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Zukunft der Arbeit: Für den Wandel braucht es keine Revolution


Zukunft der Arbeit
Für den Wandel braucht es keine Revolution

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

01.05.2018Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Karl Marx in Trier: Ein Arbeiter zieht eine Plane vom Kopf der 2,3 Tonnen schweren und 4,40 Meter großen Statue des chinesischen Künstlers Wu Weishan.Vergrößern des Bildes
Karl Marx in Trier: Ein Arbeiter zieht eine Plane vom Kopf der 2,3 Tonnen schweren und 4,40 Meter großen Statue des chinesischen Künstlers Wu Weishan. (Quelle: Harald Tittel/dpa)

Die neu erwachte Leidenschaft für Karl Marx hilft im Umgang mit Digitalisierung und Globalisierung nicht. Statt einer Revolution braucht es ein Umdenken.

Am kommenden Samstag wird in Trier eine riesige Bronze-Statue enthüllt: Anlässlich des 200. Geburtstags von Karl Marx wurde diese von der Volksrepublik China spendiert. Richtig begeistert sind die Trierer allerdings nicht von dem Staatsgeschenk. Sie haben den bronzenen Kommunisten ein bisschen abseits platziert, auf dem Simeonstiftplatz am Rande der Innenstadt. So, als hätten sie Angst, dass der Marxismus immer noch ansteckend ist.

Sie könnten Recht haben. Seit der Finanzkrise gilt Karl Marx auch außerhalb der kommunistischen Gesprächskreise an Universitäten als Philosoph der Zeit. Er habe das Verhältnis von Arbeit und Kapital gültig beschrieben, heißt es. Gerade in der Zeit des Finanzkapitalismus und wachsender Ungleichheit werde das deutlich.

Der Vater des Kommunismus hat zwar die Anpassungsfähigkeit des Kapitalismus unterschätzt, doch schaden tut das seinem Ansehen merkwürdigerweise kein bisschen. Denn die Marktwirtschaft ist seit der Finanzkrise in schwerem Fahrwasser. Die Globalisierung und die Digitalisierung erschüttern den Glauben an die Versöhnung von Kapital und Arbeit zusätzlich. Die alten Gegensätze brechen wieder auf.

Vor allem die Frage nach der Zukunft der Arbeit ängstigt die Beschäftigten. Die Gewerkschaften rufen am 1. Mai zum Protest gegen die prekären Arbeitsgelegenheiten in der digitalen Wirtschaft auf. Auch, wenn es diese Jobs bisher mehr in den Erzählungen der Arbeitnehmervertreter als in der Realität gibt: Ob die große Erzählung von der Bedeutung von Arbeit in der Marktwirtschaft Bestand haben wird, ist längst nicht sicher.

Arbeit sei nicht nur Broterwerb, hieß es bisher. Arbeit selbst sei Lebenszweck, die Eintrittskarte für ein Leben in Würde und Teilhabe. Je mehr Facharbeiter fehlten, desto schillernder wurde diese Schilderung ausgeschmückt. Jede hartnäckige schwäbische Hausfrau, jeder Faulpelz, jeder müde Arbeiter, der lieber mit 63 als mit 68 in Rente wollte, musste beeindruckt werden: Ohne Arbeit sei alles nichts.

Das hat lange funktioniert. Höher als heute war die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland noch nie. Doch die Arbeitswelt wird sich in den kommenden Jahren radikal ändern. Zwar sind die meisten Ökonomen optimistisch, dass Deutschland den Wandel gut bewältigen kann. Doch wenn wahrscheinlich bis zu einem Drittel der Arbeitsplätze verschwinden – auch, wenn sie woanders neu entstehen – und die meisten anderen Jobs in ein paar Jahren anders aussehen werden, ahnt jeder, dass nicht alle Arbeitnehmer diesen Umbruch gut verkraften werden.

Unsicher ist auch, wie die Arbeitsplätze der Zukunft aussehen werden. Sind es noch die gewohnten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse? Oder wird das neue Proletariat der Zukunft tatsächlich da entstehen, wo es die Gewerkschaften auf ihren Maikundgebungen schon beklagen: in der Gig-Economy, in der vermeintlich Selbstständige ihre Arbeitskraft immer neu anbieten müssen, um halbwegs über die Runden zu kommen?

Kein Wunder, dass Marx-Fans jetzt darauf hinweisen, dass Arbeit immer noch auf den traditionellen Gesetzen des Kapitalismus basiert, die Karl Marx beschrieben hat: Gearbeitet werde immer nur dann, wenn es sich für den Kapitalisten lohnt. Braucht er die Arbeitskraft, kaufe er sie zu einem möglichst niedrigen Preis ein. Braucht er sie nicht mehr, entlasse er sie aus seinen Diensten. Der Kapitalist eigne sich den Mehrwert an. Der Arbeitnehmer dagegen brauche das Geld, um zu leben. Er selbst habe keine Chance, zum Kapitalisten zu werden.

Die Kritiker der Marktwirtschaft übersehen damals wie heute, dass eine freiheitliche Wirtschaftsordnung ein extrem schnelllernendes System ist, in dem Staaten und Regierungen den Rahmen setzen. Das gilt auch für die digitale Wirtschaft. Es ist unvernünftig, Arbeiten von Menschen erledigen zu lassen, wenn Maschinen und Algorithmen das besser, schneller und billiger können. Auf der anderen Seite aber gibt es Arbeit, die Menschen vermutlich immer besser können werden: lehren, betreuen und pflegen zum Beispiel. Oder erfinden, gestalten, unternehmen. Denn hier schafft der Mensch einen echten Mehrwert.

Die Aufgabe für die nächsten Jahre ist deshalb nicht, der Revolution zum Durchbruch zu verhelfen, um Digitalisierung und Globalisierung zu stoppen. Um den Menschen die Angst vor dem Wandel zu nehmen, würde es vielleicht schon reichen, diese Arbeiten aufzuwerten und attraktiv zu machen – zum Beispiel, indem man sie ordentlich bezahlt.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr Buch: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert." beschreibt, wie sich Deutschland in den vergangenen zwölf Jahren verändert hat.

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