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Landtagswahl in NRW | Hendrik Wüst: "AfD vergiftet die Debatte in den Parlamenten"


Ministerpräsident vor NRW-Wahl
"Die AfD vergiftet die Debatte in den Parlamenten"

InterviewVon Miriam Hollstein

Aktualisiert am 15.05.2022Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Er möchte Ministerpräsident von NRW bleiben: Hendrik Wüst (CDU).Vergrößern des Bildes
Er möchte Ministerpräsident von NRW bleiben: Hendrik Wüst (CDU). (Quelle: Bonnfilm Klaus W Schmidt und Sepp Spiegl/imago-images-bilder)

Am Sonntag muss Ministerpräsident Hendrik Wüst bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen um seine Wiederwahl zittern. Ein Interview über Rückenwind, eine bessere Besoldung für Lehrkräfte, die AfD und den Umgang mit Geflüchteten.

Hendrik Wüst ist im Endspurt. Umfragen sehen seine CDU bei der Landtagswahl am Sonntag zwar vorn, aber nur knapp. Deshalb absolviert er auf den letzten Metern noch zahlreiche Wahlkampftermine. Für das Interview hat er sich mit t-online im Zug von Berlin nach Wolfsburg verabredet.

t-online: Herr Wüst, die CDU hat bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein triumphiert. Was bedeutet dieser Wahlsieg für die Wahlen in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag?

Hendrik Wüst: Das ist ein bärenstarkes Ergebnis der CDU im Norden und ein Riesenerfolg von Ministerpräsident Daniel Günther und seinem Team. Und natürlich sind das auch ein gutes Signal und viel Rückenwind für uns in Nordrhein-Westfalen. Das Ergebnis zeigt: Die Volkspartei CDU ist voll da.

Nun war Günther früher ein Unterstützer der Politik von Angela Merkel und ein Kritiker von Friedrich Merz. Ist das auch ein Sieg des Anti-Merz-Flügels in der CDU?

Wir sind eine Partei, eine CDU. Wir sind dann erfolgreich, wenn wir uns als breite Volkspartei aufstellen und uns an den Sorgen und Nöten der Menschen orientieren, zuhören, diese ernst nehmen. Gewonnen und entschieden haben in Schleswig-Holstein vor allem die Menschen, weil sie weiterhin eine CDU-geführte Landesregierung mit guter Regierungsarbeit wollten und nun auch bekommen.

Also hat der dortige Erfolg mit der Politik der Bundespartei und ihres Vorsitzenden Friedrich Merz gar nichts zu tun?

Die Bundespartei und gesamte Unionsfamilie unterstützt ihre Wahlkämpfer in den Ländern. Darüber freue ich mich. Trotzdem gilt: Landtagswahlen und Vertrauen werden in den Ländern gewonnen.

Das heißt, wenn es in NRW schiefgeht, geht das allein auf Ihr Konto?

Wir werden mit dem Rückenwind aus Schleswig-Holstein und der guten Stimmung, die sich auch in den Umfragen niederschlägt, in den letzten Tagen bis Sonntag noch einmal dafür werben, dass die Menschen uns ihr Vertrauen schenken und wir stärkste politische Kraft werden. Wir Christdemokraten wollen auch in Nordrhein-Westfalen mit einem klaren Regierungsauftrag für politische Stabilität sorgen.

In Schleswig-Holstein ist die AfD erstmals wieder aus einem Landtag geflogen.

Und das soll nur der Anfang sein! Das ist ein starkes Signal. Für unsere parlamentarische Kultur, denn die AfD vergiftet mit ihren Parolen häufig die demokratische Debatte in den Parlamenten.

In NRW könnte die CDU zwar stärkste Kraft werden, aber auf die Grünen als Koalitionspartner angewiesen sein. Diese haben aber viel größere Schnittmengen mit der SPD. Wie wollen Sie die Grünen überzeugen?

Ich werbe für ein starkes Ergebnis der CDU und dafür, den Regierungsauftrag zu bekommen, indem wir vorne liegen. Wir haben mit der FDP erfolgreich und vertrauensvoll zusammengearbeitet und das Land vorangebracht. Das würde ich gerne auch nach dem 15. Mai fortsetzen. Ich bin offen, mit allen demokratischen Parteien zu sprechen, die das Land voranbringen wollen, die mit einer modernen Wirtschaft Arbeitsplätze krisensicher machen und neue Arbeitsplätze schaffen wollen, und für gute Bildung und beste Chancen für alle sorgen wollen.

Gerade bei der Bildung sieht die Bilanz Ihrer Regierung aber nicht so gut aus. Noch immer fehlen rund 8.000 Lehrer und Lehrerinnen, die Besoldung ist immer noch nicht angeglichen und bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Bildung ist NRW Schlusslicht.

Wir haben hier große Herausforderungen von Rot-Grün übernommen. Die Vorgängerregierung hat 6.800 Stellen im Schulbereich streichen wollen. Das haben wir gestoppt und stattdessen 10.000 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Die gleiche Zahl an Lehrkräften wollen wir auch in der nächsten Wahlperiode noch mal zusätzlich einstellen. Zudem wollen wir Lehrer und jeden Schüler noch besser mit digitalen Endgeräten versorgen. Wir hatten in den vergangenen Jahren nirgendwo so hohe Mittelaufwüchse wie bei der Bildung. Und wir werden auch künftig weiter kräftig in die Bildung unserer Kinder investieren. Was die Besoldung betrifft, sollen künftig alle Lehrerinnen und Lehrer beim Berufseinstieg A13 erhalten und auch die Lehrer, die bereits anders im Besoldungssystem sind, sollen mit einer unbürokratischen Nachqualifizierung die höhere Besoldungsstufe bekommen.


Eines der größten Themen des Moments hat nichts mit Landespolitik zu tun. Es ist der Krieg in der Ukraine. Weiterhin kommen Tausende Flüchtlinge nach Deutschland. Was glauben Sie: Wird diese Flüchtlingskrise größer werden als die von 2015?

Menschen, die vor Putins grausamem Krieg fliehen und ihre Heimat verlassen müssen, sind willkommen, sie sind bei uns sicher, wir helfen ihnen. Wir haben aktuell über 130.000 ukrainische Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen aufgenommen, fast ausschließlich Frauen mit Kindern. Ich erlebe eine überwältigende Solidarität und Hilfsbereitschaft in vielen Teilen der Bevölkerung. Es rührt mich auch persönlich, wie sehr die Menschen bereit sind, diesem menschenverachtenden Krieg Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe entgegenzusetzen.

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Haben Sie Sorge, dass diese Stimmung wie 2015 kippen könnte?

Nein. Alle staatlichen Ebenen haben aus 2015 gelernt. Wir waren in der Lage, sehr schnell gemeinsam Kapazitäten aufzubauen und haben immer noch rund 15.000 freie Plätze zur Verfügung. Wir sind im engen Austausch mit den Kommunen und geben die Beiträge des Bundes zur Flüchtlingsunterbringung eins zu eins an sie weiter, damit die Kommunen auch finanziell ausgestattet sind, um bestmöglich zu helfen. Und wir sorgen für schnelle Integration etwa durch Kinderbetreuung, Sprachkurse und indem wir die Kinder in die Schulen bringen. Ich bin weiter zuversichtlich, wir schaffen das.

Wie kann man dafür sorgen, dass die Flüchtlinge schnell Arbeit bekommen?

Die Anerkennung der Abschlüsse muss schnell funktionieren. Aber wir müssen auch bedenken, dass viele, die jetzt aus der Ukraine zu uns kommen, möglichst schnell wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen. Viele sind traumatisiert. Wir müssen ihnen die Zeit geben, hier anzukommen und nach all den schrecklichen Erlebnissen auch zur Ruhe zu kommen. Auch müssen wir ihnen helfen, ihre kulturelle Identität zu wahren. Der russische Angriffskrieg verletzt ja nicht nur die territoriale Integrität der Ukraine, sondern hat auch das Ziel, die Identität der Ukrainer und Ukrainerinnen zu zerstören. Deshalb unterstützen wir die Menschen aus der Ukraine dabei, ihre Identität auch hier in Deutschland weiterzuleben, etwa indem die Kinder weiter ihre Muttersprache sprechen können und Kulturarbeit unterstützt wird.

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Ein anderes Problem, das viele bei uns umtreibt, ist die Inflation. Was muss die Politik noch tun, um die Bürger zu entlasten?

Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Menschen ihr Leben weiterhin leisten können. Eine warme Wohnung und der Weg zur Arbeit dürfen kein Luxus werden. Die bisherigen Entlastungspakete der Bundesregierung greifen zu kurz, sie haben zu geringe Laufzeiten und lassen ganze Bevölkerungsgruppen außen vor. Als dauerhafte Entlastungen wären Steuersenkungen besser. Die Ampel darf zudem die Rentner, Studierenden und Azubis nicht im Stich lassen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.

Daher hat die NRW-Landesregierung aus CDU und FDP am Dienstag beschlossen, über den Bundesrat Entlastungen für alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Das heißt erstens: Auch unsere Rentner sollen die Energiepreispauschale von 300 Euro bekommen – direkt mit der Rente ausgezahlt. Zweitens: Auch für alle Studierenden und Auszubildenden, die von der Pauschale bisher nicht profitieren, soll es eine Entlastung geben. An den Kosten dafür sollten sich die Länder beteiligen. Wohnen und Mobilität sollen für niemanden in unserer Gesellschaft zum Luxus werden. Das muss selbstverständlich sein.

Ein Instrument der Entlastung ist das Neun-Euro-Ticket: Drei Monate lang kann man für neun Euro im Monat den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Sie waren mal Verkehrsminister in NRW: Sind die Verkehrsunternehmen bundesweit dem erwartbaren Ansturm überhaupt gewachsen?

Es ist sehr unglücklich und bedauerlich, dass die Verkehrsunternehmen für die zusätzlichen Kapazitäten kein zusätzliches Geld vom Bund erhalten. In den Ballungszentren wird der ohnehin schon viel genutzte öffentliche Nahverkehr durch mehr Nutzer noch mehr überlaufen werden. In den ländlichen Regionen wird sich am oft spärlichen Angebot so ja nichts ändern. Dabei liegt in Wahrheit dort der entscheidende Schlüssel.

Nur wenn wir auch den Menschen im ländlichen Raum ein besseres Angebot machen, wird die Mobilität ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Deshalb haben wir in Nordrhein-Westfalen auch einen unserer Schwerpunkte darauf gelegt und investieren mit einer ÖPNV-Offensive vier Milliarden Euro in den Nahverkehr. Wir wollen unter anderem jede Kommune ab 20.000 Einwohnern an einen Schnellbus oder die Bahn anschließen, mit zusätzlichem Randzeitenprogramm, um zusätzliche Fahrplan-Fahrten auch frühmorgens oder am Abend zu ermöglichen.

Sie sind vor 13 Monaten Vater einer Tochter geworden. Wie vereinbaren Sie Ihren sehr zeitaufwendigen Job mit dem Familienleben? Verpassen Sie zu Hause nicht ganz viel?

Da stehe ich vor den gleichen Herausforderungen wie viele andere junge Eltern auch. Es gibt bei uns klare Zeitfenster für die Familie. Die erste Stunde des Tages gehört meiner Tochter. Ich hole sie aus dem Bett, wechsle die Windel und füttere sie mit dem Fläschchen. Wir starten quasi gemeinsam in den Tag. Das genieße ich sehr.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Hendrik Wüst
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