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Unterwegs mit CDU-Kandidaten: Gute Laune trotz Armin Laschet


Besuch vor Ort
Der verzweifelte Kampf der CDU-Kandidaten

Von Titus Blome

22.09.2021Lesedauer: 7 Min.
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Armin Laschet wackelt. Doch in den Wahlkreisen kämpft man weiter.Vergrößern des Bildes
Armin Laschet wackelt. Doch in den Wahlkreisen kämpft man weiter. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)

Der Union droht das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Doch die Stimmung im Wahlkampf ist erstaunlich gut. Ist das Zweckoptimismus – oder die vielbeschworene Trendwende?

"Ihr habt einfach den falschen Kanzlerkandidaten aufgestellt." Auf diesen Satz hat Matthias Hauer sicher nicht gehofft, als er an der Tür klingelte. Doch der CDU-Mann, der an diesem Tag in seinem Essener Wahlkreis von Haus zu Haus läuft, hat ihn so oft gehört in den vergangenen Wochen, dass er abgestumpft ist. Klar, in diesem Fall tut es ein bisschen weh, er kennt das Ehepaar, das er nun in der der ruhigen Redtenbacherstraße besucht, gut. Sie duzen ihn.

Also sagt Hauer das, was man eben so sagt, wenn man gute Stimmung machen will: Ein Kanzler aus Nordrhein-Westfalen, das sei doch eine gute Sache. Für das Bundesland. Für Essen. "Natürlich, aber wir hätten uns jemanden gewünscht mit mehr… Strahlkraft", erwidert der Herr, der mit grauen Haaren, grauer Hose und grauer Strickjacke in der Tür seines grauen Hauses steht.

Auch das mit der fehlenden Strahlkraft bekommt Hauer nicht zum ersten Mal zu hören. Aber er lässt sich nicht beirren und verabschiedet sich mit dem Geschenk, das er fast allen Wählern überreicht, denen er begegnet: einen Pfannenwender aus Holz mit dem Schriftzug "Engagiert für Essen". Hauer hat sie extra anfertigen lassen. Sein Team und er finden das Präsent entschieden lustiger als die Empfänger, die den Witz meistens nicht sofort verstehen.

Für die CDU wird es knapp

Von einem Pfannenwender zur großen Trendwende im Wahlkampf ist es gedanklich auch durchaus ein ganz schöner Sprung. Dabei ist es ja genau das, was die Union braucht: Eine echte Wende. Sie liegt in den Umfragen zurück, ihr droht am Sonntag ein historisches Debakel. Der CDU, die sich als natürliche Regierungspartei der Bundesrepublik betrachtet, droht die Opposition. Nicht nur theoretisch, sondern ziemlich praktisch.

Man könnte also meinen, überall im Land liefen frustrierte CDU-Wahlkämpfer herum, die nur noch versuchen, das Allerschlimmste zu vermeiden. Doch vor Ort ist die Stimmung oft besser, als es die demoskopische Situation vermuten ließe. Vor allem die Sorge vor dem Linksrutsch scheint im Finale zumindest die eigene Klientel zu motivieren.

Aber ob das reicht? Die Wahlkämpfer müssen gegen so viele Vorurteile kämpfen, dass sie manchmal nicht wissen, wo sie anfangen sollen: Die einen Bürger beklagen zu laschen Klimaschutz, die anderen einen zu laschen Kandidaten.

Listenplätze sind keine Absicherung

Und allen vor Ort ist klar: Reicht es am Sonntag nicht, wäre nicht nur die Karriere von Armin Laschet beendet. Auch viele Abgeordnete müssten sich wohl nach einem neuen Job umgucken. Menschen wie Matthias Hauer.

Oder Sylvia Pantel. Die CDU-Abgeordnete aus Düsseldorf hat ihren Wahlkreis selbst 2017 nur knapp gewonnen. Als die SPD ein Desaster erlitt. Ist der Trend ein Genosse, war es das wohl mit Pantels Pendelei nach Berlin.

Zumal sie, da geht es ihr nicht anders als Hauer, nur geringe Chancen hat, über die Landesliste in den Bundestag einzuziehen. Klar, offiziell glaubt sie noch immer fest an den Wahlsieg. Und sie kämpft frohgemut und verbreitet Optimismus.

Lieber Merz oder Söder

Aber wenn sie Helfer besucht, die an Infoständen in Fußgängerzonen und vor Supermärkten stehen, sagt sie mit Blick auf den Wahltag auch schon mal: "Egal, ob es mein Einstieg oder mein Ausstieg wird, am Sonntag geht die Runde auf mich." Sie lacht dann. Mag die Lage auch noch so schlecht sein, die Stimmung ist ganz gut.

Und trotzdem ist Pantel natürlich verärgert. Auch wenn sie das so deutlich nicht sagt. Obwohl sie mehr oder weniger direkt vor der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei kandidiert, hält sie nicht besonders viel von ihrem Ministerpräsidenten. Zumindest nicht, wenn es um seinen Wunsch geht, Kanzler zu werden. Pantel war im Kampf um den Unionsvorsitz für Friedrich Merz. Und als es um die Kanzlerkandidatur ging, klar für Markus Söder.

Nun könnte sie der Mann, von dem sie noch nie überzeugt war, den Job kosten. Pantel könnte dann – wie Markus Söder – immer schön sagen: Ich habe es doch immer gewusst. Ein bitterer Trost. Und dem Abgeordneten Hauer aus Essen, eigentlich ein Unterstützer Laschets, geht es nicht viel besser.

Laschet sieht man wenig

Das Problem: Armin Laschet weckt nirgendwo wirkliche Begeisterung. Nicht in der Bevölkerung, nicht mal in der eigenen Partei. Er wirkt nach 16 Jahren unionsgeführter Regierung nicht wie der Kandidat des Aufbruchs. Das ist nicht nur seine Schuld, auch andere hätten es schwer gehabt, sich im Schatten der Kanzlerin zu profilieren.

Aber Laschet hat eben auch keinen wirklich guten Wahlkampf hingelegt. Das Lachen im Flutgebiet. Die mal aggressiven, mal kooperativen Auftritte in den Triellen. Die Präsentation all der Teams, mal eins fürs Klima, dann für die ganze Zukunft.

Wer die Wahlkämpfer der Union wenige Tage vor dem Wahltag in ihren Wahlkreisen besucht, dem fällt auf, dass sie den Kanzlerkandidaten eher verstecken. Matthias Hauer lächelt in Essen von vielen Plakaten. Die mit Armin Laschet muss man in seinem Wahlkreis suchen.

Man konzentriert sich auf sich selbst

"Unsere Prospekte haben wir selbst designt", erzählt er stolz. Allerdings zeigen die sein eigenes Gesicht, nicht Laschets. Und bei Sylvia Pantel in Düsseldorf tun die Helfer fast so, als hätten sie vergessen, dass es ja auch ums Kanzleramt geht. "Stimmt. Der hängt hier kaum", gibt einer von ihnen kleinlaut zu, als die Frage auf den wenig präsenten Kanzler in spe kommt. Immerhin hat Laschet es vorne auf einen Flyer von Pantel geschafft.

Wie sich das anfühlt, wenn eine Partei trotz aller Probleme noch halbwegs mit sich im Reinen ist, lässt sich an diesem Tag in Düsseldorf ebenfalls beobachten: Neben der CDU werben die Grünen um Stimmen. Es ist nicht so, dass Annalena Baerbock einen supererfolgreichen Wahlkampf hingelegt hätte. Trotzdem prangt sie lächelnd auf zwei Fahnen und anderen Wahlkampfutensilien.

Und wie es sich anfühlt, wenn es läuft, lässt sich am SPD-Stand beobachten: Hier verteilt ein älterer Herr Werbematerialien. Unter seiner Anzugshose trägt er rote Socken.

Ein trautes Miteinander

Und dennoch: Bei der CDU lassen sie sich die Stimmung einfach nicht verderben. Pantel ist heute die einzige Kandidatin dort an der Straße. Die Leute bleiben stehen, unterhalten sich mit ihr, wünschen Glück. Zwischendurch scherzt sie mit ihrem Team über den Geburtstag eines Freundes und ständig verspätete Handwerker. Sie schenkt allen Kaffee ein.

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Auch Hauer in Essen schießt mit seinen beiden jungen Wahlhelfern Witze hin und her. Sie ziehen ihn mit seinem Titel als "Twitter-König" des Bundestages auf, der ihm mal von einem Magazin verliehen wurde.

Ist die Laune also besser als die Lage? Nein, nein. So will Hauer das natürlich nicht verstanden wissen: "Natürlich kann die Union noch stärkste Kraft werden." Denn die Stimmung sei besser, als es die Umfragen abbilden würden.

Es hat schon einmal geklappt

Vielleicht glaubt er auch deshalb noch immer an einen Kanzler Laschet, weil er selbst schon einmal gegen jede Wahrscheinlichkeit gewonnen hat. Als er 2013 den Wahlkreis Essen III, eine alte SPD-Hochburg, mit nur 93 Stimmen Vorsprung schwarz färbte, war das eine kleine Sensation. Das gibt ihm wohl auch den Mut, daran zu glauben, dass er es auch dieses Mal schafft.

Aber was ein Besuch bei Hauer und Pantel dann auch klarmacht: Es ist nicht nur der Spitzenkandidat. Es sind ja auch die Themen, die alles schwieriger als nötig machen. "Inhalte kommen derzeit zu kurz", bedauert Pantel. Kurz darauf ergibt sich für sie die Gelegenheit, sich genau damit zu bewähren.

Eine Passantin kommt gleich zum Punkt: "Ich bin eigentlich typische CDU-Wählerin." Und dann folgt das große Aber: "Was Sie zum Klimaschutz im Programm stehen haben, das reicht einfach nicht." Pantel, Sprecherin des klimaskeptischen Berliner Kreises in der Union, nimmt sie beiseite.

Es fehlt die Präzision

Ein paar Minuten redete sie auf die Wählerin ein, erklärt ihr, der Klimaschutz in Deutschland sei unehrlich: "Wir stellen auf Erneuerbare Energien um und kaufen Kohle- und Atomstrom aus Frankreich und Polen." Was man stattdessen machen sollte, weiß sie allerdings auch nicht wirklich, redet von "Anpassung" und "Technologieoffenheit". Präziser wird sie nicht. Am Ende ist die Wählerin nicht überzeugt.

Vielleicht ist genau das ein Problem der CDU in diesem Wahlkampf: Sie schreibt, ziemlich konkret, ins Wahlprogramm, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll. Nur den Weg dorthin lässt sie weitgehend offen. Menschen unter 30, denen das Thema Klimaschutz besonders wichtig ist, überzeugt sie damit offenbar nicht.

Nur 12 Prozent von ihnen würden laut Umfragen Union wählen. Grüne und FDP hätten in dieser Altersgruppe eine absolute Mehrheit. Die gute Nachricht für CDU und CSU: Die 18- bis 29-Jährigen stellen nur 15 Prozent der Wahlberechtigten. Aber sie verschaffen sich Gehör.

Keine Antworten zum Klima

Die CDU-Abgeordnete Pantel ärgert sich, dass Fridays for Future für so viel Aufsehen sorgen und letztlich den Grünen in die Hände spielen. Aber da kommt schon die nächste Gruppe vorbei – und damit die nächste Chance: Pantel verteilt wieder Maskenpackungen mit ihrem Sticker drauf. Fröhlich versteht sich.

Dennoch: Keine richtig überzeugenden Antworten bei einem der wichtigsten Wahlkampfthemen. Kein wirklich überzeugender Kanzlerkandidat. Leicht haben es die Wahlkämpfer der Union in diesem Jahr wahrlich nicht.

Da ist es fast schon nachvollziehbar, dass sie am Ende so etwas wie die Jokerkarte im Wahlkampf ziehen: den drohenden Linksrutsch unter Olaf Scholz. Mag das Heraufbeschwören des rot-grün-roten Gespenstes auf viele Bürger auch wie eine letzte Verzweiflungstat wirken, die eigene Klientel könnte dadurch durchaus mobilisiert werden.

Der Linksrutsch droht

"Olaf Scholz hat keine Mehrheit in der eigenen Partei. Sonst wäre er Vorsitzender", sagt der Abgeordnete Hauer. Er unterhält sich gerade mit einem älteren Herrn, der ihm seine Stimme zusichert. Sie schmunzeln gemeinsam über seine mit "Engagiert für Essen" bedruckten Pfannenwender.

Hauers Rechnung: Die SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wollen auf jeden Fall mit der Linkspartei koalieren, unabhängig von außenpolitischen Bedenken. Warum? "Weil es für eine Ampel-Koalition mit der FDP keine Basis gibt."

Ob das Argument auch bei weniger treuen Anhängern zieht, weiß Hauer natürlich nicht. Und Pantel kann es ebenfalls nur hoffen. Aber was in diesen Tagen kurz vor der Wahl vielleicht noch wichtiger ist: Der Glaube, für das Gute – also gegen den Linksrutsch – zu kämpfen spornt beide an, nochmal alles zu geben.

Hier kennt man sich

Sylvia Pantel und Matthias Hauer machen beide zum dritten Mal einen Bundestagswahlkampf mit. Sie haben den Triumph von Angela Merkel 2013 genauso erlebt wie das bescheidene Ergebnis 2017. Bis zuletzt hoffen sie darauf, dass es nicht noch schlimmer kommt als vor vier Jahren. Und dass es doch noch irgendwie reicht für eine unionsgeführte Regierung und einen Kanzler Armin Laschet.

Und letzten Endes ist der Wahlkampf in den eigenen Bezirken anders als auf Bundesebene: persönlicher, näher an den Menschen. Da ist die Frau in Düsseldorf, die Pantel begeistert von einer Demonstration erzählt, die sie vor Jahren besucht hat. Pantel freut sich, sie hat die Demo organisiert. Richtig gute Laune hat auch Hauer, als ein Wähler ihm erzählt, seine Tochter sei mit ihm im Kindergarten gewesen. Schönen Gruß auch.

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