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Joe Bidens Kampf gegen die Spaltung: Donald Trump war erst der Anfang


Bidens Kampf gegen die Spaltung
Trumps Ende ist erst der Anfang

Eine Analyse von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 20.01.2021Lesedauer: 5 Min.
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Donald Trump bei einem Pressetermin im Weißen Haus: Auch nach ihm werden politische Kräfte versuchen, die Spaltung der US-Gesellschaft zu nutzen, um davon zu profitieren.Vergrößern des Bildes
Donald Trump bei einem Pressetermin im Weißen Haus: Auch nach ihm werden politische Kräfte versuchen, die Spaltung der US-Gesellschaft zu nutzen, um davon zu profitieren. (Quelle: Reuters-bilder)

Donald Trump verlässt das Weiße Haus, sein Nachfolger Joe Biden erbt einen Scherbenhaufen. Von seinem Kampf gegen Trumps Erbe wird es abhängen, in welche Richtung sich die USA entwickeln.

Eigentlich ist es eine große Feier, bei der das ganze Land traditionell mitfiebert. Der künftige Präsident der Vereinigten Staaten steht vor dem Kapitol in Washington, schwört seinen Amtseid, Tausende Menschen jubeln ihm zu. Es ist der Tag, an dem die schmutzigsten Wahlkämpfe in den Hintergrund rücken. Es wird über das Wetter geredet oder darüber, wie viele Menschen im Vergleich zu vorigen Präsidenten zu der Veranstaltung gekommen sind.

Diesmal wird alles anders: Wegen der Corona-Pandemie gibt es keine jubelnden Massen. Stattdessen werden viele bewaffnete Soldaten das Bild in der Hauptstadt prägen. Der Angriff auf die US-Demokratie mit dem Sturm auf das Kapitol wirkt nach.

Mit Donald Trump scheidet ein US-Präsident aus dem Amt, der in den vergangenen vier Jahren die Risse in der Gesellschaft mit aggressiver Rhetorik und Desinformation massiv vertiefte. Der Scherbenhaufen, den Joe Biden als US-Präsident übernehmen muss, ist deshalb riesig. Deshalb wird der zentrale Fokus in seiner ersten Amtszeit als Präsident der innere Frieden im Land sein. Er muss versuchen, eine tief gespaltene Gesellschaft wieder zusammenzuführen und die Brände zu löschen, die Trump gelegt hat.

Dabei ist Biden auf Unterstützung angewiesen, das Problem kann eine neue US-Regierung nicht allein lösen. Vielmehr müssen der künftige Präsident und die Demokraten zusammen mit anderen tragenden Säulen der Gesellschaft die Spaltung an mehreren Fronten bekämpfen. Der Kampf gegen die Feinde der Demokratie ist mit der Abwahl Trumps noch lange nicht vorbei. Wenn Biden scheitert, könnte bei der nächsten US-Wahl erneut ein Populist profitieren und Macht gewinnen.

Um diese Gefahr zu minimieren, sind Maßnahmen in mindestens fünf Bereichen erforderlich:

1. Politische Feindschaft

Ein Grund für die gesellschaftliche Spaltung in den USA ist die in den letzten Jahren immer größer gewordene Feindschaft zwischen Republikanern und Demokraten. Sie spaltet auch die Bevölkerung.

Die Republikaner unterstützten Trump, weil sie Macht um jeden Preis wollten. Die Demokraten konzentrierten sich darauf, eine weitere Amtszeit von Donald Trump zu verhindern. Dazwischen waren kaum Kompromisse möglich.

Das muss sich ändern: Die Hoffnung auf Einigkeit zwischen Republikanern und Demokraten ist sicherlich naiv. Aber die Schreckensamtszeit von Trump und die Corona-Krise bieten sowohl die Chance als auch die Notwendigkeit, stärker zusammenzuarbeiten. Dafür müssen die Republikaner die Angst überwinden, massenhaft Trump-Wähler zu verlieren. Sollten die Parteien zeigen, dass ihnen in großen, politischen Fragen das Wohl des Landes wichtiger ist, wäre das ein wichtiges Signal an die US-Bevölkerung.

2. Bekämpfung der Corona-Krise

Kein Land auf der Welt hat die Pandemie stärker getroffen als die Vereinigten Staaten, knapp 400.000 Menschen sind mittlerweile mit einer Corona-Infektion gestorben. Auch die sozialen und wirtschaftlichen Folgen sind fatal: Infolge der Krise bekamen zuletzt rund 20,4 Millionen Menschen eine Form von Arbeitslosenhilfe, fast 19 Millionen mehr als zur gleichen Zeit 2019.

Die Pandemie verschärft die soziale Spaltung. Trump gewann die Gunst von Millionen Wählern, weil er sich als Retter ihrer wirtschaftlichen Existenzen inszenierte. Es waren beispielsweise die Arbeiter des mittleren Westens, die sich seit vielen Jahren von der herrschenden Politik vernachlässigt fühlten.

Trump ist für sie ein Gegenmodell zu der etablierten Politik, ein Präsident, der ihren Interessen oberste Priorität gibt. Trotz des mangelhaften Corona-Managements sagten 47 Prozent der US-Bevölkerung noch Mitte August, dass Trump besser für die Wirtschaft wäre, Biden lag mit 45 Prozent dahinter.

Das muss sich ändern: Die Corona-Pandemie muss konsequent bekämpft werden, die Bevölkerung möglichst schnell flächendeckend geimpft werden. Der Staat muss die sozialen Folgen der Krise stärker abfedern. Große staatliche Eingriffe sind zwar für die USA ungewöhnlich, aber beide Parteien verabschiedeten im Dezember ein Hilfspaket im Umfang von 900 Milliarden Dollar. Keinesfalls dürfen einzelne Bevölkerungsgruppen bei staatlichen Hilfen vergessen werden.

3. Politische Aufklärung

Trump hat Rechtsextremisten umgarnt und damit radikale Gruppierungen weiter in die Mitte der Gesellschaft gerückt. So standen beim Sturm des Kapitols treue Trump-Anhänger neben Demokratiefeinden, die beispielsweise das Konzentrationslager in Auschwitz feierten.

Unter Trump wurden rassistische Ideologien bedient, Ängste vor Minderheiten oder mutmaßlich linken Gruppierungen wurden befeuert. Aber auch die Demokraten vernachlässigten politisch einige Gruppen von Minderheiten im Land. Folge: Besonders viele Hispanics wählten bei der US-Wahl den Republikaner.

Das muss sich ändern: Die Konservativen in der Trump-Bewegung müssen von den rechtsradikalen Bewegungen abgespalten werden. Das gelingt nur, wenn alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte sich klar und wiederholt gegen Rechtsextremismus positionieren. Patriotismus darf nicht länger als Feigenblatt für Rassismus toleriert werden, Trump bezeichnete rechtsradikale Gruppierungen stets als "Patrioten".

4. Vertrauen in die Medien

Die Desinformationsstrategie von Trump konnte nur erfolgreich sein, weil das Vertrauen in die Neutralität der US-Medien erschüttert ist. Einerseits trug Trump dazu bei. Mit "Fake News"-Anschuldigungen untergrub er die Integrität einer wahrheitsgemäßen medialen Berichterstattung im Land, um selbst die uneingeschränkte Informationshoheit bei seinen Anhängern zu gewinnen.

Dass diese Strategie erfolgreich sein konnte, liegt allerdings auch an den Charakteristika der Medienlandschaft in den USA selbst. Egal ob CNN, Fox News oder die "New York Times": Viele US-Medien positionieren sich politisch, versuchen teilweise mit Kampagnen Einfluss zu nehmen. Eine Studie des überparteilichen Forschungszentrums "Pew Research" zeigt: Nur 23 Prozent der republikanischen Wähler haben insgesamt Vertrauen in 30 ausgewählte US-Medien, bei den Demokraten sind es 73 Prozent.

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Das muss sich ändern: US-Medien müssen Vertrauen zurückgewinnen, um ihrer Rolle als tragende Säule der Demokratie gerecht zu werden. Dazu braucht es mehr Transparenz bei der Informationsvermittlung und, genau wie bei Trump, eine kritische Berichterstattung über Bidens Präsidentschaft.

5. Verantwortung der sozialen Netzwerke

Das Misstrauen in die etablierten US-Medien sorgte dafür, dass sich viele Trump-Fans und -Medien Informationsquellen zuwandten, die Lügen und falsche Informationen verbreiteten. Die Hauptrolle spielten dabei soziale Netzwerke.

Trump war ein Präsident, der sein Land über Twitter regierte. Gern nahmen die etablierten Medien viele seiner Tweets auf, zu groß war die Reichweite, die ihnen der US-Präsident damit verschaffte. Doch Menschen Politik mit 280 Zeichen zu vermitteln, ist schwer. Auch wenn Medien Trumps Kurznachrichten einordneten, verbreiteten sie dennoch seine Lügen und falschen Fakten.

Auch die sozialen Netzwerke selbst profitierten von der Reichweite und von der Relevanz, die ihnen durch Trump zuteil wurde. Erst spät, als der abgewählte Präsident Lügen über die US-Wahl verbreitete und der wütende Trump-Mob das Kapitol angriff, reagierten sie. Unwahrheitsgemäße Tweets wurden auf Twitter zunächst nur mit einem Warnhinweis versehen, erst danach wurde Trump auf den größten Plattformen gesperrt.

Das muss sich ändern: Soziale Netzwerke dürfen nicht noch einmal zum Steigbügelhalter für einen gesellschaftlichen Brandstifter werden. Dabei ist allerdings Augenmaß gefragt. Die Löschung von Trumps Accounts war richtig, weil er den sozialen Frieden in den USA gefährdete. Aber Meinungsfreiheit muss auch in den sozialen Netzwerken gelten, weil sich sonst Gruppierungen auf anderen Plattformen organisieren und möglicherweise noch schneller radikalisieren. Es braucht eine neutrale Prüfung der Richtigkeit von Informationen, auch von politischen Entscheidungsträgern.

Trump war Warnung für das Land

Der Kampf gegen die zunehmende Zerrissenheit der US-Gesellschaft kann also nur erfolgreich sein, wenn sich die wichtigen politischen und gesellschaftlichen Bereiche verändern. Für Populisten und Nationalisten war die Präsidentschaft eine Erfolgsgeschichte, eine strategische Blaupause mit internationaler Strahlkraft. Der scheidende US-Präsident hat gezeigt, wie sich mit Spaltung Macht gewinnen lässt. Deshalb ist die Gefahr für die Demokratie nicht überstanden, Trump war erst der Anfang.

Biden hat die Notwendigkeit einer Umkehr dieser Entwicklungen erkannt – er setzt auf eine versöhnende Rhetorik. Es ist eine zukunftsweisende Aufgabe, bei der er Unterstützung braucht. Für ihn und für die Vereinigten Staaten lässt sich dabei nur auf eines hoffen: Dass die vier Jahre unter Donald Trump Warnung genug waren.

Verwendete Quellen
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