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Sachsen-Anhalt: Elf Gründe, warum Rainer Wendt nicht Staatssekretär geworden ist


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Besoldungslügen und Kuschelkurs mit der AfD
Elf Gründe, warum Rainer Wendt nicht Staatssekretär geworden ist


25.11.2019Lesedauer: 7 Min.
Umstrittener Gewerkschafter Rainer Wendt: Viele Gründe sprachen dagegen, den 62-Jährigen zum Staatssekretär zu machen.Vergrößern des Bildes
Umstrittener Gewerkschafter Rainer Wendt: Viele Gründe sprachen dagegen, den 62-Jährigen zum Staatssekretär zu machen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Rainer Wendt als Staatssekretär im Innenministerium? Nach heftiger Kritik bekommt der umstrittene Polizeigewerkschafter den Job doch nicht. t-online.de hat zusammengetragen, warum.

Als klar war, dass Rainer Wendt nicht Staatssekretär im Innenministerium von Sachsen-Anhalt wird, da schickte der Polizeigewerkschafter auf Facebook eine Botschaft an seine Abonnenten: "Lügner und Heuchler" hätten verhindert, dass er Sachsen-Anhalt dienen kann. Wendt zeigt keinerlei Verständnis für den Proteststurm, der wegen seiner Person losgebrochen war. Dabei gab es viele Gründe, die dagegen sprachen, Wendt zum Staatssekretär zu machen. Am Montag wurde zudem bekannt, dass ein laufendes Disziplinarverfahren gegen ihn inzwischen abgeschlossen ist und er eine Dienstpflichtverletzung begangen hat.

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) hätte die Kenia-Koalition mit Grünen und SPD in Sachsen-Anhalt zum Platzen bringen können. So viel Aufregung um einen angedachten Staatssekretär und das drohende Aus einer Regierung gab es zuletzt bei Hans-Georg Maaßen. Jetzt sind beide Beinahe-Staatssekretäre. Und wie Maaßen in seinem Fall sieht auch der 62-jährige Wendt bei sich keine Fehler. Einen "skandalösen Vorgang" nannte er es auf Facebook, dass er doch nicht ins Amt kommt. Von einer "Hetzjagd" schrieb er – von den Medien auf ihn. Die SPD habe "hemmungslos Lügen verbreitet", Grüne und Linke hätten das nachgeplappert.

Doch warum schwappten die Wellen von Unverständnis und Empörung so hoch, wieso wollten Grüne und SPD sogar die Koalition platzen lassen? t-online.de erläutert elf Gründe, warum Kritiker gegen Wendt Sturm liefen.

1. Vorwurf: Wendt kassierte Steuergelder ohne Gegenleistung

Der Polizeigewerkschaftler hatte bereits als NRW-Landesvorsitzender seine Arbeitszeit auf 28,5 Stunden reduziert. Weil es um die Freiräume für die Gewerkschaftsarbeit Konflikte mit Duisburgs Polizeipräsident gab, wurde er im Januar 2006 ins Mönchengladbacher Präsidium versetzt und musste gar keinen Dienst mehr verrichten. Im September 2007 konnte er den Bundesvorsitz der DPolG übernehmen, bekam aber weiter Sold vom Land. 2010 wurde er formal Pressereferent beim Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste und dort schon nach einem Monat befördert, erhielt zuletzt für die Teilzeittätigkeit monatlich 3.348,68 Euro. Dies war rechtswidrig.

Allerdings: Strafrechtlich konnte Wendt kein Vorwurf gemacht werden – er nahm nur an, was ihm geboten wurde. Die Regelung gab es nicht nur für ihn, mehrere Bundesländer wollten mit der ungesetzlichen Praxis die beiden kleineren Polizeigewerkschaften DpOlG und BDK unterstützen, die nicht über freigestellte Personalräte verfügen. Wendt musste das Geld auch nicht zurückzahlen. Er sagte am Sonntag der "Bild", die "sogenannte 'Gehalts-Affäre' hat es nie gegeben".

2. Vorwurf: Wendt log und täuschte in der Besoldungsaffäre

Wendt hatte zunächst in einem Interview abgestritten: "Sicher" bekomme er von seiner Dienststelle kein Geld, sagte er auch auf Nachfrage. Noch am gleichen Tag rief er die Reporter zurück, um mit der Wahrheit rauszurücken: Er habe gedacht, seinen Minister und seine Dienststelle schützen zu müssen und deshalb nicht die Wahrheit gesagt.

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Dann ging alles ganz schnell: Er beantragte am Rosenmontag 2017 die Versetzung in den Ruhestand, am Veilchendienstag wurde das vom Ministerium genehmigt und am Aschermittwoch war er in Pension. Die monatelange Aufklärung der Affäre durch ein Verwaltungsermittlungsverfahren in NRW unterstützte er aber nicht. Er wollte keine Angaben machen. Einen Rücktritt wegen der Affäre schloss er aus.

3. Vorwurf: Wendt kassierte heimlich weitere große Summen

Zunächst hatte Wendt es so dargestellt, dass er für sein Gewerkschaftsamt sogar draufzahlt: Er bekomme in der Summe weniger, als ihm als Hauptkommissar zustehen würde. Stimmte aber nicht: Er übernahm auch noch einen mit jährlich 50.875 Euro dotierten Posten im Aufsichtsrat der AXA Versicherung, deren Produkte er auch in der Gewerkschaft bewarb. Der "Spiegel" berichtete von weiteren Posten in Gremien, sodass er auf insgesamt zusätzlich 77.721,13 Euro brutto im Jahr kam. Das Innenministerium leitete ein Disziplinarverfahren wegen nicht angezeigter Nebentätigkeit ein und kam nach Angaben vom Montag zu dem Schluss, das Wendt gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen hat. Das Verfahren wurde nach Angaben des Innenministeriums am 31. Oktober 2019 mit einer Maßnahme abgeschlossen. Eine mögliche Maßnahme ist etwa eine Kürzung des Ruhegehalts.

Allerdings: Die Einnahmen aus seinen zwei Büchern hat Wendt nach seinen Angaben komplett einer Stiftung seiner Gewerkschaft für verletzte Einsatzkräfte und einer Stiftung für Unfallopfer gespendet.

4. Vorwurf: Wendt kuschelt mit der AfD

Kritiker der Personalentscheidung sahen darin Vorbereitungen, ein Bündnis mit der AfD anzubahnen. Erste Reaktionen von AfD-Politikern nährten den Verdacht: "Sollte die CDU Sachsen-Anhalt damit ein Zeichen für bürgerliche Mitte-rechts-Politik der Zukunft senden, ist es beachtenswert", twitterte der AfD-Landesvorsitzende Martin Reichardt. Der Landtagsabgeordnete Ulrich Siegmund kommentierte den Wendt-Plan mit "Sehr gut! Unser erster inoffizieller Staatssekretär." Wendt hat sich auch gegen "ständige Ausgrenzung und Verächtlichmachung demokratisch gewählter Politikerinnen und Politiker" ausgesprochen.

Er kritisierte in seinem Buch "Deutschland in Gefahr", Genossen wollten Nachrichtendienste "zu Partei-Geheimpolizeien degradieren", indem sie "nicht verbotene Parteien" vom Verfassungsschutz beobachten ließen. Wendt erklärte auch: "Ich kann jeden verstehen, der sagt, dies ist überhaupt kein Rechtsstaat mehr." Die AfD warb im Wahlkampf auf Facebook mit seinem Foto und dem Spruch "Es wird höchste Zeit, die Dinge zu ändern." Wendt wird auch für Aussagen von drohenden Bürgerkriegsszenarien kritisiert, die voll auf der Linie der Ängste schürenden AfD liegen. Sogar von der Pegida-Bühne hieß es im Oktober 2016: "Rainer Wendt ist einer von uns."

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Allerdings: Wendt ging sogar per Einstweiliger Verfügung gegen die Nutzung seines Bildes durch die AfD vor, erklärte: "Ich will mich von der AfD nicht vereinnahmen lassen. Ich will mit dieser Partei nichts zu tun haben." Er erklärt auch immer wieder, dass die CDU durch entsprechende Politik die AfD überflüssig machen solle. Manchen AfD-Positionen widerspricht er auch klar.

5. Vorwurf: Wendt ist selbst in der Polizei umstritten

Aus den anderen Gewerkschaften wird Wendt regelmäßig für seine Rhetorik, aber auch fachlich scharf kritisiert. Markantestes Beispiel: Wendt forderte nach Krawallen mit vielen verletzten Polizisten Gummigeschosse für die deutsche Polizei. Erwiderung aus der Gewerkschaft GdP: "Wir leben in Deutschland nicht in einem Bürgerkrieg. Wir sollten ihn auch nicht herbeireden". Der GdP-Landesvorsitzende Frank Richter warnte: "Wer Gummigeschosse einsetzen will, nimmt bewusst in Kauf, dass es zu Toten und Schwerverletzten kommt." Auch Wendt-Äußerungen zu einem Zaun an Deutschlands Grenzen lösten Fassungslosigkeit bei Kollegen aus. Die GdP-Direktion Bundespolizei ätzte gegen Wendt in einem nicht mehr verfügbaren Facebook-Kommentar: Sein "faktenfremder Populismus, seine offenkundige Fremdenfeindlichkeit und sein pauschales Agitieren gegen Minderheiten" seien "unerträglich".

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Auch in der eigenen Gewerkschaft regt sich Widerstand. In NRW, wo Wendt Ehrenvorsitzender ist, forderte der Landesverband nach der Besoldungsaffäre einen Neuanfang der Gewerkschaft auf Bundesebene. "Das System Rainer Wendt lässt sich dauerhaft nicht mehr halten." Wendt wollte 2020 erneut kandidieren, die SPD-Bundestagsabgeordnete Kirsten Lühmann hatte sich schon zur Gegenkandidatur bereit erklärt.

6. Vorwurf: Wendt grenzt sich nicht von Rassismus ab

Wendt liefert immer wieder Vorlagen für den Vorwurf, er grenze sich nicht genug von Rassismus ab. Als in bayerischen Polizeistuben das Aufhängen eines Kalenders der Gewerkschaft wegen rassistischer Motive untersagt wurde, sah Wendt in den fraglichen Bildern kein Problem. Zudem sei der Kalender ja auch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Wirbel löste es auch aus, als er dem rechtsverschwörerischen Magazin "Compact" sagte, die Diskriminierung von Frauen gehöre "zu den genetischen Grundbausteinen" junger Muslime. Von 60 Wissenschaftlern kam zudem anlässlich einer Einladung an die Uni Frankfurt der Vorwurf, Wendt trete für die "rassistische Polizeipraxis" des "Racial Profiling" ein.

Allerdings: Wendt wies es zurück, für "Racial Profiling" zu sein. Er behauptet, dass es das bei der Polizei gar nicht gebe. Die Aussage zu Muslimen rückte er später zurecht, eine Verbindung mit Genetik sei "natürlich völliger Unfug". Er habe auf erlerntes Verhalten durch die Erziehung angespielt.

7. Vorwurf: Wendt sind Grundrechte egal

Bei der Kür zum Unwort des Jahres 2008 war Wendt mit seiner Wortschöpfung "Karlsruhe-Touristen" in der Endauswahl: Das zeigte ein bedenkliches Verständnis der Grundrechte. Wendt hatte zwei FDP-Politiker verspottet, als diese wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit und zu weitreichenden Einschnitten eines Gesetzes wiederholt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anrufen wollten.

Auch das geheime NSA-Überwachungsprogramm "Prism", das Edward Snowden öffentlich gemacht hatte, verteidigte Wendt: Der Schutz vor Terror und Kriminalität sei das wertvollste Bürgerrecht. Auch beim Prinzip der Gewaltenteilung attestierten Kritiker Wendt Probleme: Als das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung kippte, hatte Wendt gepoltert: "Es darf nicht sein, dass die Politik tatenlos zusieht, wie uns das Gericht die Hände bindet."

8. Vorwurf: Wendt bringt nicht die erforderliche Qualifikation mit

Wendt war im Polizeidienst zuletzt als Dienstgruppenleiter für einige Handvoll Polizisten verantwortlich, ist aber seit 2006 aus diesem Job raus. Er brachte es bis zur Besoldungsstufe A12, wäre als Staatssekretär in B9 eingruppiert. Das ist eine andere Besoldungsgruppe, wäre aber ein Aufstieg um gut zehn Gehaltsstufen.

Allerdings: Wendt ist gut vernetzt, hat als Gewerkschaftschef auch Erfahrung in der Führung einer großen Organisation, die allerdings voll auf ihn zugeschnitten ist.

9. Vorwurf: Wendt hat enormen Geltungsdrang

Als Terroristen im November 2015 Orte in Paris angriffen, gab Wendt in den folgenden 48 Stunden 22 Interviews. Beim Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum in München verließ er ein Konzert und rief von unterwegs die überraschte Redaktion eines Nachrichtensenders an, er sei gleich da. Journalisten können bestätigen, dass Wendt kaum ein Mikro auslässt und zu jedem Thema etwas sagt, und das möglichst provokativ, damit es Wellen schlägt. So ist er zu vermeintlich "Deutschlands bekanntestem Polizisten" geworden – obwohl er für "die Polizei" gar nicht sprechen kann.

Allerdings: Wendt gibt unumwunden zu, die Öffentlichkeit für seine kleinere Gewerkschaft zu suchen und dazu auch schriller zu sein. Die Mitgliederzahl ist von 80.000 bei Wendts Amtsübernahme 2007 auf über 100.000 im Jahr 2018 gestiegen. Und: In Talkshows oder längeren Interviews tritt Wendt auch oft ausgewogen und besonnen auf. Schließlich gehören auch die Medien dazu, die sich gerne von Wendt provokante Sätze liefern lassen.

10. Der Vorwurf: Wendt ist kein Ostdeutscher

Das zielte vor allem auf den Kurs von Ministerpräsident Reiner Haseloff, der sich als Verfechter von mehr Ostdeutschen in maßgeblichen Funktionen präsentiert. Nun hätte er sich einen aus Duisburg stammenden Pensionär mit Wohnsitz in München in die Regierung geholt.

11. Der Vorwurf: Wendt will die Fanszene kaputt machen

Wendt ist mit seinen Äußerungen für Fußball-Vereinsmanager und Fanvertreter zum roten Tuch geworden. 2009 hatte er ohne einen entsprechenden schwerwiegenden Vorfall gesagt: "Wer ins Stadion geht, begibt sich in Lebensgefahr." Der damalige DFL-Chef Christian Seifert nannte es "unverantwortlich und Panikmache aus Gründen der Selbstdarstellung". Ein Jahr später forderte Wendt, die Stehplätze abzuschaffen. Auslöser waren Krawalle in einem Spiel, bei dem der Ärger gar nicht von Stehplätzen ausging.

Verwendete Quellen
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