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Energiewende – Braunkohle, Autos & Co.: Es wird teuer!


Das ist der Gipfel – und es wird teuer!

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 17.01.2020Lesedauer: 3 Min.
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Autoindsutrie: Etwa drei Milliarden Euro Strafe mussten die Autounternehmen in den vergangenen Jahren wegen Abgasvergehen in Deutschland bezahlen.Vergrößern des Bildes
Autoindsutrie: Etwa drei Milliarden Euro Strafe mussten die Autounternehmen in den vergangenen Jahren wegen Abgasvergehen in Deutschland bezahlen. (Quelle: Peter Hartenfelser/ claffra/imago-images-bilder)

Nach den Treffen der Automobilwirtschaft und der Kohlebosse, Gewerkschaften und Arbeitgeber im Kanzleramt ist nur eines klar: Es wird teuer. Unsere Kolumnistin Ursula Weidenfeld kommentiert für Sie die Gipfel zum Kohleausstieg und zur Autoindustrie.

Es reichte gerademal zum Durchlüften: Kaum hatten sich die Autohersteller, Gewerkschaften und Arbeitgeber im Bundeskanzleramt gestern verabschiedet, rückten die Vertreter der Kohleindustrie mitsamt der betroffenen Ministerpräsidenten an. In einem gemeinsamen Papier schlagen die Autoleute vor, der Staat möge doch bitte die "gesamtgesellschaftliche Aufgabe" der Umrüstung auf E-Mobilität mitfinanzieren. Die Kohlewirtschaft bekommt 40 Milliarden Euro für die Stilllegung der Gruben. An diesem Mittwoch muss auch dem Letzten klargeworden sein, dass die Energiewende mit jedem neuen Gipfel vor allem eines wird: teurer. Besser, klarer und effizienter wird sie nicht. Im Gegenteil.

Nun betteln alle um Unterstützung

Die Reihe der Bedürftigen ist lang und wird immer länger. Zuerst standen nur ein paar Energiefirmen vor dem Bundeskanzleramt und hielten die Hand auf, um für den Atomausstieg entschädigt zu werden. Später klopften hunderte Erneuerbare-Energien-Manager wegen Windhilfe an. Die Landwirte sprachen im Dezember wegen der Ackerwende vor, die Ministerpräsidenten und Unternehmenschefs aus Braunkohleregionen betteln regelmäßig um Unterstützung. Es fehlen noch: die Immobilienwirtschaft, die Waldbesitzer, das Speditionsgewerbe.

Die Forderungen sind zum Teil berechtigt. Wer für den Weg in die CO2-neutrale Wirtschaft besondere Lasten schultern muss, soll dafür eine Entschädigung bekommen. Wer unter den abrupten Politikwechseln der vergangenen Jahre zu leiden hat, muss kompensiert werden. Dafür einen klaren politischen Rahmen zu bestimmen, ist überfällig. Richtig ist es auch, sich um die Autoindustrie besondere Sorgen zu machen. Doch gerade für diese Branche gilt: Für unternehmerische Fehlleistungen, strategische Fehler und die Folgen von Lug und Betrug darf die Allgemeinheit nicht haftbar gemacht werden. Diese Lasten sind keine "gesamtgesellschaftlichen", sondern müssen von den Autokonzernen und ihren Eigentümern schon selbst übernommen werden.

Als säße ein Witzbold unterm Gesprächstisch

Es ist, als hätten die Chefs der Autokonzerne, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften einen Witzbold unter den Gesprächstisch im Kanzleramt gesetzt, der die Finanzbeziehungen zwischen Staat und Autobauern aufaddiert. Etwa drei Milliarden Euro Strafe mussten die Autounternehmen in den vergangenen Jahren wegen Abgasvergehen in Deutschland bezahlen. Rund 35 Milliarden Euro wurden in den USA fällig, Kartellstrafen der Europäischen Union stehen noch aus. Macht unter dem Strich so um die 40 Milliarden – genau so viel wie die Kohleindustrie – , flüstert der Witzbold und schlägt vor: Die holen wir uns wieder.

20 bis 40 Milliarden Euro Staatshilfe sollen es also schon werden, finden der Branchenverband und auch die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Für den Umbau der Industrie Richtung Elektromotor, die Kaufprogramme, für Ladeinfrastruktur, die Qualifizierung der Mitarbeiter werde Geld gebraucht, das die Branche allein nicht aufbringen könne. Genau erklären, wie diese Summe zustande kommt, kann allerdings niemand.

Forderungen nach Unterstützung werden nicht sinnvoll begründet

Nicht einmal die Begründung, warum die Autobranche eine Sonderregelung für das Kurzarbeitergeld braucht, ist einleuchtend: In Baden-Württemberg liegt die Arbeitslosigkeit immer noch bei deutlich unter fünf Prozent, die Arbeitnehmer der Autoindustrie und ihrer Zulieferer finden auch heute wahrscheinlich einfacher eine neue Stelle als Beschäftigte, die ihren Arbeitsplatz beispielsweise in Brandenburg oder im Odenwald verlieren. Würde der Staat mit dem gestern vorgeschlagenen zweijährigen Jumbo-Kurzarbeitergeld tatsächlich für einen erfolgreichen Strukturwandel sorgen? Oder würde er damit nicht vor allem verhindern, dass sich Arbeitnehmer neu orientieren?

Wahrscheinlich ist es Letzteres. Statt den Forderungen der Branche eilfertig zu entsprechen, wäre es klug, sie erst einmal zu prüfen und zu sortieren, wo die Klimapolitik und wo die Unternehmen selbst für die Probleme verantwortlich sind. Dasselbe gilt für die Entschädigung der Energieunternehmen, die bisher Kohle verstromten und nun umrüsten müssen: Was geht auf das Konto des Kohleausstiegs, und was passiert, weil die Emissionszertifikate endlich so teuer werden, dass sich das Verstromen besonders klimaschädlicher Rohstoffe nicht mehr lohnt?
Das wäre die echte "gesamtgesellschaftliche Aufgabe".


Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast "Tonspur Wissen".

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