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Bauwirtschaft-Krise | "Das schlägt erst in den kommenden Wochen voll durch"


"Das schlägt erst in den kommenden Wochen voll durch"

Von Mauritius Kloft

Aktualisiert am 26.06.2022Lesedauer: 4 Min.
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Bauarbeiter: Die Baubranche steht vor großen Herausforderungen.Vergrößern des Bildes
Bauarbeiter: Die Baubranche steht vor großen Herausforderungen. (Quelle: VioletaStoimenova/getty-images-bilder)

Die Bauwirtschaft leidet unter den Folgen der Pandemie und hohen Preisen aufgrund des Ukraine-Krieges. Ein Ende der Krise ist noch lange nicht in Sicht.

Gregor Marweld ist ein Profi auf seinem Gebiet, seit 30 Jahren ist er in der Bauwirtschaft aktiv. Man könnte meinen, so viel Erfahrung lässt ihn stets die Ruhe bewahren. Doch die aktuelle Lage in der Baubranche macht auch den Immobilienentwickler nervös.

Momentan finanziert und plant er mit einem Partner das C1, ein achtstöckiges Bürogebäude am Berliner Alexanderplatz für rund 200 Millionen Euro. Aber Lieferengpässe und gestiegene Preise setzen ihm derzeit stark zu. Trotzdem versucht der Unternehmer, Optimismus zu verbreiten.

"Der Markt steht bei Weitem nicht kurz vor einem Kollaps, sondern funktioniert weiterhin", sagte er t-online. Allein: Umstellen müssen sich Marweld und sein Team dennoch. Es gelte, "extreme Zwangssituationen" zu verhindern, also dass etwa Materialien am Bau eng werden.

Dafür müsste das Team Ausschreibungen um drei bis vier Monate vorziehen. Das bedeutet vor allem: Höhere Kosten in Kauf nehmen. "Denn Baufirmen geben angesichts der deutlichen Preissteigerungen oftmals nur noch kurze Preisbindungen, um auf die aktuelle Situation reagieren zu können", erläutert Marweld.

Ein Beispiel ist etwa Parkett. Hier seien die Preise nur für zwei bis vier Wochen fest, danach können die Kosten bereits wieder steigen. "Das ist echt schwierig, zumal wir ja insgesamt rund 10.000 Quadratmeter Parkett verlegen müssen."

Es bleibe nichts anderes übrig, "als das gestiegene Preisniveau zu akzeptieren", so Marweld. "Als großer Player haben wir hier auch andere finanzielle Möglichkeiten als private Bauherren. Herausfordernd sind die aktuellen Zeiten dennoch."

Mehrere Probleme fallen zusammen

Felix Pakleppa kennt die Schwierigkeiten in der Branche. Er ist Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB). "Die Bauwirtschaft arbeitet aktuell unter erschwerten Bedingungen", sagte er im Gespräch mit t-online. Denn: Es fallen gleich mehrere Probleme zusammen.

So spürten Baufirmen noch immer die Folgen der Pandemie. Der Hafen von Shanghai war wochenlang wegen eines Corona-Lockdowns dicht, China verfolgt eine strenge Zero-Covid-Politik. "Diese Verzögerung schlägt erst in den kommenden Monaten voll durch", erklärt Pakleppa.

Schon im vergangenen Jahr zogen die Preise aufgrund der Corona-Pandemie an. Nun aber kommen die Auswirkungen des Ukraine-Krieges hinzu. "Allein ein Drittel des deutschen Stahls kam bislang aus der Ukraine und Russland, das fällt nun aber weg. Daher müssen wir auf andere Länder umsteigen. Das treibt die Preise", so Pakleppa. Das hat spürbare Folgen: Der Preis für den wichtigen Werkstoff hat sich um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesteigert.

Bitumen, ein Produkt, das bei der Verarbeitung von Erdöl gewonnen wird, habe sich ebenfalls deutlich verteuert, um rund 60 Prozent. Bitumen benötigt man vor allem im Straßenbau, aber auch bei der Abdichtung von Dächern. "Dazu kommen die hohen Energiepreise, die Zement und andere Produkte, die wir in Deutschland produzieren, teurer machen", sagt Pakleppa. Er resümiert daher: Bauen werde zwar nicht im gleichen Maße teurer wie die Preise am Markt ansteigen – "doch der Kostendruck ist immens".

"Dunkle Wolken hängen am Himmel"

Tatsächlich haben sich die Aussichten für die Branche, die der Corona-Krise dank des Immobilienbooms noch getrotzt hatte, in den vergangenen Monaten eingetrübt. Im April, dem jüngsten Monat in der Statistik, sank der Umsatz preisbereinigt um 9,5 Prozent zum Vorjahresmonat.

Es dürfte eine Krise zu viel sein: Die deutsche Bauindustrie erwartet dieses Jahr preisbereinigt gar Umsatzrückgänge. Man sei von einer Rezession im Bau laut Pakleppa zwar noch weit entfernt, aber: "Dunkle Wolken hängen am Himmel", so der Verbandsfunktionär.

"Wir werden im Herbst und Winter eine Delle in der Baukonjunktur sehen. Doch wir sollten alles dafür tun, dass daraus kein Krater wird." Pakleppa fordert deswegen ein "positives Signal" vom Bund. So solle die Regierung die Baukonjunktur etwa "durch eine konsistente Förderpolitik für Neubau und energetische Sanierung" stützen. Im Frühjahr mussten dagegen mehrere Förderprogramme der KfW überraschend gestoppt werden, da die Mittel erschöpft waren.

Ab 2023 soll es dann ein komplett neues, langfristiges Programm geben, unter dem Titel "Klimafreundliches Bauen". Es soll dem Wirtschaftsministerium zufolge insbesondere die Treibhausgasemissionen der Gebäude noch stärker in den Fokus rücken. Wie das Programm im Detail aussieht, ist aber noch offen.

"Bauen geht nicht mehr kurzfristig"

Klar ist aktuell nur: Die Bauwirtschaft habe sich wegen des Krieges und der Pandemie dauerhaft verändert, meint Pakleppa. Er appelliert daher an die Branche: Bauvorhaben könnten immer noch realisiert werden, es brauche jedoch einen "Mentalitätswechsel".

Private Bauherren und Immobilienentwickler sollten sich darauf einstellen, "dass Bauen nicht mehr kurzfristig geht". "Sie können nicht mehr erwarten, dass sie heute bestellen und die Baumaterialien morgen da sind", so der ZDB-Geschäftsführer.

"Wir müssen lernen, zu planen und klug zu kalkulieren, wie in anderen Branchen schon jetzt der Fall ist. Auch in der Bauwirtschaft gibt es jetzt Wartezeiten." Marweld hat das Problem ebenfalls erkannt. "Die ganze Baulogistik ist durch eine längere Planung mehr gefordert als noch vor einigen Jahren", sagt er. Trotz allem soll sich die Eröffnung des Bürogebäudes C1 in Berlin nicht verzögern. Die Fertigstellung ist für Anfang 2024 geplant. Noch zumindest.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Gregor Marweld
  • Gespräch mit Felix Pakleppa
  • c1.berlin
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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