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Kritik an Impfgipfel zwischen Bund und Ländern: "Hinkt Realität hinterher"


"Hinkt der Realität hinterher"
Kritik an Impfgipfel zwischen Bund und Ländern

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 27.04.2021Lesedauer: 7 Min.
Das Impfzentrum in der Metropolishalle des Filmparks Babelsberg (Symbolbild): Geimpfte sollen künftig mehr Freiheiten erhalten.Vergrößern des BildesDas Impfzentrum in der Metropolishalle des Filmparks Babelsberg (Symbolbild): Geimpfte sollen künftig mehr Freiheiten erhalten. (Quelle: Soeren Stache/dpa)
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Geimpfte sollen mehr Freiheitsrechte zurückerhalten, hieß es nach dem Impfgipfel von Bund und Ländern. Aus Sicht der Grünen bleibt vieles ungeklärt. Auch nicht alle

Kommunen und Landkreise vermissen nach dem Impfgipfel von Bund und Ländern Ergebnisse zum Umgang mit Geimpften. "Dass bei der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin noch keine abschließende Verständigung über die Aufhebung der Grundrechtseinschränkungen für vollständig geimpfte Bürgerinnen und Bürger getroffen wurde, ist bedauerlich", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der "Rheinischen Post".

Zwar diskutierten Kanzlerin Angela Merkel und die Länderchefs am Montagnachmittag bei ihrem Treffen auch über Regelungen für vollständig Geimpfte und Genesene, es gab aber wie erwartet keine Beschlüsse. Der geplanten Verordnung müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen, wie Merkel erläuterte.

Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht nach dem Impfgipfel weiteren Klärungsbedarf. "Damit die Impfkampagne in den nächsten Wochen bei besserer Impfstoffverfügbarkeit mehr Tempo entfalten kann, hätte es heute klare Absprachen und Vorbereitungen für die baldige Einbeziehung der über 10.000 Betriebsärzte geben müssen", sagte Göring-Eckardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es müsse zudem zügig geprüft werden, ob bei bestimmten Impfstoffen die Zulassung für Kinder und Jugendliche erweitert werden könne oder wie Kinder anders schneller einen Impfschutz erhalten könnten. Der Impfgipfel habe viele Fragen offen gelassen "und hinkt der Realität hinterher".

FDP-Chef Christian Lindner ergänzte gegenüber den Blättern: "Sie sollten so schnell wie möglich in die Impfkampagne einbezogen werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Impfstoff in Zukunft auf Halde liegt, obwohl die Nachfrage nach Impfungen groß ist."

Auch der Landkreistag hätte sich ein klareres Ergebnis von der Videokonferenz gewünscht. "Es ist richtig, wenn schnell überall dort, wo bereits ein negativer Antigentest ausreicht, dies auch für Geimpfte und Genesene gilt. Gerade für den Einzelhandel und die Gastronomie wäre damit endlich eine Perspektive verbunden", sagte Landkreistagspräsident Reinhard Sager den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Kritik auch von Ministerpräsidenten

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat sich unterdessen gegen eine schnelle Rücknahme von Corona-Beschränkungen für bereits Geimpfte ausgesprochen. "Solange wir noch nicht allen Menschen ein Impfangebot machen können, sollten wir eine unterschiedliche Behandlung von geimpften und noch nicht geimpften Menschen so weit wie möglich vermeiden", sagte der SPD-Politiker. Wo möglich, sollten deswegen sichere Alternativen auch für negativ getestete Menschen eröffnet werden. "In anderen Bereichen werden dagegen meines Erachtens geimpfte Menschen auch weiterhin um Rücksicht auf diejenigen gebeten werden müssen, die noch auf ihre Impfung warten."

Bei einem Impfgipfel von Bund und Ländern ging es zuvor unter anderem um die Rückgabe gewisser Grundrechte für Geimpfte. Die Bundesregierung wolle eine entsprechende Verordnung erarbeiten, gab Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannt. Diese soll am 28. Mai den Bundesrat passieren, wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Abend in der ARD sagte.

Auch Tschentscher ist skeptisch

Doch auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sieht die Pläne kritisch. Der Bund erarbeite derzeit eine Verordnung, "der zugrunde liegt der Gedanke, dass Grundrechtseinschränkungen so früh wie möglich aufgehoben werden." Dabei müsse neben einem Impfangebot für alle aber immer auch die Pandemielage berücksichtigt werden.

Es gebe zwar die Einschätzung, dass von Geimpften und Genesenen "ein sehr geringes Risiko" ausgehe. "Nicht gar kein Risiko", betonte er. Es müsse auch bedacht werden, dass "die Kumulation von Restrisiken" etwa durch neue Virusvarianten wieder zu einem nennenswerten Risiko führen könne. Hier sei neben der Aufhebung der Grundrechtseinschränkungen für Geimpfte und Genesene auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der anderen zu beachten.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hingegen hält die Rückgabe bestimmter Freiheitsrechte für Geimpfte Ende Mai/Anfang Juni für realistisch. Sie könnten dann zurückgegeben werden, wenn keine Gefahr mehr von ihnen ausgehe, sagte Haseloff.

Müller: Brauchen digitalen Impfausweis für Kontrollen

Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller (SPD), befürwortet dies grundsätzlich ebenfalls, rechnet aber mit Schwierigkeiten bei Kontrollen. "Wir werden dann Situationen haben, dass abends auf den Straßen Menschen unterwegs sind, die zur Arbeit gehen oder von der Arbeit kommen", sagte der aktuelle Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz am Montag nach dem Impfgipfel von Bund und Ländern. "Und wir werden einige haben, die können sich auf der Straße bewegen und spazieren gehen, weil sie geimpft sind." Es werde aber auch einige geben, die ohne triftigen Grund unterwegs seien. "Es wird nicht einfach, mit der Situation umzugehen, und das ist vielleicht auch nicht komplett aufzuheben", so der SPD-Politiker.

Müller hofft entsprechend auf den digitalen Impfnachweis noch im späten Frühjahr. "Wenn wir Ende Mai, Anfang Juni wissen, wie die Beratungen im Bundestag und Bundesrat gelaufen sind mit der entsprechenden Verordnung, dann wird hoffentlich kurz danach der digitale Impfnachweis möglich sein", sagte er.

Hans: Lockerungen nicht nur für Geimpfte

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sprach sich dafür aus, dass die Erleichterungen auch für negativ Getestete gelten müsse: "Die geplante Verordnung des Bundes sieht im Kern genau das vor, was wir mit unserem Saarland-Modell bereits praktizieren: Für Menschen, von denen nachweislich kein hohes Ansteckungsrisiko ausgeht, sind mehr Freiheiten möglich." Da es bislang aber nicht möglich sei, allen Menschen ein Impfangebot zu machen, sollten negativ Getestete für die Dauer der Gültigkeit des Tests den Geimpften gleichgestellt werden.

Kretschmann: Gipfel nur "Vorberatung"

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann warb um Verständnis dafür, dass die Frage der Erleichterungen für Geimpfte bei Corona-Vorschriften nicht so leicht zu regeln sei. "Es ist ja eine komplizierte Frage, wie weit man dabei gehen kann", sagte der Grünen-Politiker am Montagabend. Deswegen sei der Gipfel erst eine "Vorberatung" gewesen, sagte Kretschmann am Rande der Koalitionsverhandlungen mit der CDU in Stuttgart.

Kanzlerin Angela Merkel und die Länderchefs hatten sich am Nachmittag zum Impfgipfel zusammengeschaltet. Der geplanten Verordnung müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen. Laut einem Eckpunktepapier der Bundesregierung vom Wochenende könnten Geimpfte und Genesene etwa beim Zugang zu Geschäften und Dienstleistungen wie Friseuren dieselben Ausnahmen bekommen, die für negativ Getestete gelten. Bei der Einreise aus dem Ausland könnte in den meisten Fällen eine Quarantäne wegfallen. Maskenpflicht und Abstand sollten aber auch für Geimpfte, Genesene und Getestete noch länger gelten.

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Woidke: Pläne in Brandenburg bereits Realität

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) betonte nach den Beratungen, dass in Brandenburg vollständig Geimpfte bereits mit negativ getesteten Bürgern gleichgestellt seien. Er kündigte an, dass das Kabinett am Dienstag eine Änderung der Quarantäneverordnung beschließen wolle. Damit solle auch für die Pendler an der deutsch-polnischen Grenze festgelegt werden, dass diejenigen mit vollständiger Impfung keinen Test mehr vorlegen müssen. Dies betreffe etwa Ärzte und Pflegekräfte.

Woidke zeigte sich optimistisch, dass die Corona-Impfungen deutlich Fahrt aufnehmen könnten. Sollten die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigten Liefermengen an Impfstoff tatsächlich eintreffen, gehe er davon aus, "dass es gelingen kann, dass bis Ende Mai etwa ein Drittel aller impfberechtigten Brandenburger mindestens eine Erstimpfung erhalten haben wird", sagte er am Montagabend.

Er wies darauf hin, dass Brandenburg in der vergangenen Woche die Prioritätsgruppe 3 geöffnet und damit Impfungen für über 60-Jährige, aber auch etwa für Lehrkräfte an weiterführenden Schulen, Feuerwehrleute und Beschäftigte im Katastrophenschutz ermöglicht habe. Er hoffe darauf, dass bei genügend Impfstoff die Schutzimpfungen bereits Ende Mai für alle Bevölkerungsgruppen angeboten werden können.

Laschet: Noch zählen Risikogruppen

Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wies auf den Schutz von Berufsgruppen mit hohen Risiken hin. Er hält das voraussichtliche Ende der Impfpriorisierung im Juni daher für angemessen. "Ich finde, das Datum das heute festgelegt ist, der Monat Juni, ist sachgerecht. Denn in der dritten Priorisierungsgruppe sind viele Menschen, die in den letzten 15 Monaten hohe Risiken für uns in Kauf genommen haben", sagte Laschet nach dem Treffen.

Das seien etwa die Verkäuferinnen und Verkäufer in den immer geöffneten Lebensmittelgeschäften, die am Anfang ohne Maske und Plexiglas ihre schwere Arbeit für alle geleistet hätten. "Die sind jetzt dran mit dem Impfen und ich finde die sollten auch eine besondere Priorität genießen", betonte Laschet.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) ist mit der Beibehaltung der Priorisierung bei der Corona-Impfung voraussichtlich bis Juni ebenfalls zufrieden. "So können wir uns wie geplant im Mai auf die Gruppen zwei und drei konzentrieren", teilte Günther nach Ende des Gipfels am Montag mit. Ein erster Schritt der Öffnung von Gruppe drei sei mit den Impfungen für 60- bis 69-Jährige mit Astrazeneca über die Hausarztpraxen am Montag erfolgt. "Über das weitere Vorgehen werden wir in unserer Jamaika-Koalition beraten."

Günther begrüßte, dass spätestens im Juni auch die Betriebsärzte mit in die Impfkampagne einbezogen werden und die Impfstoffe dafür nach dem Einwohnerschlüssel auf die Länder verteilt werden. "So können Beschäftigte in Schleswig-Holstein profitieren und die Impfkampagne wird nochmals beschleunigt", teilte der Regierungschef mit.

Söder: Schnellere Aufhebung der Priorisierung

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder wünscht sich hingegen durch eine frühere Aufhebung der Corona-Impfpriorisierungen auch mehr Tempo bei den Impfungen. Durch die Einbeziehung der Ärzte und flexiblere Impfregeln "glauben wir, dass wir die Geschwindigkeit des Impfens und damit einen stärkeren Effekt im Kampf gegen die Pandemie deutlich verstärken und beschleunigen können", sagte der CSU-Chef. Nach der Notbremse zur Verhinderung für die größten Schäden durch die Pandemie brauche es jetzt "Vollgas fürs Impfen".

Ziel der Impfkampagne – so Söder weiter – müsse es neben der Senkung der Sterblichkeitsrate sein, dass auch mehr Mobilität und die Rückgabe von Freiheitsrechten möglich würden. Es sei eine "absurde Debatte", wenn etwa von zweifach Geimpften weiter ein negativer Corona-Test verlangt werde oder diese den gleichen Quarantäne-Regeln unterliegen müssten, wie Ungeimpfte. "Daraus leiten sich keine Anspruchsrechte, Institutionen zu öffnen", sagte Söder und gab als Beispiel Schwimmbadbesuche an. Im Bereich der Grundrechte sei es aber wichtig, Erleichterungen zu ermöglichen, dies führe auch dazu, dass die Bevölkerung sehe, "dass sich impfen lohnt".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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