Warnung an Deutschland Putin äußert sich erstmals öffentlich zu Merz

Wladimir Putin spricht vor internationalen Journalisten über die Weltlage. Auch ein privates Detail gibt er bekannt.
Wie jedes Jahr beim St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum (SPIEF) hat sich Russlands Präsident Wladimir Putin mit Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen getroffen. Auch bei dieser Fragerunde – nach Angaben der staatlichen Agentur Tass war es die neunte dieser Art – äußerte er sich wieder zu einer Vielzahl von Themen.
So erklärte Putin sich zu einem Gespräch mit Kanzler Friedrich Merz (CDU) bereit – wenn dieser den Kontakt zu ihm suchen sollte. "Wir sind immer dafür offen", antwortete Putin in St. Petersburg auf eine Frage der Nachrichtenagentur dpa.
Gleichzeitig warnte der Kremlchef vor einem "sehr schweren Schaden" für die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland, falls die Bundesregierung den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine liefern sollte. "Nur deutsche Offiziere können den Taurus lenken. Was heißt das? Dass Soldaten der Bundeswehr mit deutschen Waffen Schläge gegen Territorium Russlands führen." Allerdings zählt der Taurus auch in den Armeen Schwedens und Spaniens zum Arsenal, ohne dass deutsche Soldaten beteiligt wären.
Putins erste Äußerung zu Merz
Putin äußerte sich erstmals öffentlich über Merz, seit dieser im Mai zum Kanzler gewählt worden ist. Merz hatte seit seinem Amtsantritt bisher keinen Kontakt zu Putin, forderte den Kremlchef aber wiederholt in Reden und auch bei einem Besuch in Kiew zu einer Waffenruhe im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf – ohne Erfolg. Dem CDU-Vorsitzenden wird in Moskau vorgehalten, er sei auf Konfrontation mit Russland aus. Die deutsch-russischen Beziehungen sind auf einem Tiefpunkt.
Putin wollte auch nichts von Deutschland als Vermittler im Ukraine-Krieg wissen. Aus russischer Sicht sei die Bundesrepublik nicht neutral. Deutschland stehe auf der Seite der Ukraine, liefere Panzer und sei so an den Kampfhandlungen beteiligt, argumentierte Putin. "Nicht nur in der Ukraine, auch in Kursk – auf russischem Gebiet – war deutsche Technik im Einsatz."
Ukraine: Bedingungen für Treffen mit Selenskyj
Erneut stellte Putin Bedingungen für ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die für Kiew nicht zu erfüllen sind. "Ich bin bereit, mich mit allen zu treffen – einschließlich Selenskyj", sagte der Kremlchef. Die Frage für Russland sei, wer eine Friedensvereinbarung unterschreibe – womit er zu verstehen gab, dass Selenskyj abgesetzt werden müsse.
Putin zog zum wiederholten Male in Zweifel, dass der ukrainische Präsident dazu berechtigt sei, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen, weil seine fünfjährige Amtszeit 2024 abgelaufen sei. Die ukrainische Führung hat klargestellt, dass wegen des Kriegsrechts keine Wahlen abgehalten werden dürfen und Selenskyj weiter alle Machtbefugnisse hat. Umgekehrt wird Putin vorgeworfen, die politische Opposition im Lande mithilfe seines autoritären Machtapparats mundtot gemacht zu haben.
Nächste Gesprächsrunde nach dem 22. Juni
Die in diesem Jahr zweimal in Istanbul unter Vermittlung der türkischen Regierung geführten Gespräche sollten nach dem 22. Juni fortgesetzt werden, kündigte Putin an. In humanitären Fragen hätten die Treffen Ergebnisse gebracht, darunter den Austausch von Gefangenen und toten Soldaten.
Gereizt reagierte der Kremlchef auf die Frage, wie seine Führung die israelischen Luftangriffe auf iranische Städte verurteilen könne, während Russlands Militär selbst viele Menschen bei Luftangriffen auf die Ukraine töte. "Wenn ihre Journalisten gesehen hätten, wie unsere Raketen angeblich ganze Wohnviertel zerstören, hätten sie kaum davon erzählen können. Sie hätten es nicht überlebt." Russland greife nur militärische Ziele und Rüstungsfabriken an, behauptete Putin.
Demgegenüber stehen die verheerenden Schäden an der zivilen Infrastruktur in der Ukraine und die hohe Zahl getöteter Zivilisten in bald dreieinhalb Kriegsjahren. Erst in der Nacht auf Dienstag wurden wieder mindestens 28 Zivilisten bei einem russischen Luftangriff auf Kiew getötet, darunter allein 23 Bewohner und Bewohnerinnen eines Hochhauses.
Putin überrascht Presse mit einem privaten Detail
Der russische Präsident erwähnte erstmals, dass er eine Enkelin hat. "Als ich darüber sprach, dass einige mir nahestehende Menschen, Verwandte, Chinesisch lernen, sprach ich von meiner Enkelin, die eine Erzieherin aus Peking hat und mit ihr fließend auf Chinesisch spricht", erzählte er. Mehr dazu lesen Sie hier.
Putin zur Nato: Aufrüstung stellt keine Bedrohung dar
Angesichts eines Nato-Vorstoßes zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben betonte er die Stärke der russischen Streitkräfte: "Wir betrachten jegliche Aufrüstung der Nato nicht als Bedrohung für die Russische Föderation, da wir unsere eigene Sicherheit gewährleisten können", sagte Putin. Das Militärbündnis Nato hatte seine Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen, die Verteidigungsausgaben, wie von US-Präsident Donald Trump gefordert, auf fünf Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen.
Zwar räumte der Kremlchef ein, dass eine Aufrüstung der Nato-Staaten Russland vor "spezifische" Herausforderungen stellen würde. Putin erklärte jedoch, dass die russischen "Streitkräfte und Verteidigungsfähigkeiten ständig modernisiert" würden. Es bestehe kein Zweifel daran, dass Russland allen Bedrohungslagen begegnen könne.

Putin sieht noch Chance für Lösung im Israel-Iran-Krieg
Im Krieg zwischen Iran und Israel hofft der russische Präsident nach eigenen Angaben noch auf eine friedliche Lösung. "Man muss natürlich sehr vorsichtig sein, aber meiner Meinung nach kann eine Lösung gefunden werden", sagte Putin bei dem Gespräch.
Zugleich behauptete Putin, die israelischen Luftangriffe auf den Iran würden dafür sorgen, dass der Rückhalt der Führung in Teheran in der iranischen Bevölkerung wachse. Es gebe eine "Konsolidierung der Gesellschaft um die politische Führung des Landes", so der russische Präsident. Vereinzelt kommt es nach dpa-Informationen allerdings zu Protestaufrufen gegen die Regierung. Die Bewohner größerer Wohnblöcke gehen nach israelischen Bombardements oft auf die Dächer, um zu sehen, wo sich die Einschläge ereigneten. Dann erschallen immer wieder Rufe wie "Marg bar Chamenei" (Tod für Chamenei). Beim Eintreffen von Sicherheitskräften ziehen sich die Menschen schnell nach solchen "Dachprotesten" in ihre Wohnungen zurück.
Die Fragerunde mit den Nachrichtenagenturen am ersten Tag des Wirtschaftsforums ging dieses Mal im sanierten Konservatorium von Sankt Petersburg über die Bühne. Russland nutzt das Forum, um sich der Welt zu präsentieren und der vom Westen angestrebten internationalen Isolation zu trotzen. Bis Samstag werden 20.000 Teilnehmer aus 140 Ländern erwartet.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP