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Corona-Beschlüsse in Deutschland: Wird landes- oder bundesweit gelockert?


Wann darf gelockert werden?
Die große Inzidenz-Verwirrung: "Das versteht kein Mensch"


Aktualisiert am 11.02.2021Lesedauer: 4 Min.
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Geschlossene Geschäfte in Hamburg: Können einzelne Länder schon vor dem 7. März die Corona-Maßnahmen lockern? Darüber herrscht bundesweit Verwirrung.Vergrößern des Bildes
Geschlossene Geschäfte in Hamburg: Können einzelne Länder schon vor dem 7. März die Corona-Maßnahmen lockern? Darüber herrscht bundesweit Verwirrung. (Quelle: Hanno Bode/imago-images-bilder)

Ab einer Inzidenz von 35 sollen Beschränkungen aufgehoben werden, so Bund und Länder. Unklar bleibt aber: Muss die 35 bundesweit erreicht sein – oder dürfen Länder früher lockern?

Es klang gestern Abend so, als wäre alles klar: Ab einer Inzidenz von 35 – also 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen – soll es in Deutschland zu einer Lockerung des Lockdowns kommen. Doch in der Praxis wirft diese Regelung offenbar viele Fragen auf. Zum Beispiel die sehr zentrale Frage: Muss die Inzidenz für ein Lockdown-Ende bundesweit oder nur landesweit unter 35 liegen?

Bundesweit liegt die Inzidenz derzeit bei 64, den niedrigsten Wert verzeichnet laut Robert Koch-Institut Rheinland-Pfalz mit 55, Baden-Württemberg und Berlin folgen fast gleichauf mit 56. Den höchsten Wert verzeichnet Thüringen mit 106.

Im Osten geht man von bundesweiten Lockerungen aus

Das Gesundheitsministerium von Jens Spahn verweist auf t-online-Anfrage auf die einzelnen Landesregierungen und das Bundeskanzleramt. Dort würden schließlich die Beschlüsse gemacht, heißt es, die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin seien zuständig.

Doch wie t-online erfuhr, herrscht auch bei den Landesregierungen Verwirrung darüber, was genau eine Lockerung bei einer Inzidenz von 35 bedeuten soll. Aus einem CDU-geführten Bundesland im Osten Deutschlands ist zu hören, dass man sich insgesamt mehr Einheitlichkeit in den Regelungen wünscht: Es sollte einheitliche Regelungen geben, nicht dass jedes Bundesland selbstständig ab dem Inzidenzwert 35 nach Belieben einzelne Bereiche wieder öffnen kann.

Dementgegen steht jedoch ein Passus aus dem Beschluss von Bund und Ländern am Mittwochabend. Dort heißt es: "Mit den benachbarten Gebieten mit höheren Inzidenzen sind gemeinsame Vorkehrungen zu treffen, um länderübergreifende Inanspruchnahme der geöffneten Angebote möglichst zu vermeiden."

Aus der ostdeutschen Landesregierung, wird zudem darauf verwiesen, dass der Wert von 35 ohnehin nicht vor dem 7. März erreicht würde: "Es ist also eine sehr theoretische Frage, ob wir vor dem 7. März schon lockern können."

Berlin und Mecklenburg-Vorpommern: Lockerungen nach Landesinzidenz

In anderen Bundesländern interpretiert man den Beschluss eindeutig anders: Dort geht man davon aus, dass lediglich die landesweite Inzidenz für Lockerungen unter 35 liegen müsse. So wären theoretisch auch Lockerungen in einzelnen Ländern, die wenig Neuinfektionen verzeichnen, vor dem 7. März denkbar.

Die Berliner Senatskanzlei teilt t-online auf Nachfrage am Donnerstag mit: "Wenn Länder eine stabile 35er-Inzidenz erreichen, können die Länder in Absprache mit den Nachbarländern den nächsten Öffnungsschritt gehen." Das sei aber kein Automatismus, so Senatssprecherin Melanie Reinsch zu t-online. "Darüber wird dann der Senat entsprechend beraten und entscheiden." Das gelte auch, wenn eine Inzidenz von unter 35 schon vor dem 7. März erreicht werde.

Auf der Pressekonferenz nach der Bund-Länder-Runde am Mittwochabend hatte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bereits betont, dass es zum Beispiel bei Öffnungen im Einzelhandel eine Verständigung zwischen benachbarten Ländern geben müsse, also etwa zwischen Berlin und Brandenburg. "Wir kommen ja jetzt doch in großen Schritten gemeinsam in die Phasen, wo wir überhaupt über solche Dinge nachdenken, wo die Inzidenzen für die Länder insgesamt nach unten gehen."

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Auch in der Staatskanzlei in Mecklenburg-Vorpommern geht man davon aus, dass der landesweite Inzidenzwert für Lockerungen entscheidend sei: "Der Beschluss stellt die Entscheidung in die Zuständigkeit der Länder", sagte Regierungssprecher Andreas Timm t-online. Die Frage nach einer Öffnung vor dem 7. März aber stelle sich derzeit in Mecklenburg-Vorpommern nicht. "Wir liegen bei einer Inzidenz von 70."

Schleswig-Holstein lockert schon jetzt, Rheinland-Pfalz will warten

Schleswig-Holstein lässt sich von einer Inzidenz von noch rund 60 nicht stören. Nach Ankündigung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Donnerstag will man dort bereits ab 1. März weitere Lockerungen vornehmen. Neben den Friseuren sollen auch Zoos, Wildparks, Gartenbaucenter und Blumenläden schon Anfang März öffnen können.

In Niedersachsen dürfen Gartencenter und Blumenläden sogar schon ab Samstag wieder öffnen. Ansonsten stehe der Lockdown aber bis zum 7. März in jedem Fall fest, heißt es auf Anfrage. Es sei ja ohnehin immer betont worden, dass es nicht nur auf die Inzidenz, sondern auch auf andere Faktoren wie den R-Wert ankomme. Das 35er-Ziel interpretiert man auch hier als landesweite Inzidenz.

Rheinland-Pfalz, das derzeit mit 55,3 die niedrigste Inzidenz unter den Ländern verzeichnet, will erst am 7. März weitere Beschränkungen aufheben – auch wenn man bereits früher unter die Marke von 35 fällt. "Ich halte es für wichtig, dass wir in Deutschland gemeinsame Regelungen haben, daher werden wir in Rheinland-Pfalz im Gleichklang mit den Ländern bleiben und erst ab dem 7. März weiter lockern", sagte Regierungssprecherin Andrea Bähner t-online am Donnerstag. Früher würden – wie vom Beschluss gedeckt – nur Grundschulen (im Wechselunterricht) und Friseure geöffnet.

Virologe: 35er-Inzidenz könnte bis Anfang März erreicht sein

Aus Kreisen der Koalitionsfraktionen ist zu hören, dass es sich schon um die Landesinzidenz handeln werde. Klar sei aber auch, dass die Frage, was bei einem früheren Erreichen passiert, eher theoretisch sei, weil eine 7-Tages-Inzidenz von 35 vor dem 7. März rein zeitlich nicht realistisch sei. Aus der Bundes-CDU hieß es, dass man dort die Regelung kaum noch versteht. Ein ranghoher Abgeordneter sagt zu t-online: "Das kann doch alles nicht ganz wahr sein, das versteht kein Mensch."

Im Gegensatz zu den abwehrenden Äußerungen aus der Politik ist es aus Sicht des Gießener Virologen Friedemann Weber durchaus realistisch, dass die 35er-Inzidenz sogar bundesweit bereits Anfang März erreicht werden könnte. "Ich kann mir vorstellen, dass man bis dahin auf den Zielwert von 35 kommt – wenn sich alle weiter an die verordneten Maßnahmen halten", sagte Weber der Deutschen Presse-Agentur.

Und nicht nur die Frage, wo die 35 erreicht werden muss, ist offenbar noch nicht allen ganz klar. Auch was es eigentlich bedeutet, eine "stabile" 7-Tage-Inzidenz von höchstens 35 nachweisen zu können, bietet Raum für Interpretationen. Selbst Kanzlerin Angela Merkel kam am Abend ins Straucheln, als sie das auf der Pressekonferenz erklären wollte. Das sei manchmal unterschiedlich definiert worden, sagte Merkel. "Mindestens drei Tage, sage ich mal. Irgendwas zwischen fünf und drei Tagen. Oder drei und fünf Tagen. Sollte es sein. Also Sie können mal davon ausgehen: mindestens drei Tage."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfragen an die Staats- und Senatskanzleien der Länder
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