t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeGesundheit

Sarkoidose: Forscher entschlüsseln Robespierres Totenmaske


Ein rätselhafter Patient
Revolutionäre Diagnose

spiegel-online, Dennis Ballwieser

22.12.2013Lesedauer: 3 Min.
Für ihre Untersuchung betrachteten die Forscher eine 3D-Rekonstruktion von Robespierres Totenmaske.Vergrößern des BildesFür ihre Untersuchung betrachteten die Forscher eine 3D-Rekonstruktion von Robespierres Totenmaske. (Quelle: AFP-bilder)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Gelbe Haut, juckende Augen und offene Wunden plagen einen jungen Mann. Forensiker wollen aus der Totenmaske des Patienten die Diagnose rekonstruieren. Der berühmte Franzose starb vor mehr als 200 Jahren unter der Guillotine.

Der prominente Patient leidet unter Nasenbluten. Wenn er morgens aufwacht, ist sein Kissen mit frischem Blut verschmiert. Seine Hautfarbe hat einen Gelbstich, auch das Augenweiß wirkt bedenklich gelb. Ständig fühlt er sich müde, er kämpft mit wiederkehrenden offenen Wunden an den Beinen, das alles weist auf Schäden an der Leber hin. Dazu passt auch der Juckreiz an Augen und Mund. Im Gesicht trägt er die Narben einer überstandenen Pockeninfektion.

Im Alter von nur 36 Jahren stirbt der Mann, allerdings nicht an den Folgen einer Krankheit. Maximilien Marie Isidore de Robespierre wird am 28. Juli 1794 in Paris hingerichtet, gemeinsam mit zahlreichen Anhängern stirbt er unter der Guillotine; zuvor war er nach der Französischen Revolution für die Terrorherrschaft der Jakobiner verantwortlich.

Diagnose mit 220 Jahren Verspätung

Knapp 220 Jahre nach dem Tod des "Narziss der Revolution" untersuchen die Forensiker Philippe Charlier und Philippe Froesch die Frage, ob Robespierre möglicherweise der erste bekannte Fall einer seltenen Krankheit des Bindegewebes war. Im Fachmagazin "The Lancet" erörtern die beiden Franzosen, ob ihr berühmter Landsmann unter der sogenannten Sarkoidose litt, bei der sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet.

Bei der auch Morbus Boeck genannten Krankheit entstehen in verschiedenen Organen kleine Knoten. Je nach Befall und Ausmaß dieser Granulome leiden die Patienten an unterschiedlichen Beschwerden. Besonders häufig sind Lunge, Haut und Lymphknoten der Patienten betroffen, vermutlich gibt es einen genetischen Hintergrund der Krankheit. Bei vielen Patienten verschwinden die Symptome von selbst wieder, bei anderen nehmen sie schubweise oder chronisch zu. Da bis heute die Ursache nicht bekannt ist, behandeln Ärzte die Betroffenen mit Kortisonpräparaten, die das Immunsystem unterdrücken, um die Beschwerden zu lindern.

Digitale Rekonstruktion der Totenmaske

Die Hinweise auf Robespierre als möglichen Sarkoidose-Patienten leiten die französischen Wissenschaftler von der Totenmaske des Revolutionärs ab, die kurz nach seiner Enthauptung von Marie Tussaud angefertigt wurde. Zusätzlich wälzten sie historische Literatur zu Robespierres Gesundheitszustand. Von 1790 bis zu seinem Tod 1794 seien die beschriebenen Beschwerden immer stärker geworden, berichten Charlier und Froesch.

Aus den Berichten und der digitalen Rekonstruktion von Robespierres Gesicht schließen die Forensiker auf eine Sarkoidose, die sich über verschiedene Organe ausgebreitet hat, darunter Augen, Nase und Rachenraum, Leber und Bauchspeicheldrüse. Unbekannt sei, wie Robespierres persönlicher Arzt, Joseph Souberbielle, den Patienten behandelt habe. Es gebe allerdings Hinweise auf eine Früchtetherapie, da Robespierre sehr viele Orangen gegessen habe. Zudem gehen sie von Bädern und dem damals üblichen Aderlass aus.

Die Diagnose war 1794 unmöglich

Die französischen Forensiker geben zu, dass ihre heutige Diagnose nicht sicher ist. Zu den bekannten Symptomen des Patienten würden auch andere Krankheitsbilder passen - wenn auch nicht so gut wie die Sarkoidose. In Frage komme zum Beispiel eine Tuberkulose ohne den typischen Husten oder Fieber. Oder eine andere Immunkrankheit, bei der die Gefäße entzündet sind, die Wegener-Granulomatose. Lepra, eine Nebennierenerkrankung oder die Eisenspeicherkrankheit Hämochromatose wären denkbar. Angesichts der Hautbeschwerden schließen Charlier und Froesch auch eine Sklerodermie nicht aus, bei der die Haut und innere Organe verhärten.

Tatsächlich hätte Robespierres Arzt Souberbielle die Diagnose Sarkoidose Ende des 18. Jahrhunderts nicht stellen können, denn das Krankheitsbild wurde erst 1877 erstmals vom britischen Arzt Jonathan Hutchinson beschrieben.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website