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Aufrüstung gegen Iran im Nahen Osten: Für die USA geht es um mehr als Öl


US-Muskelspiele gegenüber Iran
Die Folgen wären verheerend

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns

Aktualisiert am 19.07.2023Lesedauer: 4 Min.
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Militärischer Zwischenfall: US-Schiffe feuern zur Abschreckung auf iranische Schnellboote. (Quelle: Reuters)

Die USA verlegen Kampfjets und einen Zerstörer in den Nahen Osten. Dadurch wächst die Angst vor einer Eskalation im Konflikt mit dem Iran. Abschreckung aber scheint der letzte Ausweg zu sein.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Als die Sprecherin des Pentagons die Verlegung des Zerstörers "USS Thomas Hudner" sowie von F-35- und F-16-Kampfjets in den Nahen Osten verkündete, wirkte das auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche Bekanntmachung an einem typischen Montag in Washington.

In Wahrheit ist diese Entscheidung der Biden-Regierung aber mehr als eine "Reaktion auf eine Reihe jüngster alarmierender Ereignisse in der Straße von Hormus", wie es die Sprecherin formulierte. Sie spielte damit unter anderem auf einen Zwischenfall Anfang dieses Monats an: Der Iran soll versucht haben, zwei Öltanker in der Nähe der Meerenge zu kapern und habe dabei nach Angaben der US-Marine das Feuer auf eines der Schiffe eröffnet. Der Iran bestreitet das. Tatsächlich geht es nicht nur um "die Freiheit der Schifffahrt in der Region", wie sie sagte. Es geht um viel mehr.

Die USA riskieren nicht einfach so eine Eskalation in einer ohnehin extrem instabilen Gegend der Welt. Denn die deutliche Steigerung ihrer militärischen Präsenz in der direkten Nachbarschaft ihres Erzfeindes Iran ist ohne Zweifel heikel. Das neue Leitmotiv der Biden-Regierung scheint stattdessen jetzt Abschreckung zu sein. Als quasi letzter Ausweg vor einer echten und folgenschweren Eskalation.

Der Iran konnte seinen Einfluss immer weiter ausbauen

Viel zu lange, zu dieser Erkenntnis sind die Sicherheitsstrategen im Weißen Haus offenbar gekommen, konnte der Iran trotz zahlreicher verhängter Sanktionen seinen geopolitischen Einfluss im Nahen Osten erweitern. Die Folgen sind gravierend: für den weltweiten Öl- und auch den Flüssiggasmarkt, für den russischen Krieg gegen die Ukraine, für Israel, den einzigen demokratischen Verbündeten in der Region, und schließlich auch für die nukleare Bedrohungslage auf der ganzen Welt.

In einem Gastbeitrag warnte kürzlich erst der ehemalige Geheimdienstanalyst der CIA und Experte für Politik und Militärangelegenheiten im Nahen Osten, Kenneth Pollack, vor destabilisierenden Umtrieben des Irans. Mal ist es Unterstützung für islamische Terrororganisationen wie die Hisbollah im Libanon, mal ist es die Einflussnahme über Milizen und Parteien im Irak.

Das Land Jordanien, so die Analyse Pollacks, könnte als Israels direkter Nachbar "Irans nächster Dominostein" sein, der zu fallen drohe. Pollack kritisiert dabei das Machtvakuum, das nicht zuletzt durch die frühere Obama-Regierung im Nahen Osten entstanden sei. Der Iran habe Siege "in Syrien, im Libanon, im Irak und im Jemen" errungen. Und dies habe dessen "Appetit geweckt, nicht gestillt".

Gefahr für den engsten Verbündeten der USA

Pollack warnt vor den möglichen Folgen, sollte es dem Iran etwa gelingen, seinen politischen oder militärischen Einfluss auch in Jordanien auszuweiten. "Eine Niederlage Jordaniens gegen den Iran wäre katastrophal", schreibt der Ex-CIA-Mann. Der Wunsch Irans, Israel zu zerstören, sei schon immer dessen langfristiges Ziel gewesen. "Wenn es dem Iran gelingt, das jordanische Regime zu stürzen, wie er das auch anderswo getan hat, könnte die Zerstörung Israels plötzlich eine viel realistischere und kurzfristigere Aussicht sein", so Pollack.

Tatsächlich dürfte die Sicherheit Israels eine wichtige Rolle bei der neuen Abschreckungsstrategie der Biden-Regierung spielen. Israel versucht schon lange, den wachsenden Einfluss des Irans in der Region einzudämmen. Die Beziehungen zwischen den USA und Israel waren allerdings unter Bidens Vorgänger Trump deutlich besser als derzeit. Biden hat die aktuellen Bestrebungen für eine weitreichende Justizreform der rechtskonservativen Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu mehrfach und deutlich gerügt. Netanjahus Regierung wertet das als Einmischung in innere Angelegenheiten.

Dazu passt, dass Joe Biden an diesem Dienstag den israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog in Washington empfängt. Zudem hat er bei der Gelegenheit auch eine offizielle Einladung für Premierminister Benjamin Netanjahu ausgesprochen, um die Beziehungen zu stabilisieren. Die jetzt verstärkte Militärpräsenz gegen den Iran in der Golfregion ist daher auch ein Signal an die verschnupften Verbündeten. Die Botschaft: Seht her, wir kritisieren euch zwar innenpolitisch, aber wir nehmen eure Sicherheitsanliegen ernst.

Der Iran als Verbündeter Russlands und Syriens

An erster Stelle aber stehen die eigenen Sicherheitsinteressen der USA in der Region. Militärs in Washington sind nicht nur zunehmend besorgt wegen der jüngsten Aktivitäten des Irans in der Straße von Hormus, sondern auch wegen dessen Zusammenarbeit mit Russland.

Importierte Kampfdrohnen aus dem Iran spielen bei den russischen Luftangriffen gegen ukrainische Städte, wie vergangene Nacht in der Hafenstadt Odessa, immer wieder eine entscheidende Rolle. Auch die Zusammenarbeit des Irans mit Russland und Syrien stellt aus Sicht der Amerikaner eine andauernde und zunehmende Bedrohung dar.

Eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt

Nicht zuletzt spielt auch die offizielle Begründung für die militärische Aufrüstung am Golf eine Rolle: die freie Schifffahrt durch die Straße von Hormus zu gewährleisten. Die schmale Meerenge zwischen Oman und Iran ist eine der Haupthandelsrouten der Welt und auch für Deutschland von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung.

Nicht nur 40 Prozent des weltweit verschifften Erdöls wird entlang dieser Route transportiert, sondern etwa auch Flüssiggas (LNG) aus Katar. Zu Angriffen oder Störmanövern der iranischen Marine kam es in den vergangenen Monaten immer wieder, zuletzt laut Angaben der US-Marine Anfang dieses Monats. Ein bereitgestelltes Video soll den Angriff zeigen.

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Innenpolitische Gründe für die Aufrüstung am Golf

Eine heikle Sicherheitslage an dieser Hauptverkehrsader des globalen Ölmarktes kann schnell zu höheren globalen Ölpreisen und damit zu einer erneuten Inflation führen. Die Biden-Regierung und die US-Zentralbank haben diese gerade erst mit Mühe in den Griff bekommen. Vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr gelten weitere Preissteigerungen als größte Gefahr für eine Wiederwahl Joe Bidens.

Video | Iranische Soldaten stoppen Öltanker
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Quelle: t-online

In Washington gilt eine militärische Reaktion der Vereinigten Staaten auf solche Störungen darüber hinaus als Konsens über Parteigrenzen hinweg. Der innenpolitische Druck auf die Biden-Regierung, gegen den Iran Härte zu zeigen, ist also ohnehin groß.

Damit hat der andauernde Konflikt mit dem Golfstaat inzwischen so viele Konsequenzen, dass der Biden-Regierung kaum etwas anderes übrig bleibt, als nun zu handeln. Ob die Kampfjets und der Zerstörer aber ausreichen, um das Regime in Teheran ausreichend abzuschrecken, das müssen auch die Strategen in Washington abwarten. Dass im Pentagon auch über weitergehende Szenarien nachgedacht wird, ist kein Geheimnis.

Immerhin eine Entwarnung konnten die US-Geheimdienste zumindest für das Jahr 2022 geben: "Der Iran unternimmt derzeit keine Schlüsselaktivitäten zur Entwicklung von Atomwaffen, die für die Herstellung eines testbaren Atomsprengkopfes erforderlich wären", steht in einem Bericht, der in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde.

Verwendete Quellen
  • Pressekonferenz des Pentagon am 17. Juli 2023
  • stripes.com: "Pentagon sends destroyer, fighter jets to Middle East to beef up security amid Iranian 'threat' (Englisch)
  • jstor.org: "The Geography of the Strait of Hormuz and its Implications" (Englisch)
  • sgp.fas.org: "Iran’s Threat to the Strait of Hormuz" (Englisch)
  • thehill.com: "Jordan will likely be Iran’s next domino" (Englisch)
  • dni.gov: "Iran’s Nuclear Weapons Capability and Terrorism Monitoring Act of 2022" (Englisch)
  • nytimes.com: "Hoping to Avert Nuclear Crisis, U.S. Seeks Informal Agreement With Iran" (Englisch)
  • Youtube-Kanal des U.S. Naval Institute: "Iranian Warship vessels fires on Merchant Tanker off Oman" (Englisch)
  • Eigene Recherchen
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