SPD kann sich HĂ€me ĂŒber Seehofer nicht verkneifen
Die Koalitionsparteien haben sich im Asylstreit geeinigt. CSU-Chef Seehofer zeigt sich zufrieden, die SPD macht sich lustig: Der Bundesinnenminister habe keine einzige seiner Forderungen durchgesetzt.
Es ist das Ende eines nervenzehrenden Asylstreits: Die groĂe Koalition hat sich am Donnerstagabend in Berlin auf ein Paket gegen illegale Migration geeinigt. Darauf hatte vor allem CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer gedrungen. Allerdings sollen an der Grenze zu Ăsterreich viel weniger Migranten zurĂŒckgewiesen werden als von Seehofer ursprĂŒnglich geplant. Zudem setzte die SPD durch, dass noch in diesem Jahr ein Einwanderungsgesetz auf den Weg gebracht werden soll, das den Zuzug von auslĂ€ndischen ArbeitskrĂ€ften regelt.
Nahles: "Es wird keine AlleingÀnge geben"
Seehofer, der noch am Sonntag im unionsinternen Streit mit RĂŒcktritt gedroht hatte, zeigte sich dennoch zufrieden: "Das ist alles von A bis Z so, wie man sich das als zustĂ€ndiger Minister wĂŒnscht." SPD-Chefin Andrea Nahles betonte: "Es wird keine nationalen AlleingĂ€nge geben." HĂ€mischer Ă€uĂerte sich SPD-Vize Ralf Stegner auf Twitter: "Seehofers Erfolg nach Ultimaten, Drohungen und dreiwöchigem Chaos: In Worten: Null, Zero, Nada, Nothing."
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Seehofer erreichte, dass Migranten, die in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben, an der Grenze zu Ăsterreich zurĂŒckgewiesen werden können - allerdings est dann, wenn es entsprechende Abkommen mit EU-Partnerstaaten gibt. Die ursprĂŒnglich geplanten sogenannten "Transitzentren" tauchen in dem Kompromisspapier aus RĂŒcksicht auf die SPD nicht auf. Dort ist nur noch von "Transitverfahren" die Rede, im Umkreis der Bundesregierung spricht man von "Transferzentren". Die Bundespolizei soll dafĂŒr bereits bestehende Einrichtungen an der Grenze nutzen. FĂŒr Familien werde es gesonderte RĂ€ume in den UnterkĂŒnften geben.
Das Verfahren soll nur an der deutsch-österreichischen Grenze zum Einsatz kommen â damit es funktioniert, mĂŒssen aber erst bilaterale Abkommen vor allem mit Italien und Griechenland ausgehandelt werden, von wo die meisten Migranten kommen, die bereits Asyl beantragt haben. Beide LĂ€nder mĂŒssten sich einverstanden erklĂ€ren, die Menschen zurĂŒckzunehmen. Im Falle Italiens ist dies unwahrscheinlich, der deutsche Koalitionskompromiss wĂ€re dann Makulatur.
Bisher gibt es lediglich rund 150 FĂ€lle im Monat in Bayern, auf die das Verfahren ĂŒberhaupt angewendet werden könnte. Auf die Frage, ob sich der ganze Streit deswegen gelohnt habe, sagte Seehofer: An der Grenze werde nun der Rechtsstaat durchgesetzt. "Da kommt's nicht auf die Masse an."
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Die Vereinbarung der Koalitionspartner sieht auĂerdem vor, schneller zu klĂ€ren, welches EU-Land fĂŒr einen Asylbewerber zustĂ€ndig ist. AuĂerdem sollen durch mehr Schleierfahndungen und "sonstige intelligente grenzpolizeiliche HandlungsansĂ€tze" deutlich mehr Migranten, die schon in einem anderen EU-Land registriert sind, "grenznah erfasst und umgehend in die Ankerzentren gebracht werden".
Einigung mit Italien scheint aussichtslos
Weder Ăsterreichs Kanzler Sebastian Kurz, den Seehofer am Donnerstag traf, noch Ungarns MinisterprĂ€sident Viktor Orban, der Kanzlerin Angela Merkel besuchte, lieĂen sich allerdings bislang zu ZugestĂ€ndnissen bei der RĂŒcknahme von Asylbewerbern bewegen. Auch eine entsprechende Vereinbarung mit dem wichtigen Ersteinreiseland Italien erscheint nahezu aussichtslos, nachdem die Regierung in Rom bereits abgeblockt hat.
"Das werden nicht ganz einfache Verhandlungen", rĂ€umte Seehofer ein â und spielte den Ball zur Kanzlerin zurĂŒck: Letztlich sehe er die Verantwortung fĂŒr RĂŒcknahmevereinbarungen bei Angela Merkel. "Ich gehe davon aus, dass wegen der KomplexitĂ€t und der europĂ€ischen Dimension nach meiner EinschĂ€tzung am Ende die wichtigsten Punkte dieser Vereinbarung von den Regierungschefs fixiert werden mĂŒssen."
Mit Kanzler Kurz kam Seehofer ĂŒberein, dass sich Ăsterreich und Deutschland gemeinsam mit mit dem von der fremdenfeindlichen Lega mitregierten Italien dafĂŒr einsetzen wollen, die Mittelmeerroute fĂŒr FlĂŒchtlinge zu schlieĂen. Der Weg zu einer solchen Vereinbarung ist aber vollkommen unklar. Bislang lehnen alle nordafrikanischen Staaten Auffanglager in ihrem Staatsgebiet ab. Das AuswĂ€rtige Amt spricht von "KZ-Ă€hnlichen VerhĂ€ltnissen" in libyschen FlĂŒchtlingslagern â mit systematischer Folter, Exekutionen und Vergewaltigungen.
Bereits in der kommenden Woche soll in Innsbruck ein Treffen der drei Innenminister aus Deutschland, Ăsterreich und Italien stattfinden, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Derweil wird Seenotrettern in Italien und Malta das Anlaufen der HĂ€fen verweigert. Andere Schiffe dĂŒrfen nicht auslaufen, ein Flugzeug wurde festgesetzt. Der KapitĂ€n des Rettungsschiffs "Lifeline" muss sich vor Gericht verantworten. Allein im vergangenen Monat sind nach Angaben der Internationalen Organisation fĂŒr Migration 629 Menschen im Mittelmeer ertrunken.