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Verfassungsgericht: Fixierungen von Psychatriepatienten brauchen Genehmigung


Gerichtsentscheidung
Fixierungen von Psychiatriepatienten brauchen richterliche Genehmigung

dpa, afp, Sönke Möhl

Aktualisiert am 24.07.2018Lesedauer: 3 Min.
Eine mit einem Textilband festgebundene Hand eines Patienten: Die Fixierung beziehungsweise Fixation eines Patienten in der Krankenpflege durch Festschnallen am Handgelenk ist umstritten.Vergrößern des BildesEine mit einem Textilband festgebundene Hand eines Patienten: Die Fixierung beziehungsweise Fixation eines Patienten in der Krankenpflege durch Festschnallen am Handgelenk ist umstritten. (Quelle: Hans-Jürgen Wiedl/dpa-bilder)
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Wenn ein Patient mit Gurten am Bett gefesselt wird, ist das ein schwerer Eingriff in seine Rechte. Wer darf das anordnen und in welchen Situationen? Das Bundesverfassungsgericht hat über Beschwerden von zwei Betroffenen geurteilt.

Fixierungen von Psychiatriepatienten müssen künftig von Richtern genehmigt werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe entschieden. Bisherige gesetzliche Regelungen in Bayern und Baden-Württemberg, die keinen Richtervorbehalt für Fixierungen vorsehen, müssen dem Urteil zufolge binnen einem Jahr geändert werden. Dafür soll jedes Bundesland künftig auch eine Richterbereitschaft gewährleisten.

Fragen und Antworten zu dem Gerichtsentscheid finden Sie hier:

Wer sind die Beschwerdeführer?

Zwei Männer aus Bayern und Baden-Württemberg wehrten sich vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Art der Behandlung. Ein Betroffener wurde in München acht Stunden lang an Füßen, Händen, Bauch, Brust und Kopf so am Bett fixiert, dass er nicht einmal mehr den Kopf bewegen konnte. Er war stark betrunken. In Baden-Württemberg hatte ein Mann in der Psychiatrie mit Gegenständen geworfen. Deswegen wurde er über mehrere Tage zeitweise festgebunden.

Gibt es Zahlen?

Kaum. Eine Verfassungsrichterin gab an, in Baden-Württemberg seien es 2016 rund 17.600 einzelne Fälle von Fixierungen bei 5.300 Patienten gewesen. Auch in klinischen Bereichen außerhalb der Psychiatrie spielen Fixierungen eine Rolle, etwa wenn Patienten nach Operationen verwirrt sind. Viele Betroffene empfänden den Verlust ihrer Bewegungsfreiheit als erniedrigend, berichteten Experten.

Wie war die Rechtslage vor dem Entscheid?

Für die Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie ist ein richterlicher Beschluss erforderlich. Für die anschließenden Fixierungen reichte vor dem Gerichtsentscheid in den meisten Bundesländern die Anordnung eines Arztes. In einigen Ländern gab es aber bereits den sogenannten Richtervorbehalt. Dort müssen die Maßnahmen innerhalb kurzer Zeit von einem Richter geprüft werden.

Die Beschwerdeführer stützten sich auf die Artikel 2 und 104 des Grundgesetzes zur Freiheit der Person. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, sprach in der mündlichen Verhandlung von der staatlichen Freiheitsentziehung als die schwerste Form der Freiheitsbeschränkung. Sie sei nur in besonderen Fällen verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Welche Alternativen zur Fixierung gibt es?

Pfleger und Ärzte setzen in kritischen Situationen mit Patienten zunächst auf Deeskalation. Experten aus der psychiatrischen Praxis berichteten bei der mündlichen Verhandlung, dass nur als letztes Mittel zur Fixierung gegriffen werde, wenn Patienten sich oder andere gefährden und nicht anders zu beruhigen sind. Wie andere Länder mit solchen Fällen umgehen – körperliches Festhalten in Großbritannien, Isolierung in den Niederlanden oder Zwangsmedikation – wurde unterschiedlich beurteilt. Einig sind sich Fachleute, dass mehr Personal das Problem verkleinern könnte.

Welche Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht getroffen?

Die Karlsruher Richter haben einen Richtervorbehalt verlangt. Patienten in der Psychiatrie dürfen somit für längere Zeit nur nach einer richterlichen Entscheidung ans Bett gefesselt werden. Wird eine Fixierung in der Nacht vorgenommen, muss eine richterliche Entscheidung am nächsten Morgen eingeholt werden.

Die Fixierung eines Patienten sei ein Eingriff in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person nach Artikel 104 des Grundgesetzes, sagte der Vorsitzende des Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle. Sie sei nur als letztes Mittel zulässig. Über die Unterbringung von Patienten in der geschlossenen Psychiatrie entscheidet in Deutschland ein Richter. Der Zweite Senat gibt den Ländern Bayern und Baden-Württemberg bis zum 30. Juni 2019 Zeit, verfassungsgemäße Rechtsgrundlagen zu schaffen. (Az. 2 BvR 309/15 u.a.)

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • dpa, AFP
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