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"Anne Will": Können "das Industrieland nicht nur mit Wind und Sonne erhalten"


TV-Kritik "Anne Will"
"Werden das Industrieland nicht nur mit Wind und Sonne erhalten können"

Eine TV-Kritik von David Heisig

Aktualisiert am 08.10.2018Lesedauer: 4 Min.
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Anne Will und ihre Gäste: In der Sendung wurde über den Streit um den Hambacher Forst diskutiert.Vergrößern des Bildes
Anne Will und ihre Gäste: In der Sendung wurde über den Streit um den Hambacher Forst diskutiert. (Quelle: ARD)

Der Hambacher Forst ist zum Politikum geworden. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat RWE einen vorläufigen Strich durch die Rechnung gemacht. Grund genug für Anne Will, mit illustren Gästen über die Folgen zu diskutieren.

Die Gäste

  • Svenja Schulze (SPD), Bundesumweltministerin
  • Antje Grothus, Umwelt-Aktivistin
  • Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen
  • Christian Lindner (FDP), Partei- und Fraktionsvorsitzender im Bundestag
  • Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen), Fraktionsvorsitzender im Bundestag
  • Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG Bergbau, Chemie, Energie

Die Positionen

Das Gericht betonte, RWE dürfe durch die Rodung nicht vollendete Tatsachen schaffen. Das Energieunternehmen konnte nicht beweisen, dass das Baumfällen für den Kohleabbau für die Versorgungssicherheit notwendig sei. Will fragte Laschet, ob er durch das Urteil blamiert sei, weil er das Aktivistencamp voreilig räumen ließ.

Der CDU-Mann blieb unbeeindruckt: mit Rechtsbruch setzten Umweltschützer keine Forderungen durch. Der schwarze Peter liege ohnehin bei der rot-grünen Vorgängerregierung. Diese habe nichts gegen die Abholzung von schon 3.900 ha Hambacher Forst getan. Zudem habe die Politikkonkurrenz es versäumt, planungsrechtliche Sicherheit zu schaffen, indem sie das Gebiet nicht nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie als besonders schützenswert erklären ließ. Rot-Grün in NRW hätte zudem immer erklärt, der Kohleabbau Hambach sei energiewirtschaftlich notwendig.

Grothus war das zu viel. Laschet habe als Landesvater versagt, den Weg für die Vernichtung von Heimat durch RWE frei gemacht. Lindner sprang dem Regierungskollegen bei. Es ginge um Fragen des Rechtsstaats. So habe die Vorinstanz anders entschieden und das Oberverwaltungsgericht nun eine Überprüfung angeordnet, die man abwarten müsse. "Man kann nicht sagen, für mich gilt das nicht, bis es ein anderes passendes Urteil gibt", versuchte der Liberale denjenigen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die die aktuelle Gerichtsentscheidung am Freitag als Sieg über die Braunkohle feiern wollten.

Der Aufreger des Abends

Die Sendung nahm schnell an emotionaler Fahrt auf. Nicht nur durch verbale Donnerwetter zwischen Grothus und Laschet. Auch Hofreiter schürte das Feuer. Der Grüne amüsierte sich darüber, dass Union, SPD und FDP immer hinter der Braunkohle gestanden und sich nun gegenseitig die Schuld zugeschoben hätten. Man könne sich doch bei Will auf einen Kompromiss einigen und den Ausstieg bis 2030 beschließen.

Das Geschacher zwischen den Politikern über Emissionsgrenzen und Ausstiegsdaten hatte etwas von einem Basar. Was – wenn auch unfreiwillig – etwas von Komik hatte. Weniger komisch wurde es dann bei der sozialen Komponente des Diskurses.

Laschet sprach für die Industrie in seinem Bundesland, die sehr energieaufwendig sei. Aus Stein- und Braunkohle steige man aus, russisches Gas wolle man nicht und auch Kernenergie sei nur noch bis 2022 ein Garant. Daher seine Conclusio: "Sie werden das Industrieland nicht behalten nur mit Wind und Sonne". Vassiliadis ergänzte es um den Faktor Arbeitsplätze. Braunkohle-Jobs sicherten viele Existenzen. Die "Leichtigkeit", mit der über den Ausstieg diskutiert werde, treffe viele Kumpel "ins Herz".

Grothus rechnete gegen: Die Braunkohle habe 40.000 Menschen in NRW der Heimat beraubt. Da ging Laschet an die Decke. Er zitierte einen Tweet der Vorsitzenden der Grünen im Landtag von NRW, Monika Düker: "Ob Nazis oder Kohle – Braun ist immer scheiße." Diese Diskreditierungen seien skandalös. Vassiliadis brachte die Diskussion wieder ein wenig auf die Sachebene. Der Ausstieg aus der Braunkohle müsse in Relation zu einem sinnvollen Energiemix der Zukunft und zum Netzausbau diskutiert werden. Das Ganze eigne sich nicht als Wahlkampfthema.

Das Zitat des Abends

Das entlieh Hofreiter dem Soziologen Ulrich Beck: "Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre". Der Grüne kritisierte damit – wohlweislich seine eigene Partei ausnehmend – dass aus Worten in der Politik zu selten Taten folgten.

Der Faktencheck

Neben viel Parteigeplänkel und Schuldzuweisungen war sich die Runde in einem einig: die Energiewende muss jenseits von Extrempositionen mit einem fairen Interessenausgleich und durch Innovationen vorangetrieben werden. Dabei helfen soll die in der Sendung viel zitierte Kohlekommission. Nur was macht die überhaupt? Sie soll nach der Idee der Bundesregierung einen Vorschlag zum Kohleausstieg entwickeln und dabei den rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und strukturpolitischen Rahmen abstecken. Sie soll zudem erklären, wie der Strukturwandel, der sich aus der schrittweisen Reduzierung hin zum Totalausstieg aus der Kohleverstromung ergibt, finanziert wird. Es geht um Maßnahmen, um die Lücke zur Erreichung des 40-Prozent-Reduktionsziels bis 2020 so gut wie möglich zu reduzieren.

Weiterführend soll das 2030-Ziel für den Energiesektor zuverlässig erreicht werden. Alles unter der Prämisse, die wirtschaftliche Entwicklung, den Strukturwandel, den Klimaschutz und die Sozialverträglichkeit unter einen Hut zu bringen. Die 28 Mitglieder kommen von Umweltverbänden, Industrieunternehmen, Gewerkschaften und aus Interessenkreisen aus den Braunkohlerevieren. Auch die Kohlekommission ist somit ein Bündnis aus Interessenvertretern. Darin liegt ein wenig die Krux. Uneinigkeit zeigte sich zum Beispiel bei Versuchen zur Festlegung eines Ausstiegsdatums oder beim Umgang mit den Bäumen im Hambacher Forst. Also wird auch hier viel vom Willen der Beteiligten abhängen, unter Zeitdruck – bis Ende 2018 sollen die Empfehlungen der Kommission der Bundesregierung vorliegen – Kompromisse im Spannungsfeld zwischen Klimarettung und Erhalt von Wirtschaftsstandorten zu finden.

Verwendete Quellen
  • Internetseite der Bundesregierung mit Informationen zur Kohlekommission
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