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Sahra Wagenknecht und ihre Pläne: So kann man die AfD nicht besiegen


Wagenknechts Pläne
Die große Entzauberung hat begonnen

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 24.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Blick nach rechts: Sahra Wagenknecht will Wähler von der AfD gewinnen. (Quelle: IMAGO/Bernd Elmenthaler/imago-images-bilder)

Sahra Wagenknecht will der AfD frustrierte Wähler abknöpfen. Am Montag zeigt sich: Das wird schwer, vielleicht unmöglich.

Der Medienhype im luftleeren Raum hat ein Ende, das Sahra-Wagenknecht-Bündnis ist da. Mehr als ein halbes Jahr lang setzte die Linken-Ikone auf ein Katz-und-Maus-Spiel aus Ankündigung, Dementi und wieder Ankündigung – und katapultierte sich so in die Schlagzeilen, auf Titelseiten und in die Talkshows dieser Nation. Die Wagenknecht-Show: Mehr Sendezeit mit immer gleichen, vagen Statements war selten.

Am Montag stellte Wagenknecht mit Mitstreitern endlich den neuen Verein vor, dem im Januar ihre Partei entspringen soll. Die große Entzauberung hat damit begonnen. Und das nicht nur, weil die Erwartungen zuvor ins Unermessliche gepusht worden waren. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Wagenknecht ihr größtes Versprechen nicht wird erfüllen können.

Video | Wagenknecht präsentiert Pläne für eigene Partei
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Quelle: reuters

Dieses große Versprechen hat Wagenknecht immer wieder formuliert: Sie will Wähler von der AfD zurückgewinnen, frustrierte Wähler von den Rechten abziehen. Die Medien feiern sie bereits als "Alternative zur Alternative für Deutschland", in Umfragen wird ihr ein Potenzial von bis zu 20 Prozent Zustimmung bescheinigt. Wagenknecht, hoffen viele, hat – nein, ist – das Rezept gegen den Rechtsruck. Endlich! Dringend gesucht wird es vor allem für 2024, wo in Ostdeutschland mit Thüringen, Sachsen und Brandenburg Länder wählen, in denen die AfD dominiert und bei mehr als 30 Prozent steht.

Wagenknecht aber wird, so ist nach diesem Montag ernsthaft zu befürchten, nicht die Retterin in der Not sein. Sie könnte an dieser Aufgabe sogar grundlegend scheitern. Aus drei Gründen.

1. Mehr Wessi geht kaum

Erstens und ganz pragmatisch: Vielleicht wird Wagenknechts Partei gar nicht in allen Bundesländern im Osten antreten – vielleicht sogar in keinem Land. Die Partei soll erst im Januar gegründet werden. Während der Antritt zur Europawahl festzustehen scheint, klang Wagenknecht am Montag, nach den Landtagswahlen gefragt, wesentlich unsicherer.

"Wir streben an, in den drei Bundesländern zu kandidieren, aber ob (wir) es wirklich in allen dreien schaffen, wird natürlich davon abhängen, wie sind die Landesverbände bis dahin aufgestellt, welche Kandidaten haben wir vor Ort", sagte Wagenknecht. "Wir sind uns der Verantwortung bewusst, aber letztendlich entscheiden können wir das erst, wenn die Partei da ist und wenn wir wissen, wie wir aufgestellt sind."

Viele "Wenns", viele Absichtserklärungen, null Sicherheit – und das in der für Deutschland wichtigsten Frage. Ein Blick auf Wagenknechts bisheriges Personaltableau und die Verfasstheit ihrer alten Partei der Linken erklärt, warum: Von den zehn Linken-Abgeordneten, die mit Wagenknecht die Linke verlassen, stammt nicht ein einziger aus dem Osten. Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hamburg – mehr Wessi geht kaum. Selbst Wagenknecht, die in Thüringen geboren wurde und aufgewachsen ist, trat zuletzt für die Linke in NRW an.

Auf bestehende Strukturen, die sie von der Linken im Osten abziehen kann, kann sie bisher offenbar nicht setzen. Ob sich das in den nächsten Monaten noch großartig ändert, ist fraglich – dort ist die Linke erfolgreicher als im Westen, mit Ramelow stellt sie in Thüringen einen sehr beliebten Ministerpräsidenten, hat auch als Partei Tradition. Die Sehnsucht nach Wagenknecht und dem Bruch mit der eigenen Partei dürfte bei den Parteilinken im Osten auch deswegen schwächer sein als im Westen.

Hier diskutieren der stellvertretende Chefredakteur von t-online, Peter Schink, und die politische Reporterin Annika Leister über die Herausforderungen für das Wagenknecht-Bündnis im t-online-Podcast "Diskussionsstoff":

2. Personenkult versus Basispartei

Wagenknechts neues Bündnis baut vor allem anderem allein auf sie. Sahra, die Aufrechte, die Ehrliche, die Intellektuelle, die Reinkarnation Rosa Luxemburgs, die Millionärin fürs Volk. Personenkult vom Feinsten.

Um andere Prominente gerungen hat sie schon – doch scheint damit gescheitert zu sein. Beim großen Aufschlag am Montag jedenfalls saßen ihr zur Seite fast ausschließlich Linke, die lange in der Partei, aber der breiten Bevölkerung völlig unbekannt sind. Das war’s. Keine Alice Schwarzer, kein Boris Palmer, keine Ulrike Guérot.

Der Name also hält bisher, was er verspricht: Das "Bündnis Sahra Wagenknecht" lebt und zehrt in der Außenwirkung ganz von Wagenknecht – und fällt deswegen auch mit ihr.

Dass man so rasch stolpern kann, zeigte sich auch am Montag: Gefragt nach ihrem Blick auf Israel und die Staatsräson Deutschlands, sprach Wagenknecht rasch davon, dass Gaza seit Langem "ein Freiluftgefängnis" sei. Der Folgefrage, wer denn für sie der Gefängniswärter sei, wich sie aus. In den sozialen Medien sorgte das für bitterböse Kommentare, bei der Hauptstadtpresse für Stirnrunzeln.

Die AfD funktioniert insgesamt anders – und ist deswegen sehr viel krisenstabiler. Ihre Chefs wie Lucke, Petry, Meuthen waren immer völlig egal. Die Partei wird gewählt, weil sie Themen besetzt, nicht Köpfe. Antworten und Lösungsansätze hat sie freilich keine zu bieten, doch sie schöpft ihre Kraft aus dem Frust der Menschen beim Klang von Schlagworten: Euro, EU, Migration, Merkel, "Wir schaffen das", die Grünen.

Dabei agiert die AfD maximal basisorientiert, zermartert sich in ihren Strukturen bisweilen selbst – zum Beispiel auf endlosen Aufstellungsversammlungen für Wahlen, bei denen tatsächlich fast jeder mal ans Mikro darf.

Das macht die AfD für ihre Chefs nur schwer kontrollierbar, aber verleiht ihr von unten Kraft und Legitimität – ein Basis-Monster, genährt vom Frust der Deutschen.

Der AfD dieses Standing zu entreißen, wird ohnehin schwer für Wagenknecht – und ganz allein an der Spitze fast unmöglich.

3. Deutschland tickt rechts

Immer wieder betont Wagenknecht, sie wolle die Protestwähler von rechts abziehen. Auch am Montag wiederholte sie dieses Narrativ: Ihr Bündnis wolle jene Menschen ansprechen, die nicht mehr wüssten, was sie wählen sollten – oder "die aus Wut und Verzweiflung rechts" wählen.

Natürlich gibt es Ampel-Frust, natürlich gibt es viele, die der Regierung einen Denkzettel verpassen wollen, die nicht mehr wissen, wo sie hinsollen bei Wahlen. Doch Umfragen und Erhebungen zeigen auch immer wieder: Viele Wähler in Deutschland denken aktuell rechts, mögen rechts, stimmen mit den radikalen Positionen der AfD überein.

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Ob ihnen Wagenknechts "linkskonservativer Kurs" weit genug geht, steht in den Sternen. So betont Wagenknecht zum Beispiel einerseits, dass die Zuwanderung in Deutschland dringend begrenzt werden müsse – das Recht auf Asyl aber solle bleiben. Wie das genau gehen soll? Darauf hat sie keine Antwort – und steht somit vor einem ähnlichen Dilemma wie Scholz, Habeck & Co.

Für viele Deutsche dürfte die noch populistischere Antwort der AfD attraktiver sein und bleiben: abschieben, alle, und zwar sofort.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Recherchen
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