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Kritik an Belarus nach Zwangslandung: "Es ist schlicht Terrorismus"


Reaktionen auf erzwungene Landung
"Es ist schlicht Terrorismus"

Von dpa, afp, t-online
Aktualisiert am 24.05.2021Lesedauer: 5 Min.
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Minsk: Die Behörden in Belarus hatten am Pfingstsonntag ein Ryanair-Flugzeug auf dem Weg von Griechenland nach Litauen zur Landung gedrängt. (Quelle: reuters)
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Nach der erzwungenen Landung eines Flugzeugs in Belarus üben zahlreiche Regierungschefs und weitere Politiker massive Kritik an dem Vorfall. Der EU-Gipfel berät am Montag über Sanktionen.

Die Entscheidung des Präsidenten von Belarus, ein Flugzeug der Ryanair umzuleiten und einen darin befindlichen Oppositionellen festzunehmen, ist auf weltweite Empörung gestoßen.

Die USA haben das Abfangen der Passagiermaschine und die Festnahme eines mitreisenden Exil-Oppositionellen "aufs Schärfste" verurteilt. Diese "schockierende Handlung" der Regierung des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko habe das Leben von mehr als 120 Passagieren gefährdet, "darunter auch US-Bürger", erklärte US-Außenminister Antony Blinken am Sonntag (Ortszeit). In Hinblick auf den festgenommenen Oppositionellen Roman Protasevich sagte Blinken: "Wir fordern seine sofortige Freilassung".

"Erste Berichte, die auf eine Beteiligung der belarussischen Sicherheitsdienste und den Einsatz belarussischer Militärflugzeuge" hindeuten, seien "zutiefst besorgniserregend", fügte Blinken hinzu und forderte eine vollständige Untersuchung der Ereignisse.

Kampfjet geleitete die Boeing nach Minsk

Die Ryanair-Maschine hatte sich am Sonntag auf einem Flug von Athen nach Vilnius befunden, als sie von einem belarussischen Kampfjet zur Notlandung gezwungen wurde. Am Flughafen von Minsk wurde dann der Regierungskritiker und ehemalige Chefredakteur des Oppositionskanals Nexta, Protasevich, festgenommen, wie Nexta berichtete. Das staatliche Fernsehen bestätigte die Festnahme. Als Grund für den Eingriff in den Luftverkehr wurde von Seiten des Belarus-Präsidenten Alexander Lukaschenko eine angebliche Bombe an Bord genannt.

Frankreich hat als Reaktion den belarussischen Botschafter ins Außenministerium einbestellt. Das berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP am Sonntagabend unter Berufung auf das Pariser Außenamt. An Bord des Flugzeugs hätten sich auch französische Staatsbürger befunden – eine Zahl wurde nicht genannt.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sprach von einem "Akt des Staatsterrorismus", Litauens Präsident Gitanas Nauseda von einer "abscheulichen Aktion" der Regierung Lukaschenko. Die Regierung Irlands, wo Ryanair seinen Firmensitz hat, erklärte, der Vorfall sei "absolut inakzeptabel".

Maas: "Gravierender Eingriff in den zivilen Luftverkehr"

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) verurteile die von Belarus erzwungene Landung ebenso mit scharfen Worten und verlangte die Freilassung von Roman Protasevich. "Dass ein Flug zwischen zwei EU-Staaten unter dem Vorwand einer Bombendrohung zur Zwischenlandung gezwungen wurde, ist ein gravierender Eingriff in den zivilen Luftverkehr in Europa", erklärte Maas am Sonntagabend im Kurzbotschaftendienst Twitter.

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CDU-Vorsitzender Armin Laschet schrieb auf Twitter: "Wenn Belarus die Freiheit der zivilen Luftfahrt bei einem Flug zwischen zwei Mitgliedsstaaten der Europäische Union bedroht, muss sich der Europäische Rat mit Konsequenzen befassen." Der verhaftete Oppositionelle Roman Protasevich sei unverzüglich freizulassen.

"Erzwungene Landung kommt Entführung gleich"

Die FDP forderte, der staatlichen belarussischen Fluggesellschaft Belavia die Landerechte in der Europäischen Union zu entziehen. Machthaber Alexander Lukaschenko habe sich einer Entführung schuldig gemacht. "Mit der Entführung einer Passagiermaschine, die zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten unterwegs war, hat Lukaschenko eine rote Linie überschritten", sagte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff dem RND. "Er muss ab sofort als Krimineller behandelt werden."

Auch die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock sprach auf Twitter von einer Entführung: "Die erzwungene Landung kommt einer staatlichen Entführung eines Passagierflugzeuges gleich, um einen Regimekritiker festzunehmen. Wir fordern die sofortige Freilassung von Protasevich. Er muss umgehend und sicher ausreisen können. Genau wie die anderen politischen Gefangenen."

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow schrieb auf Twitter: "Einen Notfall zu konstruieren ist letztlich nur Kosmetik um ein Flugzeug zu entführen. Es ist schlicht Terrorismus!" Flugzeuge aus Belarus sollten Überflug- oder Landerechte in der EU entzogen bekommen und entsprechende Anklagen erhoben werden, schloss der Linke-Regierungschef als Forderung an.

Litauen arbeitet an gemeinsamer Antwort des Westens

Litauen setzt jetzt auf eine gemeinsame Antwort des Westens. Außenminister Gabrielius Landsbergis erklärte am Sonntagabend, er habe mit dem stellvertretenden US-Außenminister Philip Reeker über den Vorfall gesprochen. Es sei darüber diskutiert worden, "dass das beispiellose Ereignis eine starke transatlantische Reaktion finden muss".

Die litauische Staatsanwaltschaft leitete noch am Sonntag eine strafrechtliche Untersuchung der Vorgänge ein. Dabei gehe es unter anderem um die mögliche Entführung eines Flugzeugs zu terroristischen Zwecken und den Verstoß gegen internationale Verträge, teilten die Behörden mit. Litauens Regierungschefin Ingrida Simonyte erklärte, mehrere Personen, die am Sonntagabend mit dem Flugzeug im litauischen Vilnius landeten, seien unmittelbar um eine Aussage gebeten worden.

Litauens Präsident Gitanas Nauseda forderte wiederum die sofortige Freilassung des Aktivisten Protasevich. "Das ist ein nie dagewesener Vorfall (...). Das Regime von Belarus steht hinter dieser abscheulichen Aktion", schrieb er auf Twitter.

Von der Leyen spricht von "Entführung"

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach ebenfalls von einer "Entführung". "Die Verantwortlichen der Ryanair-Entführung müssen sanktioniert werden", twitterte von der Leyen am Sonntagabend. Sie forderte zudem die sofortige Freilassung des Bloggers und Journalisten Roman Protasevich und erklärte, die EU-Staats- und Regierungschefs würden am Montag über das weitere Vorgehen beraten.

Die EU verlangte eine internationale Untersuchung der Vorkommnisse. Diese Forderung erhob der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in einer am Montag veröffentlichten Erklärung. Es müsse festgestellt werden, ob der Vorfall eine Verletzung internationaler Luftverkehrsbestimmungen darstelle. Borrell warf den belarussischen Behörden vor, mit ihrem Vorgehen die Sicherheit von Passagieren und Besatzung gefährdet zu haben.

Die Nachrichtenagentur RIA meldete, das belarussische Verkehrsministerium habe eine Kommission zusammengestellt, die den Vorfall untersuchen solle. Ergebnisse sollten bald veröffentlicht werden.

Auch Nato kritisiert Lukaschenkos Eingriff

Zuvor hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg eine internationale Untersuchung der Flugzeugumleitung durch die belarussischen Behörden gefordert. Er verfolge die Zwangslandung des Fluges und die berichtete Festnahme des Oppositionellen Roman Protasevich, schrieb der Norweger am Sonntagabend auf Twitter. "Das ist ein schwerwiegender und gefährlicher Vorfall, der internationale Untersuchungen erfordert." Belarus müsse die sichere Rückkehr der Crew und aller Passagiere sicherstellen.

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Kritik an Ryanair

Die Flugverkehrsseite Flightradar24.com hatte widerlegt, dass die Maschine zum nächstgelegenen Flughafen geflogen sei. Minsk sei zum Zeitpunkt der Umleitung 183 Kilometer entfernt gewesen, Vilnius hingegen nur 83 Kilometer.

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So geriet auch die Fluglinie Ryanair in die Kritik. Sie hatte einen eher neutralen Tweet abgesetzt: "Unser FR4978 Flug ist sicher in Vilnius im 19.25 Uhr UK Zeit gelandet." In einer ebenfalls veröffentlichten Erklärung schrieb das Unternehmen: „Die Besatzung auf einem Ryanair-Flug von Athen nach Vilnius wurde heute (23. Mai) von Belarus ATC über eine potenzielle Sicherheitsbedrohung an Bord und wurden angewiesen, zum nächstgelegenen Flughafen, Minsk, umzuleiten." Auf die politischen Umstände und den zunächst an Bord befindlichen Blogger wurde nicht eingegangen.

Tadeusz Giczan, der Chefredakteur von NextaTV, das von Protasevich mitbegründet wurde, erhebt Vorwürfe gegen den belarussischen Geheimdienst KGB. Nach seinen Informationen seien bereits in Athen Agenten zugestiegen. "Als die Maschine den Luftraum von Belarus erreichte, gab es einen Streit der KGB-Offiziere mit dem Flugpersonal über eine Bombe an Bord. Schließlich wurde die Crew gezwungen, einen Notruf abzusetzen – buchstäblich kurz vor Verlassen des Luftraums", beschrieb er die Situation. Er zitierte Mitreisende, zu denen Protasevich gesagt haben soll: "Sie werden mich hier exekutieren."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • Eigene Recherchen
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