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TV-Kritik "Anne Will": "Gesellschaft muss aus der Panikmache raus"


TV-Kritik "Anne Will"
"Die Gesellschaft muss aus der Panikmache raus"

Von David Heisig

28.09.2020Lesedauer: 4 Min.
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Vizekanzler Olaf Scholz und Medizinethikerin Alena Buyx: Bei "Anne Will" diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Folgen der Coronakrise.Vergrößern des Bildes
Vizekanzler Olaf Scholz und Medizinethikerin Alena Buyx: Bei "Anne Will" diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Folgen der Coronakrise. (Quelle: Screenshot: ARD)

Die Maskenpflicht, regionale Lockdowns und das Pandemie-Verhalten innerhalb der Gesellschaft sind die Themen des Abends bei "Anne Will". Ein Gast zeigte sich dabei besonders kritisch.

Geht Deutschland den richtigen Weg im Umgang mit der Pandemie? In der aktuellen Ausgabe ihrer Talkshow versuchte Anne Will, mit ihren Gästen Ordnung in die geltenden Regelungen zu bringen und nach vorne zu schauen.

Die Gäste

  • Melanie Brinkmann, Professorin für Virologie an der Technischen Universität Braunschweig
  • Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates
  • Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler und Bundesfinanzminister
  • Wolfgang Kubicki (FDP), Bundestagsvizepräsident
  • Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Die Positionen

Wenn Will den freiheitsliebenden Juristen Kubicki fragte, wie drohende verschärfte Maßnahmen mit Freiheitsrechten Einzelner vereinbar seien, konnte dieser nur antworten: "Man kann auf diese Maßnahmen auch verzichten." Maskenpflicht auf öffentlichen Plätzen oder Anmeldepflicht für private Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen in gemieteten Veranstaltungsräumen in Nordrhein-Westfalen waren da nur zwei Beispiele. Kubicki schob aber gleich nach, dass man im Einzelfall entscheiden müsse, ob Maßnahmen vor allem verhältnismäßig seien.

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Die Menschen indes hätten gelernt, mit dem Virus zu leben. Brinkmann gab ihm Recht: "Regeln befolgen: das machen wir Deutschen ganz gut", sagte die Virologin. Diese müssten nur sinnvoll und verständlich sein. Das könne dann auch für eine Maskenpflicht auf belebten Plätzen in Innenstädten gelten.

Bewusst müsse allen sein, dass "es zum Herbst hin schwieriger wird", so Brinkmann, wenn alle mehr Zeit in Innenräumen verbrächten. Daher müsse zur AHA (Abstand-Hygiene-Alltagsmaske)-Regel noch das "L" für Lüften kommen. Ärztevertreter Gassen indes mahnte an, die Gesellschaft müsse "aus der Panikmache raus". Man müsse das Gesamtbild mit sinnvollen Maßnahmen und Eigenverantwortung der Menschen sehen. Allerdings spüre man auch die Ermüdung der Menschen. Je weniger transparent eine Maßnahme sei, umso weniger werde sie befolgt.

Das Zitat des Abends

Will bemühte sich, wenigstens Scholz hinter dem Ofen hervorzulocken. Ob beim Bund-Länder-Gipfel am Dienstag nicht Verschärfungen der Maßnahmen zu erwarten seien, wenn zum Beispiel der Deutsche Städte- und Gemeindebund heute schon eine Verschärfung der Maskenpflicht und die Beschränkung auf 50 Personen für private Feiern fordere? Der Vizekanzler blieb gelassen: "Ich glaube, dass das unser Land auszeichnet, dass nicht einer oder eine die Richtung vorgibt, sondern wir das sehr sorgfältig diskutieren." Der Föderalismus habe sich bewährt, man müsse die Lage regional differenziert betrachten. Bundesweiten Regelungen erteilte er damit für sich eine Absage.

Buyx gab ihm Recht. Die Regionalisierung sei wichtig, flächendeckende Regelungen kritisch zu sehen. Allerdings könnten regionale Begrenzungen von Privatfeiern sinnvoll sein. Diese hätten sich zu neuen Hotspots entwickelt. Beschränkungen dieser Art träfen einzelne Betroffenen allemal nicht so hart, wie ein neuerlicher Lockdown oder Schulschließungen die Gesellschaft gesamt, sollten die Infektionszahlen wieder exponentiell steigen.

Der Aufreger des Abends

Will musste an diesem Abend keine wilde Horde von Diskutanten bändigen. Eher im Gegenteil: Die Moderatorin hatte Mühe, ihre Gäste aus der Reserve zu locken. Etwa indem sie Scholz fragte, ob man zu spät die richtigen Schlussfolgerungen aus der Pandemie gezogen hätte. So hätte man zum Beispiel Altenheime früher mit FFP-2-Masken ausrüsten können. Aber: "Hätte, hätte, Fahrradkette." Selbst Kubicki wollte Scholz hier nicht in die Parade fahren, als dieser davon sprach, man wäge Maßnahmen auch jetzt noch gut ab. Zumal es nicht den einen richtigen Weg geben könne. Einigkeit allenthalben.

Auch in der wissenschaftlichen Fraktion der Sendung, etwa beim Thema Antigen-Schnelltests. Brinkmann betonte, die könnten ein gute Ergänzung zu den bestehenden PCR-Tests sein, weil sie schnell ein Ergebnis lieferten. Allerdings bräuchten sie eine bestimmte Virusmenge, um Positivität festzustellen, seien daher unsicherer im Ergebnis. Gassen sah es ähnlich. Aber selbst wenn in zehn Prozent der Fälle das Ergebnis falsch negativ sei, müssten die Anwender die Entscheidung treffen, ob sie dieses Risiko eingingen. Alle Maßnahmen seien kein Allheilmittel. Die Bürger seien durchaus in der Lage, ein Risiko abzuwägen.

Der Faktencheck

Welche Maßnahmen gibt es in anderen europäischen Ländern? Ein kleiner Überblick: In Spanien sind zum Beispiel landesweit alle Diskotheken geschlossen, es gibt Öffnungsbeschränkungen von Restaurants, es gilt ein Rauchverbot im Freien, wenn ein Abstand von zwei Metern nicht eingehalten werden kann. Zudem können die Regionalregierungen weitere Maßnahmen erlassen. So sind in manchen Regionen Zusammenkünfte von mehr als 10 Personen untersagt. Zudem müssen die Menschen landesweit an allen öffentlichen Orten innerhalb und außerhalb geschlossener Räume und in den öffentlichen Verkehrsmitteln Mund-, Nasenbedeckung tragen. Auch in Italien läuft ohne Maske nichts. So gilt an öffentlichen Orten, an denen sich viele Menschen versammeln, zwischen 18 und 6 Uhr eine Tragepflicht. Zudem werden an vielen Behörden, Museen und Geschäften Fiebermessungen durchgeführt. Zu hohe Temperatur führt dazu, dass der Einlass verwehrt wird. Außerdem gelten auch hier Abstandsgebote. Die Regionen und Kommunen können in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen eigene Regelungen erlassen. In Frankreich hat die Regierung das Virusgeschehen in vielen Departments als sehr aktiv eingestuft. Behörden können so das öffentliche Leben in bestimmten Bereichen einschränken.

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Die französische Regierung hat zudem ein mehrstufiges neues Alarmsystem etabliert. Demnach können in der maximalen Alarmstufe, aktuell in Marseille und Guadeloupe, etwa Restaurants geschlossen werden. Konzertveranstaltungsorte sind aktuell landesweit noch nicht wieder in Betrieb. National dürfen keine Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Menschen stattfinden. Zudem richtet die französische Regierung den Fokus auf die Erhöhung von Testkapazitäten und die Beschleunigung von Testergebnissen.

Zudem gilt für alle Personen ab elf Jahren die Verpflichtung, an allen öffentlich zugänglichen geschlossenen Räumen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln eine Mund-, Nasebedeckung zu tragen. In vielen Städten gehen die Behörden dazu über, das auch für Orte unter freiem Himmel mit starken Publikumsverkehr auszuweiten. In Österreich gilt eine landesweite Maskenpflicht unter anderen in öffentlichen Verkehrsmitteln, Läden, Behörden und an Schulen. Zudem wurden aktuell die Regeln für Gastronomie und Veranstaltungen verschärft.

Verwendete Quellen
  • Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts: Spanien
  • Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts: Italien
  • Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts: Frankreich
  • Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts: Österreich
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