wieder über Kredite sprechen müssen, betonte er.

Er traf den Zeitgeist. Als die Firma damals auf unzähligen produzierten Unterhemden festsaß und diese nicht loswurde, ließ er sie kurzerhand in Batik-Optik färben – und erreichte die Jugend der Flower-Power-Bewegung. Trotz höherer Preise wurden sie zum Verkaufsschlager. Fortan setzte Grupp statt klassischer Sportkleidung auf moderne Freizeitmode. Der Erfolg gab ihm recht.

Auch beim Marketing ging Grupp neue Wege. Die Werbespots, in denen ein Affe mit Hemd, Krawatte und Brille im Stile eines Nachrichtensprechers gemeinsam mit Grupp für die Trigema-Produkte wirbt, haben Kultstatus in der Werbelandschaft erreicht. Einst gab es in der Stadt 26 Textilunternehmen, heute existiert nur noch Trigema. Dank der Strategie und der Schimpansenwerbung wurde Trigema zum Symbol für den Mittelstand.

Video | Wie Trigema zum Kult-Werbespot kam
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Quelle: t-online
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Dabei sprang Grupp nicht auf jeden Trend auf, er ist ein traditionsbewusster Mensch. Als immer mehr Modeunternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagerten, blieb für ihn klar: Trigema bleibt in Deutschland. Alles soll "Made in Germany" bleiben. Auch alle Rohstoffe kommen aus EU-Ländern. Und so werden die Trigema-Produkte bis heute im baden-württembergischen Burladingen gefertigt, direkt gegenüber von Grupps Wohnhaus. Ein bewusstes Bekenntnis zur Heimat.

Bis heute keine E-Mail geschrieben

Auch wenn er sein Unternehmen erfolgreich modernisiert hat, so verweigerte er sich selbst moderner Technik. Einen Computer gibt es bis heute nicht in seinem Büro, das er noch täglich besucht. E-Mails werden ihm ausgedruckt, Antworten spricht er seiner Sekretärin ins Diktiergerät.

Auch in seiner Kleidung spiegelt sich diese traditionelle Vorstellung vom Unternehmer alter Schule wider. Bilder ohne Anzug und Krawatte existieren von Wolfgang Grupp quasi nicht. Egal, wo er in den vergangenen fünf Jahrzehnten auftrat, legte der langjährige Trigema-Chef stets Wert auf Etikette – Einstecktuch und Manschettenknöpfe sind Pflicht. "Wer ernst genommen werden will, darf niemals im Freizeitlook zur Arbeit kommen, auch wenn er diese Art der Bekleidung produziert", sagte er einmal. Angemessene Kleidung sei für ihn eine "Erziehungsfrage".

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Seine äußere Erscheinung ist für den Firmen-Patriarchen immer mehr als nur ein Mittel zum Zweck – sie soll seinem Gegenüber symbolisieren, dass er ihn ernst nimmt. Sie soll zeigen, wofür er steht: Anstand und Respekt. "Man schätzt, dass ich die Werte noch lebe." Doch dafür erwartet auch Grupp selbst stets ein akkurates Auftreten. Gäste in kurzen Hosen will er nicht empfangen: "Das gibt es bei mir nicht." Mit gutem Beispiel vorangehen, das ist sein Lebensmotto. Ordnung und Respekt sind für ihn zentral.

Anfang 2024 übergab er schließlich die Firma an seine Kinder Wolfgang Junior und Bonita. Trotzdem ging er noch nahezu täglich in die Firma, sprach mit den Mitarbeitern. Auch in Talkshows tauchte er weiterhin auf, gab Interviews. Dort kam es vor wenigen Wochen zu einem aufschlussreichen Auftritt: "Ich bin 83, und ich habe alles verschenkt an meine Frau und meine Kinder. Man kann jetzt nur noch auf das Ende warten. Das ist so, und damit muss man sich abfinden", sagte er Anfang Juli im "MUT-Podcast" des "Focus". Er sah sich selbst in der Pflicht: "Wenn wir ein glücklicheres Leben hatten, müssen wir zeigen, ob wir das egoistisch ausgenutzt haben oder ob wir andere teilhaben ließen."

Nun bekommen diese Worte eine neue Bedeutung. Verletzlich und hilflos, wie ihn die Öffentlichkeit bisher nicht kannte, zeigt sich der kompromisslose Firmenchef in seinem Brief an die Mitarbeiter. Und zugleich, wie wichtig ihm Form und Anstand selbst jetzt noch sind. Neben seiner Frau und seinen Kindern dankt er im Brief explizit "allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Firma Trigema" und beteuert: "Ich bin mir sicher, dass meine Kinder Trigema verantwortungsvoll in eine erfolgreiche und sichere Zukunft führen werden."

Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.

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