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Politik-Jahr 2022: Fünf Menschen, auf die wir jetzt hoffen können


Ausblick auf 2022
Fünf Menschen, auf die wir hoffen können

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

03.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Die neue Außenministerin Annalena Baerbock: Die Grünen haben die besten Minister, die sie haben können.Vergrößern des Bildes
Die neue Außenministerin Annalena Baerbock: Die Grünen haben die besten Minister, die sie haben können. (Quelle: photothek/imago-images-bilder)

Lustig wird es nicht im neuen Jahr, aber vielleicht lässt die Pandemie nach, Deutschland wird Weltmeister in Katar und Olaf Scholz spult sein Programm zu unserer Zufriedenheit so nüchtern ab, wie er ist. Wär doch was!

Wenn ich Zwanziger Jahre höre, denke ich automatisch an die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, Ende der Monarchie, Babylon Berlin, Sie wissen schon. Ich muss mir ins Gedächtnis rufen, dass die Zwanziger ja Gegenwart sind, was denn sonst. Ist wohl so eine Eigenart, oder geht es Ihnen manchmal auch so?

Zwanzigzweiundzwanzig also. Gedämpfte Stimmung allerorten. Politisch wie privat. Die Pandemie ist wie die Dementoren in den Harry-Potter-Büchern: Sie entzieht uns Energie, zapft Lebenssaft ab, lässt uns frieren. Wie gut, dass die Herren Drosten und Lauterbach neuerdings zum Optimismus neigen und uns damit trösten, dass Covid-19 im Herbst endemisch werden kann – keine neuen Varianten, die uns das griechische Alphabet beibringen, regelmäßiges Impfen, sonst nichts. Wenn das keine gute Nachricht ist, weiß ich nicht, was eine gute Nachricht sein soll.

Propaganda-Spiele in China

Was steht an? Wenig vermag ich den Olympischen Winterspielen in Peking abzugewinnen. Ich fahre gern Ski und bewundere Menschen, die von sagenhaft hohen Schanzen sagenhaft weit hinunterfliegen und bombensicher landen. Auch finde ich Biathlon spannend, aber ich ziehe es vor, wenn solche Wettbewerbe in Finnland oder Schweden, in Italien oder Österreich stattfinden.

Alles, was in China stattfindet, ist zuerst und zuletzt Propaganda für dieses riesige Land, das damit seinen Herrschaftsanspruch auf Weltgeltung untermauert. Das Mindeste, was man tun kann, ist, nicht hinzufahren, wie es die deutsche Außenministerin angekündigt hat und die ganze amerikanische Regierung auch.

Nicht weniger absurd ist die Fußballweltmeisterschaft in Katar am Jahresende. Ich liebe Fußball und kämpfe tapfer Regungen meines Verstandes nieder, der mir einredet, ich sollte endlich einsehen, dass der Kapitalismus meinen Kindertraum schon längst pervertiert hat. Im Kopf weiß ich, dass die Superliga die logische Konsequenz ist, weil es dann nur noch um die Verteilung von irrsinnig viel Geld unter ganz wenigen Klubs geht, notfalls auch ohne Zuschauer. Das WM-Endspiel findet am 18. Dezember statt, absurd.

Ein Italiener macht das Unmögliche wahr

Kommen wir zur Politik im engeren Sinn. Auf fünf Leute setze ich in diesem Jahr, in dem wir schon mal aus Überlebenstrieb zu mehr Optimismus verdammt sind. Nicht nur Deutsche sind darunter, aber Europa ist ja ohnehin wichtiger als seine Nationalstaaten.

Nummer 1: Christine Lagarde, weil sie als Präsidentin der Europäischen Zentralbank dafür verantwortlich ist, welchen Zinssatz wir beim Kauf einer Wohnung, eines Hauses oder wofür wir auch immer einen Kredit aufnehmen mögen, bezahlen müssen. In der Weltfinanzkrise und der Eurokrise, Stichwort Griechenland, aber auch während der Pandemie hat die EZB vieles richtig gemacht, was sie auch hätte falsch machen können. So darf es bitte weitergehen.

Nummer 2: Mario Draghi, der Lagardes Vorgänger war ("Whatever it takes") und nun ein Segen für Italien ist, dem er als Ministerpräsident dient. Weniger Italiener als Draghi kann kein Italiener sein. Er hat ein bisschen vom Unmöglichen schon in kurzer Zeit wahr gemacht, und ihm möge noch viel Zeit beschieden sein, damit er noch mehr vom Unmöglichen möglich machen kann – Reformen an Haupt und Gliedern für das Land, an dem schon ganz andere gescheitert sind. Nun möchte Silvio Berlusconi, mit 85 endgültig zu zombiehafter Erscheinung durchoperiert, Staatspräsident werden. Doch Draghi scheint mir jemand zu sein, den nichts erschüttern kann.

Nummer 3: Emmanuel Macron. Frankreich wählt am 10. April seinen Staatspräsidenten. Macron ist erst 44 Jahre alt, immer noch verdammt jung. Einer der groß denkt, oft größer, als er springen kann. Aber egal, die Welt steckt voller Kleingeister, sodass ein Großgeist angenehm auffällt. Soweit bedenkenswerte Initiativen für die Entwicklung Europas in den vergangenen Jahren hörbar wurden, kamen sie aus Paris und stießen auf Schweigen, vor allem in Berlin. Muss ja nicht so bleiben.

Europa kann jedenfalls nur hoffen, dass Frankreich nicht durchdreht und einem Querschläger wie Éric Zemmour eine Chance gibt, gegen den Marine Le Pen fast schon wieder seriös wirkt. Eine Erleichterung wäre es, dürfte Macron, der Springteufel, im Élysée bleiben.

Nummer 4: Olaf Scholz, für den es noch viele Debüts geben wird, national wie international, die er mit dieser Nüchternheit absolvieren wird, die wir vielleicht sogar bald schätzen lernen. Hier haben wir einen Kanzler, der es sich angewöhnt hat, sein Pensum herunterzuspulen, der sich aber auch ein paar Sätze zurechtgelegt hat, die mir gefallen: Wir sind kein gespaltenes Land, es gibt eine solide Mehrheit und die Demokratie-Verächter sind eine kleine, radikale Minderheit. Lasst uns einander Respekt zollen, sagt er auch, das zeichnet die Demokratie aus. Das Einfache zu sagen, ist oft das Schwerste. Mal schauen, wie lange er diesen wohlklingenden Grundton durchhält. Möglichst lange, will ich hoffen.

Nummer 5: Annalena Baerbock. Bei den Kleingeistern unter den Grünen laufen Wetten, wie lange es die Annalena ohne Fehler durchsteht und wann Cem Özdemir an ihre Stelle tritt und Anton Hofreiter endlich Landwirtschaftsminister werden darf. Ja, Parteifreunde reden so. Muss man sich nichts bei denken. Aber sie müssen ja nicht recht bekommen.

Die Grünen haben die besten Minister, die sie haben können. An ihrer Intelligenz scheitern sie bestimmt nicht, am Durchhaltevermögen hoffentlich auch nicht. Die Klimawende fängt mit dem Trassenbau an, der Strom aus dem Norden in den Süden bringt. Müssen sie durchsetzen, was denn sonst. Fleisch soll teurer werden, ist richtig so, dann macht mal. Nord Stream 2? Dann eben nicht ans Netz. Wer die Sache bewegen will, macht sich Feinde. Ist so. Geht gar nicht anders.

Ruhiger als 2021 wird es 2022 bestimmt nicht. Hoffen wir das Beste, was bleibt uns schon übrig. Für Optimismus müssen wir schon selber sorgen und ich finde, es gibt den einen oder anderen guten Grund dafür. Außerdem: Das Leben ist zu kurz für schlechte Laune und schlechten Wein.

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