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Donald Trump und die Corona-Krise: Warum kommt jetzt die Kehrtwende?


Corona-Kehrtwende?
Darum spricht Trump plötzlich so anders über das Virus

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier

Aktualisiert am 22.07.2020Lesedauer: 5 Min.
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Der US-Präsident: Kommt jetzt ein zweiter Donald Trump in der Corona-Krise zum Vorschein? Zweifel sind angebracht.Vergrößern des Bildes
Der US-Präsident: Kommt jetzt ein zweiter Donald Trump in der Corona-Krise zum Vorschein? Zweifel sind angebracht. (Quelle: Evan Vucci/dpa-bilder)

Donald Trump will die Nation wieder regelmäßig über das Coronavirus informieren und empfiehlt das Maskentragen. Nimmt er die Pandemie plötzlich ernst? Es gibt einiges, was dagegen spricht.

Donald Trump braucht nicht lange, bis er durchschimmern lässt, worum es ihm am Dienstag vor der versammelten Presse in Washington D.C. wirklich geht. Zur Überraschung vieler Beobachter hat der US-Präsident die öffentlichen Briefings zum Coronavirus nach langer Pause wieder aufgenommen. Und schon das zwanzigste Wort seiner in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Pressekonferenz verrät, warum.

Das Wort heißt nicht: Coronavirus. Sondern: Chinavirus.

Trump versucht mit diesem Begriff schon länger, die Deutungshoheit über das Virus zu gewinnen. Es soll signalisieren: Eigentlich ist es nicht unser Virus, sondern das der Chinesen. Sie haben das Problem. Und auch: Sie sind das Problem, nicht wir. Die Deutungshoheit hatte Trump in den vergangenen Wochen mehr und mehr verloren. Nun will er sie zurückgewinnen. Ob er dafür nur den Tonfall verändert oder das Virus wirklich ernsthafter bekämpfen will, bleibt jedoch abzuwarten.

Die Aussagen von Trumps Pressekonferenz auch zum Maskentragen finden Sie oben im Video oder hier.

Eine neue Ernsthaftigkeit – trotz allem

Es ist kein Zufall, dass der Tag, an dem Trump nach langer Pause wieder zu einem Corona-Briefing einlädt, auch der Tag ist, an dem ein neuer trauriger Rekord im Juli fällt: Am Dienstag wurden in den USA 1.120 Corona-Tote gemeldet, so viele wie bisher an keinem anderen Tag in diesem Monat. 142.031 Menschen sind bislang in den USA insgesamt am Coronavirus gestorben. In den vergangenen zwei Wochen meldeten die Behörden täglich zwischen 60.000 und 77.000 Neuinfektionen. Besonders der Süden der USA, der sogenannte Sunbelt, ist betroffen, aber längst nicht nur. Trump spricht am Dienstag von einem "besorgniserregenden Anstieg an Fällen".

Trump kann die offensichtlichen Fakten nicht länger ignorieren, selbst wenn er sie noch immer eigenwillig interpretiert. Er behauptet zwar am Dienstag nicht mehr, dass die Fallsterblichkeit in den USA so gering wie nirgends sonst auf der Welt sei. Also die Zahl der Menschen, die an einer registrierten Corona-Infektion versterben. Aber er behauptet noch immer, sie sei "niedriger als in der EU und fast überall sonst auf der Welt", was die Wahrheit weiter strapaziert: Laut Daten der Johns-Hopkins-Universität liegen die USA unter den 20 am stärksten betroffenen Ländern ziemlich im Mittelfeld, zehn Länder haben eine niedrigere Fallsterblichkeit. Auch seine eher von Optimismus als von Fakten getriebene Einschätzung, das Virus werde verschwinden, wiederholt er erneut.

  • "Es wird wahrscheinlich leider schlimmer werden, bevor es besser wird. Ich sage das nicht gerne über Dinge, aber so ist es."
  • "Ob Sie die Masken mögen oder nicht, sie haben eine Wirkung, sie werden einen Effekt haben und wir brauchen alles, was wir kriegen können."

Das ist so deutlich wie wohl noch nie.

Alles nur Show oder echte Politik?

Die Frage ist nur, wie nachhaltig diese neue Ernsthaftigkeit ist. Und ob sie auch wirklich zu einer neuen Politik führt. Es wäre nicht die erste vermeintliche Kehrtwende, die ziemlich kurz ausgefallen ist. Im April, als die Todeszahlen dramatisch stiegen, hatte Trump die USA schon einmal auf schwierige Wochen eingeschworen. Schon im Mai war es damit aber weitgehend vorbei. Trump wollte zurück zur Normalität, drängte auf Öffnungen – auch für die Wirtschaft. Zu früh und zu schnell, wie viele Experten kritisierten. Nicht nur in New York stiegen die Zahlen rasant.

Ein Grund für das Comeback der Corona-Briefings sind in jedem Fall Trumps schlechte Umfragewerte. Das hat seine Beraterin Kellyanne Conway vergangene Woche freimütig zugegeben. Es sei kein Zufall, dass die Umfragewerte besser gewesen seien, als Trump selbst die Coronavirus-Problematik angesprochen habe. "Die Menschen wollen etwas vom Präsidenten der Vereinigten Staaten hören." Es müsse nicht täglich sein, aber aus ihrer Sicht müsse es sein.

Besorgniserregend für Trump ist nicht nur, dass er in den Meinungsumfragen zur Präsidentschaftswahl insgesamt und in vielen Schlüsselstaaten derzeit weit hinter seinem demokratischen Konkurrenten Joe Biden liegt. Immer mehr Amerikaner sind auch unzufrieden mit der Art und Weise, wie Trump die Corona-Krise managt. Die Zustimmung zu Trumps Umgang mit dem Corona-Ausbruch ist seit März von 51 Prozent auf 38 Prozent gefallen, wie eine Umfrage von "Washington Post" und ABC News zeigt. 60 Prozent der Amerikaner bewerten Trumps Krisenmanagement inzwischen negativ.

Gutes tun und darüber reden?

Das allein muss natürlich noch nicht heißen, dass Trump das Virus nur aus PR-Gründen ernster nimmt als zuvor. Er könnte Gutes tun und darüber reden, so wie man das macht in der Politik. Nur dass er auch Gutes tun will, also das Virus entschlossener bekämpfen, daran gibt es begründete Zweifel.

Anders als in den Briefings vor der Pause tritt Trump am Dienstag ohne Corona-Experten auf, also ohne die Menschen, die sich für die Regierung tagtäglich mit dem Virus beschäftigen. Der berühmte und beliebte Immunologe Anthony Fauci sagte CNN, er sei nicht gefragt worden. Die US-Regierung hatte vor Kurzem versucht, seine Autorität zu untergraben. Noch vor wenigen Tagen nannte Trump ihn einen Alarmisten.

Doch auch Deborah Birx, Leiterin der Coronavirus-Taskforce des Weißen Hauses, stand nicht mit Trump auf dem Podium. Dabei gelingt es ihr für gewöhnlich besser als Fauci, die Fakten so diplomatisch zu verpacken, dass sie Trump nicht zu sehr erschrecken. Als Zeichen für den Willen, die Menschen wirklich aufzuklären, taugt eine Coronavirus-Pressekonferenz ohne Coronavirus-Experten nicht gerade.

Zahlen unter der Kontrolle des Ministeriums

Schon letzte Woche wurde bekannt, dass die Trump-Regierung wichtige Corona-Zahlen künftig im Gesundheitsministerium bündeln und die bislang zuständige US-Seuchenbehörde umgehen will. Die Zentren für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (CDC) hatten sich in der Corona-Krise immer wieder als ausgesprochen unabhängig erwiesen, was Trump dazu brachte, sie immer wieder als "Lügen-Behörde" zu verunglimpfen.

Gesundheitsexperten fürchten nun, dass durch den Schritt die Patientenberichte und Zahlen über verfügbare Betten und Beatmungsgeräte zunehmend politisch instrumentalisiert oder gar zurückgehalten werden. Ehemalige CDC-Direktoren hatten zuvor in der "Washington Post" gewarnt, dass die Behörde untergraben würde.

Auch ein Streit um Geld für Corona-Tests nährt Zweifel, dass Trumps Handeln von einem kompletten Strategiewechsel zeugt. In Washington wird gerade das nächste Konjunkturpaket verhandelt. Während die Trump-Regierung auf noch nicht genutztes Geld für Tests aus dem vorigen Paket verweist, drängen selbst republikanische Senatoren darauf, auch jetzt wieder viel Geld für Tests einzuplanen. "Wir müssen besser werden beim Testen", sagte selbst der einflussreiche republikanische Senator Lindsey Graham, der Trump für gewöhnlich unterstützt.

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Mehrere Gouverneure in den Bundesstaaten hatten Trump zuletzt vorgeworfen, sie beim Ausbau der Testkapazitäten alleine zu lassen. Trumps Aussagen dazu am Dienstag sind bestenfalls missverständlich. "Sie bekommen alles, was sie brauchen", verspricht Trump. Einerseits. Später sagt er, seiner Regierung läge kein einziges Hilfeersuchen aus den Bundesstaaten vor. "Kein Gouverneur braucht gerade irgendetwas."

Seine Kritiker dürfte das nicht davon überzeugen, dass er es ernst meint.

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