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Corona-Lage im europäischen Vergleich: Deutschland ist der Sorgenfall


Lage im europäischen Vergleich
Wo die Corona-Not am größten ist

Von Patrick Diekmann

16.12.2020Lesedauer: 6 Min.
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Kiel: Jasmin Fritz, Inhaberin eines Antiquariats, schließt ihr Geschäft bis vorerst zum 10. Januar 2021. Deutschland fährt das öffentliche Leben mit einem Lockdown ab Mittwoch, den 16. Dezember, herunter.Vergrößern des Bildes
Kiel: Jasmin Fritz, Inhaberin eines Antiquariats, schließt ihr Geschäft bis vorerst zum 10. Januar 2021. Deutschland fährt das öffentliche Leben mit einem Lockdown ab Mittwoch, den 16. Dezember, herunter. (Quelle: dpa-bilder)

Der Corona-Winter hat Europa fest im Griff. Viele Länder haben Lockerungen zu Weihnachten angekündigt, aber es wächst die Sorge, dass das die Lage noch verschlimmert. Eine europäische Bestandsaufnahme.

Die Menschen in Deutschland konnten im Herbst lange Zeit dabei zusehen, wie sich die zweite Welle der Corona-Pandemie in den deutschen Nachbarländern ausbreitete. Zunächst blieb die Bundesrepublik von einem rasanten Zuwachs der Neuinfektionen verschont. Deshalb wuchs die Hoffnung in der Regierung und auch unter einigen Virologen, dass man eine zweite Welle durch den Appell an die Eigenverantwortung der Menschen verhindern könnte.

Spätestens seit November ist klar: Die Hoffnung war falsch, die zweite Welle der Pandemie kam nur zeitverzögert. Wie viele der europäischen Nachbarn muss auch Deutschland in den "harten Lockdown" und mittlerweile blickt der Rest von Europa mit Sorge auf das bevölkerungsreichste Land im Herzen des Kontinents.

Aber ist Deutschland tatsächlich zum Sorgenkind Europas geworden? Wie ist die Corona-Lage im Vergleich zu anderen Ländern auf dem Kontinent? Ein Vergleich:

Quellen: Die Zahl der akuten Corona-Infektionen, die Infektionen in den letzten sieben Tagen und die Gesamtzahl der Todesopfer basieren jeweils auf Berechnungen der Johns Hopkins University. Die Corona-Fälle pro 100.000 Einwohner und die Todesopfer pro 100.000 Einwohner wurden Eurostat entnommen. Die Auskunft über die Intensivbehandlungen pro 100.000 Einwohner wurden von der Technischen Universität berechnet. Stand aller Angaben ist der 15. Dezember 2020.

Deutschland

Deutschland startet mit durchgehend auf hohem Niveau liegenden Corona-Zahlen in den verschärften Lockdown. Die Gesamtzahl der akuten Infektionen liegt bei 360.000, es gab bislang insgesamt über 1.600 Fälle je 100.000 Einwohner. Besonders besorgniserregend: In den letzten sieben Tagen kamen knapp 150.000 Covid-19-Erkrankungen dazu.

Insgesamt starben in der Bundesrepublik über 23.000 Menschen an oder mit dem Virus, das sind 26 Todesopfer pro 100.000 Einwohner. Die Auslastung der Intensivbetten pro 100.000 Einwohner steigt rasant an, liegt nun auf dem zweithöchsten Stand im europäischen Vergleich.

Welche Maßnahmen gibt es?

Am Mittwoch geht das Land in den "harten Lockdown", das gesellschaftliche Leben ist weitgehend heruntergefahren. Der Einzelhandel, Schulen, die Gastronomie und der kulturelle Bereich sind geschlossen, nur noch zwei Haushalte dürfen sich treffen. In einigen Hotspots wie Bayern oder Sachsen gibt es Ausgangssperren. An Weihnachten werden die Kontaktbeschränkungen etwas gelockert, an Silvester gilt ein Versammlungsverbot.

Frankreich

Die Franzosen wurden über einen Monat früher als Deutschland von der zweiten Corona-Welle getroffen. Das wird durch die Infektionszahlen deutlich: Frankreich meldet momentan 2,2 Millionen akute Corona-Infektionen, insgesamt gab es bislang knapp 3.500 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. In den letzten sieben Tagen verzeichnete das Land knapp 82.000 Neuinfektionen, deutlich weniger als in Deutschland.

In Frankreich sind bisher knapp 60.000 Menschen mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben, das sind 86 pro 100.000 Einwohner – deutlich mehr als in der Bundesrepublik. Die Auslastung der Intensivbetten ging seit Mitte November wieder zurück, die Lage entspannte sich etwas,

Welche Maßnahmen gibt es?

In Frankreich sind die strengen Ausgangsbeschränkungen ein weiteres Stück gelockert worden. Seit Dienstag können sich die Menschen im Land tagsüber wieder ohne Formulare und Einschränkungen draußen bewegen. Neu ist allerdings eine Art abendlicher Ausgangssperre. Die Menschen dürfen zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens nur mit triftigem Grund auf die Straße.

Die Lockerungen sind weniger weitgehend als zunächst angekündigt. Eigentlich sollten auch Kinos, Theater oder Museen wieder öffnen. Da die Zahl der Neuinfektionen aber nicht so stark gesunken ist wie erhofft, ist dies nun erst einmal verschoben worden. Eventuell öffnen sie ab dem 7. Januar, Restaurants wurde – abhängig von der Entwicklung an Weihnachten – eine Öffnung am 20. Januar in Aussicht gestellt. Macron hatte Frankreich Ende Oktober in einen strengen Lockdown geschickt, erst Ende November durfte der Einzelhandel wieder öffnen.

Großbritannien

Auf der Insel ist die Corona-Lage ähnlich wie in Frankreich, aber die Zahl der Neuerkrankungen ist deutlich höher. Momentan meldet Großbritannien über 1,8 Millionen akute Infektionen, in den letzten sieben Tagen gab es über 137.000 Neuinfektionen. Insgesamt wurden im Land 2.775 Covid-19-Fälle pro 100.000 Einwohner gemeldet.

Bislang verzeichnet Großbritannien – knapp hinter Italien – mit über 65.000 Todesopfern die zweihöchste Todesrate im europäischen Vergleich. Das sind 96 Todesfälle pro 100.000 Einwohner. Ein Lichtblick: Die Intensivbehandlungen in Krankenhäusern ist seit Ende November gesunken.

Welche Maßnahmen gibt es?

Großbritannien ist das erste Land in Westeuropa, in dem schon geimpft wird – der Start der Massenimpfungen macht den Menschen auf der Insel Hoffnung. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte Ende Oktober einen Teil-Lockdown angekündigt. Schulen und Universitäten blieben geöffnet, alle anderen Orte – etwa Kultureinrichtungen, Sportzentren, nicht-lebensnotwendige Geschäfte sowie Restaurants und Pubs – mussten bis zum 2. Dezember schließen.

Doch die Rückkehr zur Normalität kam danach nicht und ist auch nicht in Aussicht. Anstelle des flächendeckenden Lockdowns trat ein dreistufiges System mit verschärften regionalen Einschränkungen. Nur für ein Prozent aller Engländer sind momentan die liberalsten Regeln der ersten Stufe gültig, der Rest der Bevölkerung sieht sich nach dem Lockdown mit strengeren Einschränkungen konfrontiert als zuvor. Auf Stufe 3 bleiben Pubs geschlossen und Restaurants dürfen nur Gerichte zur Mitnahme zubereiten. Auf Stufe 2, unter die London fällt, dürfen Pubs und Restaurants unter strengen Vorschriften öffnen, aber nur Alkohol ausschenken, wenn sie dazu eine substanzielle Mahlzeit servieren.

In Schottland und Wales gelten regionale, strenge Maßnahmen.

Italien

Ähnlich wie in Deutschland kam die zweite Welle etwas verspätet nach Italien, aber die aktuellen Entwicklungen wecken böse Erinnerungen an die Geschehnisse im Frühjahr – in der Zeit war das Land lange Zeit der Hotspot in Europa. Momentan meldet Italien über 663.000 akute Infektionen, in den letzten sieben Tagen gab es allein 119.000 Neuinfektionen. Auf die Gesamtzahl der Fälle gerechnet gab es im Land bislang über 3.050 Fälle pro 100.000 Einwohner.

Italien ist mit knapp 66.000 das Land mit den meisten Corona-Todesopfern in Europa – das sind 107 pro 100.000 Einwohner. Die Lage der Intensivbettenauslastung in den Krankenhäusern ging zwar Anfang Dezember etwas zurück, in Italien gibt es aber die drittmeisten Intensivbehandlungen pro 100.000 Einwohner in Europa.

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Welche Maßnahmen gibt es?

Italien plant Ministerpräsident Giuseppe Conte zufolge strengere Corona-Regeln für Weihnachten – im Gegensatz zu Deutschland. "Wir haben schon einen Plan vorbereitet, der sich speziell an die Weihnachtsfeierlichkeiten richtet", sagte der Regierungschef am Dienstag. Jetzt seien weitere restriktive Maßnahmen notwendig. Eine dritte Welle müsse um jeden Preis verhindert werden, weil sie verheerend sein könnte, auch in Bezug auf den Verlust von Menschenleben, erklärte der parteilose Anwalt weiter.

Anfang Dezember hatte die Regierung in Rom für das Land mit rund 60 Millionen Einwohnern bereits schärfere Regeln für die Zeit um Weihnachten und Neujahr vereinbart – wie zum Beispiel eine verlängerte Ausgangssperre für die Nacht von Silvester zu Neujahr. Die Regeln sollen vom 21. Dezember an bis 6. Januar gelten. Auch das Reisen innerhalb Italiens wurde stark reglementiert. Die Regierung will die Bewegung von Menschen weitgehend unterbinden. Die Möglichkeiten reichen von Restriktionen, die etwa für die orangefarbenen oder roten Zonen gelten. Darunter fallen strenge Ausgangsbeschränkungen und geschlossene Bars und Restaurants.

Tschechien

Besonders hart wurde Tschechien von der zweiten Welle getroffen. Im Land leben zwar nur 10,7 Millionen Menschen, aber aktuell gibt es knapp 65.000 akute Corona-Infektionen, allein über 35.000 sind davon Neuinfektionen in den letzten sieben Tagen. Insgesamt hatte das Land insgesamt bislang über 5.400 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner – trauriger Rekord in diesem Europa-Vergleich.

Die Tschechische Republik verzeichnete bisher über 9.700 Menschen, die mit dem Coronavirus verstorben sind – 90 Todesopfer pro 100.000 Einwohner. Daten über Intensivbehandlungen in Krankenhäusern liegen nicht vor.

Welche Maßnahmen gibt es?

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš will den wegen der Corona-Pandemie geltenden nationalen Notstand abermals verlängern. Er rechne mit einer Abstimmung im Parlament am 22. Dezember, sagte der Gründer der populistischen Partei ANO am Dienstag. Einen Tag später würde nach derzeitigem Stand der Ausnahmezustand auslaufen. Er ermöglicht es der Regierung in Prag unter anderem, Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit auszusetzen.

In Tschechien gelten von Freitag an wieder verschärfte Corona-Regeln. Hotels und Gaststätten müssen nach nur zweiwöchigem Betrieb erneut schließen. Eine nächtliche Ausgangsbeschränkung zwischen 23 Uhr und 5 Uhr morgens kehrt zurück. Die Schulen gehen in vorgezogene und verlängerte Weihnachtsferien. Der Einzelhandel soll indes unter strengen Hygieneauflagen geöffnet bleiben.

Ähnliche Entwicklungen wie in Frankreich oder Großbritannien sind auch in Spanien, Österreich oder Schweden zu beobachten. Die Zahl der gesamten Infektionen pendelt sich momentan in vielen Ländern zwischen 3.000 und 3.800 Fällen pro 100.000 Einwohnern ein.

Droht Deutschland der Dauer-Lockdown?

Deutschland ist in dem Vergleich noch deutlich unter diesem Wert. Das kann auch damit zusammenhängen, dass sich die zweite Welle später im Land ausbreitete. Jedoch zeigt der europäische Vergleich, dass die Pandemie in den Ländern Europas oft einen ähnlichen Verlauf nimmt. Bislang haben die Staaten durch strenge Maßnahmen die Ausbreitung des Virus stabilisieren können, die Zahl der Neuinfektionen geht trotzdem nur sehr langsam zurück, sodass sich die Dauer der Lockdowns in die Länge zieht. Deutschland könnte einen ähnlichen Weg gehen wie seine europäischen Nachbarn, aufgrund der meisten Neuinfektionen in den letzten sieben Tagen ist die Bundesrepublik momentan ein Sorgenfall.

Letztlich gibt es aber auch Hoffnung: Die Zulassung des Impfstoffes ist in der Europäischen Union noch vor Weihnachten geplant. Letztlich könnten strenge Maßnahmen in diesem Winter wohl die Welle brechen, aber um die Welle dauerhaft zu brechen, braucht es vor allem Eines: eine flächendeckende Immunität.

Verwendete Quellen
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