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Strack-Zimmermann: Diese Frau will Lindner zeigen, wie die FDP Erfolg haben kann


Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Diese Frau will Lindner zeigen, wie die FDP Erfolg haben kann

Von Tim Kummert

Aktualisiert am 09.09.2020Lesedauer: 8 Min.
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FDP-Chef Christian Lindner mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die Bundestagsabgeordnete will künftig in Düsseldorf regieren.Vergrößern des Bildes
FDP-Chef Christian Lindner mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die Bundestagsabgeordnete will künftig in Düsseldorf regieren. (Quelle: Britta Pedersen/dpa)

Die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann will Oberbürgermeisterin in Düsseldorf werden. Obwohl ihre Partei schwächelt, hat sie Chancen. Für Liberalen-Chef Lindner ist das keine gute Nachricht.

Es ist kurz nach 12 Uhr am vergangenen Samstag, als die Wut aus Barbara Fuchs herausplatzt. Sie ruft: "Mein Mann steht täglich im Stau, wegen der sogenannten 'Umweltspur', die sich unser SPD-Oberbürgermeister ausgedacht hat! Diese Politik ist eine Schande für unsere Stadt!" Fuchs steht auf dem Schadowplatz in Düsseldorf und schleudert ihre Sätze einer zierlichen, weißhaarigen Frau entgegen.

Es ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP. Sie schaut Fuchs an und nickt eifrig. Eigentlich, fährt Fuchs fort, habe sie keine Vorliebe für die Liberalen, sie sei SPD-Anhängerin, aber: "Dieses Mal werde ich die FDP wählen, damit sich die Sache mit dem Stau endlich ändert." Strack-Zimmermann strafft ihren Oberkörper, lächelt und sagt dann: "Sehr gut."

Der Stau in der Innenstadt ist eines der wichtigsten Themen der Lokalpolitik in Düsseldorf. An diesem Sonntag findet die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen statt, dem bevölkerungsreichsten Bundesland. Fast jeder vierte Bundesbürger kann dann kommunale Parlamente und Bürgermeister wählen. Und für bundespolitische Konsequenzen sorgen: Stürzt die CDU unter dem Möchtegern-Parteichef Armin Laschet ab? Was wird aus der SPD in ihrem eigenen Stammland? Gelingt den Grünen in weiteren Städten ein Erfolg?

Das größte Ziel: Oberbürgermeisterin werden

Und was wird eigentlich aus der FDP? Dass die Liberalen mit besonderem Interesse in die Landeshauptstadt Düsseldorf blicken, liegt an ihrer Kandidatin Strack-Zimmermann. Sie ist Bundestagsabgeordnete und Verteidigungsexpertin. Im Regierungsviertel ist sie bekannt, darüber hinaus jedoch kaum. Außer in Düsseldorf, wo sie seit mehr als 15 Jahren Kommunalpolitik macht.

Normalerweise streben Kommunal- und Landespolitiker nach Höherem, wollen ihre Karriere mit einem Job im Bundestag oder gar der Bundesregierung krönen. Für Strack-Zimmermann ist es das größte Ziel, dass sie mit 62 Jahren in ihrer Heimatstadt Oberbürgermeisterin würde.

Ihre Chancen dafür sind nicht so schlecht: In einer Umfrage kam sie zuletzt auf 17 Prozent, mehr als der Kandidat der Grünen, aber weniger als der Amtsinhaber der SPD und ihr Mitbewerber von der CDU, die bei 31 Prozent lagen. 36 Prozent der Düsseldorfer gaben an, sie könnten sich vorstellen, für die 62-Jährige zu stimmen. Für liberale Verhältnisse ein fast sensationeller Wert. Dass es am Sonntag zur Überraschung kommt und Strack-Zimmermann in der Stichwahl landet, ist nicht völlig utopisch.

Aber selbst wenn das nicht gelingt und sie zwischen 10 und 20 Prozent landet: Sie würde beweisen, dass die FDP auch in Zeiten erfolgreich sein kann, in denen sie im Bund zwischen fünf und sechs Prozent dümpelt. Für die Partei wäre ein Erfolg von "StrackZi", wie sie intern genannt wird, deshalb eine gute Nachricht. Für den Liberalen-Chef Christian Lindner nicht unbedingt. "Egal ob sie gewinnt oder nicht: Sie zeigt, wie man als FDP-Politiker bei den Menschen aktuell punktet. Damit hat sie den meisten bei uns etwas voraus", sagt jemand aus dem Umfeld des Parteivorstands.

Wer mit Strack-Zimmermann in Düsseldorf unterwegs ist, erfährt viel über den Zustand der FDP, ihre Probleme, aber eben auch darüber, wie es besser geht.

Viele glaubten, dass die Stunde der FDP schon noch schlagen könnte

Um zehn Uhr an diesem Samstagmorgen, zwei Stunden bevor die Kandidatin die Stimme von Barbara Fuchs versprochen bekommt, zieht sie ihre Steppjacke enger. Straßenwahlkampf bei 14 Grad Celsius, ihre Mitarbeiter verteilen vor einem Supermarkt Einkaufstaschen, auf denen die Initialen von Marie-Agnes Strack-Zimmermann stehen: "MASZ macht’s".

Es geht jetzt um die Misere ihrer Partei: Die FDP, die bei der letzten Bundestagswahl noch 10,7 Prozent schaffte, kratzt bedrohlich an der Fünfprozent-Hürde. Was läuft da schief? Strack-Zimmermann holt tief Luft und seufzt. Zu Beginn der Pandemie, sagt sie, hätten viele in der Partei geglaubt, dass der Wunsch nach Freiheit schon noch groß werden und dass dann die Stunde der FDP schlagen könnte.

Einer von denen, die zu dieser Gruppe gehörten, war ihr Parteichef. Lindner wetterte früh in Talkshows gegen "Maulkörbe" aus dem Kanzleramt für die Bevölkerung und beklagte sich über die Einschränkungen der Grundrechte. Es klang, als wolle er die FDP als konservativen Gegenpol zur Regierung verankern, irgendwo zwischen CDU und AfD. Die Menschen aber blieben lieber daheim – und die FDP im Umfragetief.

"So viel mit der Bundeswehr zu tun wie ich mit dem Mäusemelken"

Strack-Zimmermann zuckt etwas hilflos mit den Schultern. "Die Deutschen mögen es offensichtlich, wenn deutliche Ansagen gemacht werden. Das ist immer wieder erstaunlich, aber entspricht wohl unserer Mentalität." Man schätze ein gewisses Gefühl der Hierarchie in Deutschland. "Das wird für die freiheitsliebende FDP immer schwierig sein", schiebt sie nach.

Lindners konservative Parolen sind Strack-Zimmermann fremd, sie hat solche weder im Düsseldorfer Wahlkampf, noch in ihrer Funktion als verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion in Berlin benutzt. Mit scharfen Sätzen hat sie aber kein Problem. Als die neue Wehrbeauftragte der SPD, Eva Högl, vorgestellt wurde, ätzte sie im Deutschlandfunk: "Frau Högl hat mit der Bundeswehr so viel zu tun wie ich mit dem Mäusemelken." Und als Außenminister Heiko Maas, nach der Nawalny-Vergiftung sich nur verhalten über Nord Stream 2 äußerte, twitterte sie: "Stuss wird auch durch lockere Turnschuhe zur Krawatte nicht besser."

Ihre Anhänger feiern sie für solche Äußerungen, es ist einer der Gründe, warum sie parteiintern immer beliebter wird. Sie setze dort an, wo man beherzt politisch zuschlagen könne, aber dresche eben nicht so platt wie Lindner auf die Regierung ein, heißt es.

"Natürlich ecke ich an"

Es ist ein schmaler Grat, den Strack-Zimmermann beschreitet, gerade so noch im Bereich des Sagbaren im oft steifen Politikbetrieb, oft an der Grenze zum Shitstorm. Manche ihrer Parteifreunde rollen deshalb mit den Augen, wenn man sie auf die resolute Frau anspricht. Der Vorwurf lautet: Strack-Zimmermann mache Krawall aus Prinzip, die rhetorische Wucht sei ihr wichtiger als das Argument. Sie selbst sagt, es sei doch kein Problem so zu formulieren: "Natürlich ecke ich auch mit meiner zuspitzenden Art an. Ich kann damit sehr gut umgehen. Wenn man immer geliebt werden will, dann macht man etwas falsch. Denn everybody’s darling is everybody’s Depp."

Strack-Zimmermann ist jetzt unterwegs zum nächsten Wahlstand mit einem FDP-Sonnenschirm, der nur 200 Meter entfernt steht. Es scheint zwar keine Sonne, einer der Wahlhelfer erklärt, er habe trotzdem seine Jacke ausgezogen. Weil sein blauer Pullover mit dem gelben Schirm so gut zusammenpasse. Die alten FDP-Farben. Sehr gut, findet Strack-Zimmermann.

Sie lacht und sagt, typischer Straßenwahlkampf zahle sich eben aus. Sie grüßt jeden, an dem sie vorbeiläuft. Die Wahlhelfer aus Baden-Württemberg, die zu ihrer Unterstützung gekommen sind, die älteren Seniorinnen. Einem Mann kauft sie eine Straßenzeitung ab und reicht sie weiter, verbunden mit dem Hinweis, sich das mal anzuschauen. Die Hälfte des Geldes komme direkt dem Straßenverkäufer zugute, so könne man den Menschen helfen.

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Corona spielt keine übergeordnete Rolle

In diesem Moment könnte man fast auf die Idee kommen, mit einem Sozialdemokraten im Wahlkampf unterwegs zu sein. Strack-Zimmermann hat Freude daran, zu verblüffen. Auf viele Wähler wirkt das frisch. So wie es 2017 bei Lindner der Fall war.

Nun möchte Strack-Zimmermann erklären, worum es in ihrem Wahlkampf geht und wie man auf 17 Prozent für die FDP kommt. Corona spielt keine übergeordnete Rolle, ihr geht es auch nicht um die Freiheit in der Pandemie. Natürlich spricht Strack-Zimmermann sich für typische FDP-Themen aus, etwa, mehr Geld in die Wirtschaftsförderung zu investieren. Doch sie plädiert auch dafür, dass die Stadt 100 Millionen Euro für gut bezahlbare, kleine Wohnungen ausgibt.

Parkbuchten möchte sie der Gastronomie zugänglich machen. Es wirkt wie eine Mischung zwischen Kernideen der Liberalen und einem Schuss der Essenz des grünen Wahlprogramms. Strack-Zimmermann drückt es so aus: "Ich möchte neben den klassischen FDP-Themen Wirtschaft und Innere Sicherheit auch mit nachhaltiger und sozialer Politik punkten. Nur so können wir erfolgreich sein."

Manch ein Grüner warf ihr Rassismus vor

Ließe sich das nicht auch auf die Bundespartei übertragen? Strack-Zimmermann wiegt ihren Kopf zögernd hin und her, so direkt könne man das nicht vergleichen, aber "natürlich kann man gute Argumente, die kommunal die Menschen ansprechen, auch auf der bundespolitischen Ebene nutzen."

Auf einigen ihrer Plakate steht der Slogan: "Düsseldorf bekommt, was Düsseldorf verdient: Eine Düsseldorferin." Manch ein Grüner warf ihr daraufhin Rassismus vor: Ob sie das auch so plakatieren würde, wenn sie Bundeskanzlerin werden wolle?

Strack-Zimmermann tippt sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. "Was für eine absurde Frage. Wir haben in Düsseldorf einen Oberbürgermeister, der aus Schwaben kommt, der Kandidat der CDU arbeitet als Stadtdirektor in Köln. Das schreit ja geradezu nach einem humorvollen Hinweis. Schließlich bin ich hier geboren und aufgewachsen. Die Menschen in der Stadt verstehen, dass mein Plakat mit Augenzwinkern gemeint ist."

"Den Grill langsam hochfahren lassen"

Strack Zimmermann wurde 1958 geboren, als jüngste Schwester von drei Brüdern. Sie lernte früh, sich durchzusetzen. Ihre ganze Schulzeit über war sie Klassensprecherin. Sie promovierte im Fach Publizistik, arbeitete im Vertrieb des Tessloff-Verlags, der die "Was ist Was?"-Bücher herausgibt. Nachdem sie drei Kinder bekommen hatte, versuchte sie einen Zebrastreifen vor dem Kindergarten bei der Stadt durchzusetzen.

Der Zebrastreifen kam zwar nicht, doch Strack-Zimmermann war politisiert. Kommunale Politik wollte sie seitdem machen. Von 2008 bis 2014 arbeitete sie dann als erste Bürgermeisterin Düsseldorfs und Stellvertreterin des CDU-Oberbürgermeisters, ihren Job im Vertrieb gab sie auf. "Den Grill langsam hochfahren lassen" nennt sie das, wenn sie über ihre sich langsam aufbauende Karriere spricht.

2013 begann ihre Karriere dann auf der bundespolitischen Bühne: Christian Lindner machte sie zu seiner Stellvertreterin, sie sollte die Partei weiblicher machen und den Aspekt der Kommunalpolitik verstärken. 2017 wurde sie in den Bundestag gewählt, sie bekam das Amt der verteidigungspolitischen Sprecherin.

Noch eine Mitstreiterin weniger

Aus dieser Zeit stammt auch einer der wichtigsten Grundsätze der Liberalen: Keine Intrigen, keine offene Kritik an der Spitze, keine Grabenkämpfe. Sich offen gegen Lindner aufzulehnen hat Strack-Zimmermann ohnehin nicht vor, obwohl ihr, wie sie es ausdrückt, die Umfragewerte natürlich keinen Spaß machen.

Nun muss es schnell gehen, sie muss zu einer Veranstaltung. Strack-Zimmermann steigt hinten in ihr Auto, einen wasserstoffangetriebenen Toyota, und lässt sich von einem Mitarbeiter fahren. In diesem Moment am Samstagvormittag wird deutlich, wie stark die Fliehkräfte in der Partei geworden sind: Auf Twitter verkündet die Hamburger FDP-Chefin Katja Suding um 11.15 Uhr, dass sie zurücktreten will, sie wolle "ab Herbst 2021 neue Wege gehen". Suding galt als eine der letzten weiblichen Hoffnungsträgerinnen der Liberalen.

Strack-Zimmermann bläst die Wangen auf und schaut aus dem Fenster, draußen rauscht die Stadt vorbei. Dann sagt sie: "Dass Katja sich zurückzieht, ist ein echter Verlust." Noch eine Mitstreiterin weniger, noch eine Frau weniger in der Führungsriege. Vor kurzem war bekannt geworden, dass die Generalsekretärin Linda Teuteberg auf Druck von Chef Christian Lindner ihren Posten räumen muss.

Strack-Zimmermann wird allmählich die letzte Frau, die bundesweit in der Partei bekannt ist. Ausgerechnet, wobei Frauen mehr als die Hälfte der Wählerschaft stellen in der FDP. Die Kombination könnte dafür sorgen, dass Strack-Zimmermanns Einfluss und ihr Politikstil zunehmend mehr Einfluss gewinnen werden, unabhängig vom Wahlausgang in Düsseldorf.

Die Parteiprominenz will gesehen werden: In der kommunalen Hochburg

Um kurz nach 12 Uhr kommt Strack-Zimmermann auf dem Schadowplatz ihrer Heimatstadt an, sie spricht mit Wählern wie Barbara Fuchs und begrüßt dann die Parteiprominenz: Den FDP-Chef aus Bayern, Martin Hagen. Den Vorsitzenden der NRW-FDP und stellvertretenden Ministerpräsidenten Joachim Stamp. Den Generalsekretär der NRW-FDP, Johannes Vogel und: den Bundesvorsitzenden Lindner. Alle wollen sie Strack-Zimmermann unterstützen, alle wollen sie gesehen werden: In der kommunalen Hochburg ihrer Partei. Strack-Zimmermann schüttelt viele Hände.

Zwar machen die Funktionäre am Wochenende etliche Termine für die Kommunalwahl im Bundesland, doch bei niemandem ist die Parteiprominenz so zahlreich vertreten wie bei Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Um 13.50 Uhr betritt Christian Lindner die Bühne. Er spricht über das Homeoffice in Coronazeiten und das Maskentragen.

Dann kritisiert er die Gesundheitsbehörden, die Mehrwertsteuersenkung und die Teststrategie des Gesundheitsministers. Über eine halbe Stunde lang geht das so, ganz am Schluss redet er noch fünf Minuten über seine Parteifreundin Strack-Zimmermann im Kommunalwahlkampf, für die er eigentlich werben will.

Dann verlässt Lindner die Bühne, fährt kurz danach davon. Und verpasst, wie die Veranstaltung mit der Rede von Strack-Zimmermann erst richtig Fahrt aufnimmt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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