t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



Menü Icon
t-online - Nachrichten für Deutschland
HomePolitikAuslandKrisen & Konflikte

Eskalation in der Ukraine | Szenarien: Was Wladimir Putin jetzt plant


Eskalation der Krise
Was Putin nun in der Ukraine plant

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

Aktualisiert am 23.02.2022Lesedauer: 4 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Player wird geladen
Russlands Präsident bereitet sein Militär vor: Doch welchen Hintergrund hat die Ukraine-Krise? (Quelle: t-online)

Russland hat die "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk als unabhängige Territorien anerkannt. Und Wladimir Putin schürt den Konflikt mit der Ukraine weiter. Was droht dem Westen im schlimmsten Fall?

Wladimir Putin ließ sich Zeit, um die nächste Eskalationsstufe zu zünden. Fast eine Stunde sprach der russische Präsident in einer recht kurzfristig angekündigten Fernsehansprache zu seinem Volk. Er spannte einen großen Bogen vom Zeitalter Lenins und der Gründung der Sowjetunion bis in die Gegenwart und dehnte auch die Wahrheit ziemlich weit. Gespickt war seine Rede mit Unwahrheiten und Anschuldigungen an den Westen.

Teilen Sie uns Ihre Meinung zum Ukraine-Konflikt mit
Schreiben Sie uns eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de. Bitte nutzen Sie für Ihre Einsendung den Betreff "Ukraine". Berichten Sie uns in einigen Sätzen, wie Ihre Meinung ist. Eine Auswahl der Beiträge werden wir mit Nennung des Namens in einem separaten Artikel veröffentlichen.

Der Ukraine erkannte er das Recht ab, eine eigene Nation zu sein: Das Land existiere aus seiner Sicht überhaupt nicht und man müsse nun die russische Bevölkerung dort schützen. Wenig später ordnete der Kreml die Entsendung von Soldaten in die Ostukraine für eine "Friedensmission" an. Mehr zu der Rede Putins lesen Sie hier.

Die ohnehin schon angespannte Situation in der Ukraine ist also noch mal deutlich gefährlicher geworden. Doch was folgt nun? Ein Überblick über die aktuell Lage und mehrere Szenarien:

Um welche Gebiete geht es Russland und was geschieht dort?

Konkret hat Putin die Unabhängigkeit der beiden ostukrainischen "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk anerkannt. Entsprechende Verträge hatte der Präsident am Montagabend unterzeichnet. Die Vereinbarung soll zehn Jahre Bestand haben, allerdings ist auch eine automatische Verlängerung möglich. Seit 2014 kämpfen dort ukrainische Truppen gegen prorussische Separatisten. Die selbst ernannten Volksrepubliken wurden von den Separatisten zuvor eigenständig ausgerufen.


Mit der Anerkennung macht Russland erstmals deutlich, dass es die Gebiete nicht mehr als Teil der Ukraine betrachtet. Bisher hatte Russland bestritten, in dem Konflikt überhaupt involviert zu sein. Nun wurde noch am späten Montagabend verkündet, Soldaten in das Gebiet zu entsenden. In den "Freundschaftsverträgen" ist zudem vorgesehen, dass Russland dort auch Militärstützpunkte errichten und betreiben darf.

Knackpunkt bei der Anerkennung ist jetzt, welches Gebiet genau der Kreml als unabhängig anerkennt. In den Dekreten wird von den "Volksrepubliken" gesprochen, und nicht von den gesamten Oblasten (vergleichbar mit einem deutschen Bundesland) Donezk und Luhansk. Das ist wichtig, da die Separatisten aktuell nur etwa ein Drittel der beiden Oblasten kontrollieren und der Rest weiter in ukrainischer Hand liegt.

Das könnte Putin eine Begründung liefern, militärisch weiter vorzurücken: "Der Vorwurf von russischer Seite könnte nun heißen: Diese Gebiete sind von der Ukraine besetzt. Dadurch könnte Russland begründen, die gesamten Gebiete zurückzuerobern", sagt Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations im Gespräch mit t-online.

Loading...
Symbolbild für eingebettete Inhalte

Embed

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte schon in der Nacht weiter für eine diplomatische Lösung geworben. Allerdings werde man auch keine Territorien aufgeben. Gressel sieht darin eine Lehre aus der Vergangenheit: "Die Ukraine hat kampflos die Krim weggegeben, das brachte ihr den Krieg im Donbass ein."

Wie ist Russland militärisch aufgestellt?

Über die vergangenen Monate hat sich Russland eine große Militärpräsenz um und in der Ukraine aufgebaut. Mindestens 130.000 Soldaten sollen es mittlerweile sein. Das "Center for Strategic & International Studies" geht sogar von bis zu 190.000 Streitkräften plus 50.000 Soldaten aus Belarus aus.

Hinzu kommt schweres militärisches Gerät: Mindestens vier Bataillone sollen etwa mit Iskander-Raketen ausgerüstet sein. Sie besitzen eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern und lassen sich auch atomar bestücken. Theoretisch wären die Streitkräfte in der Lage, die Ukraine im Norden, Osten und auch vom Süden, von der annektierten Halbinsel Krim aus, anzugreifen.

Sorgen bereitet Gustav Gressel dabei vor allem, dass die bisherige Truppenkonzentration nicht auf einen alleinigen Angriff im Osten schließen lässt: "Die russischen Truppen zeigen eher nach Kiew." Anhand der Truppenbewegung sei auch nicht auszuschließen, dass Russland mit den Streitkräften die Invasion der gesamten Ukraine vorbereitet hat.

Wie ist die Ukraine militärisch aufgestellt?

Grundsätzlich haben sich die Streitkräfte in dem Land modernisiert. Nach der Annexion der Krim und den andauernden Kämpfen im Osten des Landes wurde das Militär in den vergangenen Jahren stückweise vergrößert und professionalisiert. Wurden 2014 noch 3,2 Milliarden US-Dollar in das Militär gesteckt, waren die Ausgaben 2020 mit 5,9 Milliarden schon fast doppelt so hoch. Insgesamt sollen aktuell rund 200.000 Soldaten einsatzbereit sein.

Was die Bodentruppen anbetrifft, sind die ukrainischen Truppen laut Gressel gar nicht so schlecht aufgestellt. Dort könne die Ukraine den Russen grundsätzlich etwas entgegensetzen. Die große Schwachstelle sei dagegen die Luftwaffe. Die stamme noch aus dem Kalten Krieg und wurde seitdem kaum modernisiert – anders als bei den Russen. "Nach ein bis zwei Tagen hätte Russland die Luftherrschaft erlangt", ist sich der Militärexperte sicher.

Welche Szenarien sind nun realistisch?

Anhand der aktuellen Situation ist noch nicht abzuschätzen, in welche Richtung Putin konkret steuert. Mit der Anerkennung der Separatistengebiete hat er die Möglichkeit geschaffen, auf ukrainischem Gebiet seinen Einfluss weiter auszubauen. Die Unschärfe, wie groß die "Volksrepubliken" Luhansk und Donezk seiner Meinung nach wirklich sind, könnte die Begründung liefern, beide Oblasten komplett zu erobern und unter russische Kontrolle zu bringen.

Die Situation wäre dadurch vergleichbar mit der in Georgien: Auch dort unterstützte Putin militärisch die beiden Regionen Abchasien und Südossetien und erkannte nach dem Kaukasuskrieg 2008 deren Unabhängigkeit an. Völkerrechtlich gehören beide Gebiete weiter zu Georgien, de facto organisieren sie sich allerdings selbstständig. Eine ähnliche Situation in der Ukraine sei für Gressel aktuell noch das beste Szenario.

Im schlimmsten Fall ist dagegen auch weiter eine Invasion der gesamten Ukraine durch Russland denkbar. Dafür sprechen nicht nur die bisherigen Truppenbewegungen. In seiner Rede am Montagabend sprach Putin der Ukraine das Existenzrecht ab und lieferte dadurch schon eine argumentative Brücke, um das gesamte Land anzugreifen. "Es klang so, als wollte Putin die Russen überzeugen, dass die gesamte Ukraine nun wegmuss", sagt Gressel.

Loading...
Loading...
Loading...

Dazwischen sind allerdings noch viele Abstufungen denkbar: Putin könnte im Donbass etwa eine begrenzte Offensive starten und austesten, wie weit er das Separatistengebiet ausdehnen kann, ehe sich das russische Militär wieder zurückzieht. Der Kreml könnte etwa eine russisch kontrollierte Landbrücke anstreben, um die Separatistengebiete mit der annektierten Krim zu verbinden.

Gustav Gressel glaubt nicht, dass Putin selbst bereits beschlossen hat, wie weit er gehen will. Die Vergangenheit habe eher gezeigt, dass er die Möglichkeiten nutzt, die ihm gerade gegeben werden: "Putin hat keinen großen Masterplan. Je nach Gelegenheit schlägt er zu oder nicht."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Nachrichtenagentur dpa, AFP und Reuters
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website