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USA: Gewalt und Hass – diese Attacke könnte Folgen haben


Politische Gewalt in den USA
Diese Attacke könnte Folgen haben

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 31.10.2022Lesedauer: 6 Min.
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Pelosi-Husband AssaultedVergrößern des Bildes
David DePape: Der 42-Jährige schlug Paul Pelosi den Schädel ein. (Quelle: Michael Short)

Der brutale Angriff auf den Ehemann der hochrangigen Demokratin Nancy Pelosi heizt die Angst vor Gewaltexzessen im Vorfeld der Zwischenwahlen an. Die USA fürchten um ihre politische Stabilität.

Der Schock über den Angriff auf den Ehemann von Nancy Pelosi im Privathaus der Familie ist in Washington noch immer spürbar. Der mutmaßliche Attentäter David DePape war in der Nacht zum Freitag in das Haus der Pelosis in San Francisco eingebrochen. Nachdem er die Sprecherin des amerikanischen Repräsentantenhauses nicht angetroffen hatte, sondern nur ihren Mann, griff er sich einen Hammer und schlug auf den Schädel von Paul Pelosi ein. So berichtet es die Polizei von San Francisco.

Der 82-Jährige erlitt bei dem offenbar politisch motivierten Angriff im gemeinsamen Haus des Paares einen Schädelbruch und schwere Verletzungen an seinen Händen und seinem rechten Arm. Nancy Pelosi, die sich zu diesem Zeitpunkt in Washington aufhielt, verfügt so wie andere bedrohte Spitzenpolitiker über Personenschutz – ihre Familie aber nicht.

Über den 42-jährigen DePape wurde inzwischen bekannt, dass er zwei einschlägige Verschwörungsblogs betreibt, einen unter dem Titel "Big Brother's Censorship Hell". Dort machte er wahlweise "die Juden", die Kommunisten, die Impfbefürworter, die "herrschende Klasse", aber auch Aliens für gesellschaftliche Missstände verantwortlich. Er war auch ein Anhänger der Behauptung von Donald Trump, die US-Präsidentschaftswahlen seien gefälscht worden. Nancy Pelosi erwähnte er in seinen zahlreichen Posts dem Sender CNBC zufolge nicht.

In Amerika schürt der Vorfall Ängste vor einer Eskalation der politischen Gewalt vor den Zwischenwahlen in gut einer Woche. Sogar die US-Sicherheitsbehörden warnen nun vor möglichen Angriffen auf politische Kandidaten und Wahl-Offizielle.

Sprunghafter Anstieg der Drohungen unter Trump

Die Bedrohungslage für Kongressabgeordnete nimmt seit spätestens 2017 immer weiter zu. Laut Daten der Kapitol-Polizei (USCP) betrug die Anzahl der Drohungen gegen Parlamentarier im Jahr 2016 noch 902. Während Donald Trumps Regierungszeit stieg sie dann rasant an: im Jahr 2017 sprunghaft auf 3.939, dann auf 5.206 im Jahr 2018. Für 2019 betrug die Anzahl schon 6.955, im Jahr 2020 wurden es 8.613 und 9.625 im Jahr 2021. Für das aktuelle Jahr wurden mit 1.820 Drohungen bislang nur die Zahlen für die ersten drei Monate veröffentlicht.

Laut Angaben der Anti-Defamation League kamen in den vergangenen zehn Jahren durch politisch motivierte Extremisten mehr als 400 Menschen ums Leben, die meisten der Täter kommen aus dem rechten politischen Spektrum. Wie das Center for Strategic and International Studies berichtet, gab es 2020 und 2021 mit Abstand die meisten Angriffe seit Beginn der statistischen Erfassung extremistischer Straftaten und Inlandsterrorismus im Jahr 1994.

Politiker der Demokraten fordern nach dem brutalen Angriff in einem Privathaus dringend bessere Sicherheitsvorkehrungen vor den Zwischenwahlen zum Kongress. Viele Vertreter der Republikaner hingegen schweigen zu dem Gewaltakt, einige verurteilten die Tat, andere verwiesen schnell auf Gewalt von Linksextremisten.

Radiomoderator verhöhnt Pelosi

Nicht alle rechtskonservativen Republikaner hielten sich in der Kommentierung an ein Mindestmaß an Anstand. So machte sich der umstrittene Politiker und Radiomoderator Larry Elder aus Kalifornien über den schwer verletzten Paul Pelosi öffentlich lustig: "Zuerst wird er wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen und dann in seinem Haus angegriffen", schrieb Elder auf seinem Twitter-Account. Er verwies damit auf einen Vorfall, bei dem Paul Pelosi betrunken beim Autofahren erwischt wurde. Elder fügte ein Wortspiel zur Hammer-Attacke hinzu: "Zweimal in sechs Monaten gehämmert", was frei übersetzt werden kann als: "Zweimal innerhalb von sechs Monaten eine Abreibung bekommen."

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Der Sohn des Ex-Präsidenten, Donald Trump Jr., verbreitete ein Foto auf seinem Instagram-Konto mit einem Hammer und einer Unterhose, versehen mit dem Spruch, dies sei das Halloween-Kostüm, um sich als Paul Pelosi zu verkleiden.

Auch eine für den Kongress kandidierende Republikanerin nutzte die schwere Körperverletzung, um eine höhnische Botschaft zu verbreiten. Lavern Spicer war schon mehrfach durch Hetze aufgefallen; die Politikerin aus Florida verglich bereits den amtierenden US-Präsidenten Joe Biden mit Hitler und die Situation von Trumps "Make America Great Again"-Anhängern mit der von Juden während der Nazizeit. Als Reaktion auf die Attacke gegen Pelosi verbreitete sie auf Twitter ein animiertes Bild ("gif") des Rappers MC Hammer mit der Zeile "Hammer Time".

Ein Moderator des rechtsextremen Fernsehsenders Newsmax verbreitete unbelegte Gerüchte, der Angriff auf Paul Pelosi sei möglicherweise inszeniert gewesen.

Erinnerungen an den 6. Januar

Im Lager der Demokraten ist man sich sicher, dass der Angriff auf Pelosi das Ergebnis von jahrelangen Hassreden aus dem Lager von Trumpisten und Rechtsextremisten gegen die prominente Sprecherin des Repräsentantenhauses sei. Die Polizei in San Francisco spricht davon, dass es sich bei der Attacke nicht um eine "zufällige Tat" handle und ermittelt weiter zu den konkreten Beweggründen. Im Fokus steht dabei auch der Verschwörungsblog von David DePape.

Eine besondere Rolle spielt der Satz, den der Verdächtige laut "Fox News" und anderen Medien gerufen haben soll, als er auf den Ehemann der Sprecherin einschlug: "Wo ist Nancy, wo ist Nancy?"

Es ist ein Satz, der seit dem Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 landesweit bekannt wurde. Wie auf Handyvideos von damals zu sehen ist, waren die Eindringlinge damals besonders besessen davon, die verhasste Demokratin zu finden. Immer wieder fällt der Satz "Where are you, Nancy?". Immer wieder: "Wo bist du, Nancy? Wir suchen nach dir."

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Wie stark die Verbindungen des mutmaßlichen Attentäters in gewaltbereite, rechtsradikale Netzwerke sind, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Die inzwischen bekannten Aussagen von David DePape sprechen aber klar für eine politische Motivation aus dem rechten Spektrum.

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Elon Musk verbreitet krude These zum Anschlag

Ausgerechnet der reichste Mann der Welt und bekennende Republikaner-Wähler Elon Musk verbreitete auf seiner eben erst erworbenen Social-Media-Plattform Twitter eine krude Verschwörungstheorie zu dem Vorfall im Privathaus von Nancy Pelosi. Unter einer öffentlichen Nachricht der früheren Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, twitterte Musk folgenden Satz: "Es gibt eine winzige Möglichkeit, dass hinter dieser Geschichte mehr steckt, als man denkt".

Dazu verlinkte er den Artikel einer Webseite, die für haltlose Verschwörungsinhalte bekannt ist. Nach einem stundenlangen Aufschrei gegen diese Aussage löschte der neue Twitter-Besitzer seinen Tweet ohne einen weiteren Kommentar dazu. Statt sich zu entschuldigen, stänkerte Musk wenig später noch gegen die Zeitung "New York Times", die über seine Falschinformationen berichtet hatte, und warf ihr seinerseits eine falsche Berichterstattung vor.

Lügen heizen Wut und Gewalt an

Die Debatte um den tätlichen Angriff im Privathaus einer Abgeordneten trifft die USA kurz vor den Zwischenwahlen besonders empfindlich. Gerade in den hart umkämpften Bundesstaaten fürchten sich Menschen vor möglichen Gewaltausbrüchen. Geschürt wird die aufgeheizte Stimmung zusätzlich von Kandidaten wie der republikanischen Gouverneurs-Anwärterin Kari Lake in Arizona, die im Vorfeld ankündigte, sie würden nur einen Sieg bei den Wahlen anerkennen.

Auf Webseiten und in sozialen Netzwerken wie etwa Reddit, Parler, Telegram, Gab.ai oder Truth Social kursieren derweil schon Aufrufe zu einem Bürgerkrieg, wie etwa die Nichtregierungsorganisation Soufan Center (TSC) berichtet. Maßgebliche Rechtfertigung für mögliche Gewalt soll die von Donald Trump und seinen treuen Republikanern vorgetragene Lüge vom Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen von 2020 sein. Der Tenor: Sollten die Demokraten einmal mehr betrügen, dann gilt es, sich dagegen auch mit Gewalt zu wehren.

Für den umkämpften Bundesstaat Pennsylvania verbreitet der ehemalige US-Präsident Donald Trump schon vor dem Wahltag auf seiner Plattform "Truth Social" unbelegte Gerüchte von angeblich "240.000 nicht verifizierten Stimmzetteln", die dort versendet worden seien. Die Demokraten, so Trump, würden das gleiche Spiel wie bei der Präsidentschaftswahl spielen. Er sei glücklich darüber, dass "einige große Patrioten" das angebliche Treiben überwachen würden.

Was man sich unter solchen "patriotischen Wächtern" vorstellen muss, berichteten US-Medien und das Wahlbüro eines Wahlbezirks im Bundesstaat Arizona. Zwei Männer, die mit Handfeuerwaffen bewaffnet waren, "überwachten" bei einer vorgezogenen Abstimmung in der Stadt Mesa ein Wahlbüro. Sie trugen dazu Militärausrüstung, ihre Gesichter waren mit Sturmhauben bedeckt. Die Nummernschilder ihrer Autos hatten sie offenbar abgeklebt. Auch andere selbst ernannte Wächter filmten die Abgabe von Stimmzetteln in Mesa.

Schon lange belegen repräsentative Umfragen, dass ein großer Teil der Amerikaner einen aufziehenden Bürgerkrieg befürchtet. Weniger einen, der vergleichbar ist mit dem Sezessionskrieg Mitte des 19. Jahrhunderts, sondern einen, der andauernde gewaltsame Auseinandersetzungen im ganzen Land nach sich zieht. Die innere politische Stabilität der USA gilt darum als so gefährdet wie lange nicht mehr.

Für eine Eskalation bräuchte es keinen erneuten Sturm von verblendeten Radikalen auf das US-Kapitol in der Hauptstadt Washington. Auch kleinere Zwischenfälle in den Bundesstaaten könnten Auswirkungen auf das ganze Land haben. Bereits jetzt wird damit gerechnet, dass die Ergebnisse in einigen Bezirken und Bundesstaaten von Trump-Anhängern, die als Wahlhelfer eingesetzt sind, womöglich verzögert und angezweifelt werden könnten. Bis es am 8. November so weit ist, bleibt die Hoffnung, dass die Tat von San Francisco im Hause der Pelosis ein Einzelfall bleibt.

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