Kritik an Finanzämtern Verwirrung um falsche Angaben bei Grundsteuererklärungen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eigentümer werden derzeit offenbar aufgefordert, ihre Grundsteuererklärung erneut einzureichen. Was dahinter steckt und wie Betroffene vorgehen sollten.
Immobilienbesitzer quer durchs Land wundern sich in diesen Tagen über Post vom Finanzamt: Obwohl sie bereits eine Grundsteuererklärung abgegeben haben, finden sie im Briefkasten eine Mahnung. Grund dafür sind offenbar vertauschte Aktenzeichen – und der Unwille der Finanzverwaltung, das Problem schnell und unbürokratisch selbst zu lösen. So jedenfalls lautet der Vorwurf, den Philipp Caba erhebt, Rechtsanwalt mit Expertise im Grundsteuerrecht und Geschäftsführer des Grundsteuer-Management-Portals Lama.
Um das Problem zu verstehen, muss man wissen, dass Eigentümer mehrerer Grundstücke unterschiedliche Aktenzeichen für unterschiedliche Grundstücke von den Finanzämtern zugeteilt bekommen. "Die Zahlenfolgen sind ewig lang und unterscheiden sich oftmals nur durch wenige Ziffern. Das führt dazu, dass einige Steuerpflichtige ihre Aktenzeichen vertauschen", erklärt Caba. Die Finanzämter erhalten dann zwar vollständige und fristgerecht eingereichte Grundsteuererklärungen, aber eben unter falschem Aktenzeichen.
"Finanzverwaltung bürdet den Bürgern Mehrarbeit auf"
Die Kritik des Lama-Chefs richtet sich vor allem daran, wie die Steuerbeamten auf die abgegebenen Erklärungen reagieren. "Wenig Verständnis haben wir für den Zwang, den manche Ämter in Folge ausüben", sagt Caba. "Zahlreiche Eigentümer melden uns, dass die Finanzämter dann noch einmal eine komplett neue Erklärung einfordern, wenn nur das Aktenzeichen nicht stimmt, der Rest allerdings passt." Dabei drohten die Behörden auch mit erheblichen Verspätungszuschlägen und einer Schätzung des Grundsteuerwerts.
"Scheinbar ist es für sie einfacher, automatische Erinnerungsschreiben rauszuschicken und neue Erklärungen entgegenzunehmen, anstatt einfach das Aktenzeichen zu ändern. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Finanzverwaltung den Bürgern lieber Mehrarbeit aufbürdet", so der Grundsteuerexperte. Er hält das Problem zudem für vermeidbar – wenn das Online-Finanzamt Elster anders programmiert wäre.
Aktuell könne Elster nur prüfen, ob eingetragene Aktenzeichen dem Prüfalgorithmus der Verwaltung entsprechen, nicht jedoch, ob sie auch tatsächlich zum angegebenen Grundstück gehören. "Theoretisch könnte der Bürger sogar das Aktenzeichen seiner Einkommensteuererklärung eingeben und Elster würde es nicht bemängeln", sagt Caba. "Letztlich ist das Problem der vertauschten Aktenzeichen also hausgemacht."
Das sagt die Steuergewerkschaft
Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG), hält die Kritik für puren Populismus. "Es ist natürlich richtig, dass eine passgenaue Zuordnung zum Grundstück nur mithilfe des richtigen Aktenzeichens erfolgen kann", sagte er t-online. "Das ist so ähnlich wie bei einer Bestellung – mit richtiger Bestellnummer geht die Sache reibungslos. Wenn diese fehlt, fehlerhaft ist oder nur eine vage Beschreibung in der Bestellung enthalten ist, entsteht ein personeller Aufwand."
Der PC könne dann nicht korrekt zuordnen und die Grundsteuererklärungen müssten daher manuell überprüft werden. "Das kann bei der derzeitigen Überlastung der Finanzämter dauern", so Köbler. "Auf den meisten Erinnerungsschreiben wird übrigens genau auf diesen Sachverhalt hingewiesen."
Wie Betroffene vorgehen sollten
Doch was sollte man tun, wenn jetzt Post vom Finanzamt ins Haus flattert? "Prüfen Sie unbedingt, ob die Aktenzeichen Ihrer Erklärung und der Mahnung übereinstimmen. Falls nicht, teilen Sie dies den Beamten mit und fragen Sie, ob eine erneute Erklärung zum Aktenzeichen aus dem Erinnerungsschreiben wirklich notwendig ist", rät Lama-Chef Caba.
Sind die Aktenzeichen im Mahnschreiben und der Erklärung hingegen deckungsgleich, dürften manche Punkte in der Grundsteuererklärung tatsächlich unvollständig oder fehlerhaft sein. "Statt eine erneute Erklärung aufzusetzen, sollten Sie das Finanzamt dazu auffordern, diese Angaben in der bereits vorhandenen Erklärung einfach zu ergänzen oder zu korrigieren."
Außerdem könne es vorkommen, dass nebeneinanderliegende Flurstücke, die eigentlich als eine wirtschaftliche Einheit betrachtet werden müssten, unter unterschiedlichen Aktenzeichen geführt werden. "Weisen Sie das Finanzamt darauf hin und bitten Sie darum, die eingereichte Erklärung um gegebenenfalls 'fehlende' Flurstücke zu ergänzen", so Caba.
Neue Grundsteuer ab 2025
Die allgemeine Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärungen endete in den meisten Bundesländern Ende Januar, nur Bayern verlängerte bis Ende April. Hintergrund ist eine Reform der Grundsteuer, die ab 2025 noch berechnet werden soll. Das hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert, denn zuletzt kalkulierten die Finanzämter den Wert einer Immobilie auf Grundlage völlig veralteter Daten.
Für die Neuberechnung müssen fast 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden – dazu dienen die Grundsteuererklärungen. Für die Kommunen ist die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen.
- Eigene Recherche
- Mitteilung des Grundsteuer-Management-Portals Lama
- Schriftliche Anfrage an die Deutsche Steuergewerkschaft
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa