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Tagesanbruch: Bundeskanzlerin Angela Merkel exklusiv im Interview


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 14.11.2018Lesedauer: 6 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit den Redakteuren Tatjana Heid und Florian Harms.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit den Redakteuren Tatjana Heid und Florian Harms. (Quelle: HC Plambeck)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Heute Morgen serviere ich Ihnen als Erstes drei Nachrichten. Zwei gute und eine schlechte. Beginnen wir mit einer guten: Im Brexit-Streit zwischen Großbritannien und der EU ist eine Einigung zum Greifen nahe; Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland soll es nicht geben. "Ja, der weiße Rauch steigt auf. Wir haben positive Signale, dass es nach Wochen und Monaten der quälenden Debatten jetzt endlich zu einer Einigung kommt", seufzte Manfred Weber, Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, gestern Abend. Es sieht so aus, als ließe sich ein chaotischer Ausstieg der Briten mit all seinen negativen Folgen für den europäischen Handel und damit auch für unser Wirtschaftsleben doch noch abwenden – wenn das Kabinett in London die Einigung heute Nachmittag abnickt. "Den nenn’ ich einen weisen Mann, der sich selber zwingen kann", hat der österreichische Schriftsteller Johann Nepomuk Vogl gedichtet.

Kaum sehen wir im Norden das Licht der Vernunft aufglimmen, verdunkelt sich der Süden – die zweite Nachricht ist schlecht: Die italienische Regierung hat das Ultimatum aus Brüssel in letzter Minute mit einem Donnerschlag beantwortet: Sie weigert sich, an ihren Haushaltsplänen auch nur ein Jota zu ändern, will das Land noch viel stärker verschulden – und gefährdet damit mutwillig die Stabilität der Eurozone. Also auch unser Wirtschaftsleben, also auch unseren Wohlstand und unsere Sicherheit. Verzeihen Sie mir bitte, aber hier muss ich Obelix zitieren: Die spinnen, die Römer.

Bevor sie jetzt schlechte Laune kriegen schnell die dritte Nachricht, und die ist wieder gut: Der EU-Rechnungshof hat gestern schwarz auf weiß bestätigt, dass ein zentraler Baustein der europäischen Flüchtlingspolitik weitgehend erfolgreich funktioniert. Die sechs Milliarden Euro, die aus der EU in die Türkei fließen, damit das Land syrische Flüchtlinge versorgt und davon abhält, die gefährliche Reise übers Mittelmeer nach Europa anzutreten, sind überwiegend gut investiert. In ihrem Bericht kritisieren die Prüfer zwar, dass die Hälfte der Hilfsprojekte nicht stringent organisiert sind und viele Details besser laufen könnten. Doch ein Großteil des Geldes kommt tatsächlich bei den Bedürftigen an, versickert also nicht in dunklen Kanälen. Diesmal kommt das Zitat von Martin Luther: "Denen, die wirklich arm sind, muss man helfen." Punkt.

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Albert Einstein war eine der hellsten Leuchten aller Zeiten, das wissen wir. Was bislang nur wenige wussten: Er hatte auch die Gabe, politische Entwicklungen vorauszusehen. Das wird uns klar, wenn wir den Brief lesen, den er im Jahr 1922 – elf Jahre vor Hitlers Machtergreifung – an seine Schwester Maja schrieb. Schon damals deutete er an, dass Juden wie sie beide in Deutschland in Bedrängnis geraten würden: "Hier sind wirtschaftlich und politisch düstere Zeiten im Anzuge", notierte er in dem eineinhalb Seiten langen Schreiben, das gestern in Jerusalem versteigert wurde. Ein Jahr zuvor hatte er den Nobelpreis für Physik erhalten. Zwölf Jahre später floh er nach Amerika. Und in Deutschland gingen die Lichter aus.

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WAS STEHT AN?

Deutschland ist ein schönes Land: fruchtbar, grün, malerisch. Deutschland ist aber auch eine Wüste: Funklöcher an jeder zweiten Bahnstrecke, lahme Internetverbindungen auf dem Land, Behörden-Websites aus dem Online-Pleistozän, fehlende Gesetze. Die Bundesrepublik hat den digitalen Wandel jahrelang verschlafen, was unser Land als Wirtschafts-, Technologie- und Innovationsstandort massiv schwächt. Um die Dimension des Problems zu verstehen, genügt ein kurzer Blick auf die Liste der Versäumnisse:

  • Fast überall in Deutschland gibt es Funklöcher (hier am Beispiel von Rheinland-Pfalz zu sehen).
  • Telekom und Vodafone weigern sich, überall Glasfaserkabel bis in die Häuser zu verlegen – Stichwort "letzte Meile".
  • Es gibt immer noch kein digitales Bürgerportal, in dem man einfach und schnell Ausweise verlängern, Autos an- und den Wohnort ummelden kann.
  • Viele Behörden wälzen immer noch Papierberge, statt mit digitalen Akten zu arbeiten. Verwaltungsvorgänge bremsen private Anliegen ebenso wie Unternehmensgründungen.
  • Tech-Konzerne wie Facebook, Google, Amazon sind mächtiger als viele Staaten, gehen aber intransparent mit den Daten ihrer Nutzer um und zahlen in Deutschland kaum Steuern.
  • Das Problem von Hass-Postings und politischer Propaganda auf Facebook, YouTube und Twitter ist trotz des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ungelöst. Erst kürzlich haben wir dazu eine aufsehenerregende Recherche veröffentlicht.
  • Beim Thema künstliche Intelligenz droht China uns davonzulaufen, Deutschlands Nimbus als Erfindernation ist akut bedroht.
  • Meine Kollegin Laura Stresing hat das Elend der deutschen Digitalwunde hier seziert.

Jetzt, im Jahre des Herrn 2018, soll endlich alles anders werden. Die große Koalition hat sich vorgenommen, Deutschland binnen weniger Jahre aus dem analogen Zeitalter in die digitale Gegenwart zu katapultieren – und die Bundeskanzlerin packt das Thema persönlich an. Sie weiß: Ihr Bild in den Geschichtsbüchern wird entscheidend davon abhängen, ob es ihr auf den letzten Metern ihrer Kanzlerschaft gelingt, wenigstens noch die Grundlagen für den digitalen Aufbruch zu legen. Deshalb trifft sich das Bundeskabinett heute und morgen zu einer Klausur, die sich ausschließlich dem Thema Digitalisierung widmet – und zum Auftakt erklärt Angela Merkel in Deutschlands führendem Digitalmedium t-online.de ihre Strategie: Unsere Politikchefin Tatjana Heid und ich haben die Bundeskanzlerin zu einem Interview getroffen, in dem wir über all die drängenden Themen gesprochen haben: von den Funklöchern und dem Breitbandausbau über künstliche Intelligenz und die totalitäre Gefahr aus China bis zur Frage, ob Facebook, Amazon und Google stärker reguliert werden sollten.

Auch in Paris wird man dieses Interview heute sehr genau lesen, denn Merkel gibt darin dem französischen Präsidenten die dringend erwartete Antwort auf seine Forderung nach einer europäischen Digitalsteuer. Schauen Sie also gern hinein in unser Interview mit der Bundeskanzlerin (in dem sie auch verrät, wie viel Zeit sie selbst täglich im Internet verbringt).

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WAS LESEN?

Nun habe ich lang und breit über die Digitalisierung berichtet und darüber, wie wichtig es ist, dass Deutschland da endlich vorankommt. Es ist aber auch anderes wichtig, und wie enorm wichtig das ist, begreift man, wenn man einen Vergleich anstellt: Ein entscheidender Grund für den Ausbruch der Finanzkrise vor zehn Jahren waren gewissenlose, unbedarfte oder raffgierige Banker. Sie ersannen Finanzprodukte, die kein Mensch mehr versteht, verscherbelten sie an ihre Kunden und gaukelten ihnen vor, alles sei super sicher und super kontrollierbar. Dann war Schluss mit super, die Blase platzte, Millionen Menschen verloren Geld, Häuser, Hab und Gut, ganze Staaten schlitterten in die Pleite, Regierungen mussten Krisenbanken mit Milliarden an Steuergeldern retten, und die Zentralbanken schraubten ihre Leitzinsen gen null, wodurch unser aller Ersparnisse geschröpft werden. Ein Desaster.

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So, und nun kommt ein Mann daher und sagt: All das droht uns schon wieder – aber noch viel schlimmer. Weil es diesmal nicht um Geld geht. Sondern um Intelligenz. Falls Ihnen das als Appetitanreger noch nicht reicht, schiebe ich noch diesen Hinweis hinterher: Dies ist der aufschlussreichste Text, den ich diese Woche gelesen habe.

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Apropos technischer Fortschritt: Das ist ein Feilen, Optimieren, Werkeln an den Details. Manchmal gibt es natürlich große Sprünge: die Erfindung des Internets oder des Smartphones. Aber meistens geht es weniger aufregend voran. Stetige Verbesserung, man merkt es kaum. Bis auf einmal etwas geht, das noch nie zuvor möglich war.

Satellitenbilder zum Beispiel haben wir schon ewig, hochauflösend sind sie auch schon lange. Kommerzielle Bilder waren bisher üblicherweise in einer Auflösung von 46 Zentimetern verfügbar. Seit einer Weile geht es ein bisschen feiner, jetzt sind auch 31 Zentimeter drin. Eine Studentin hat entdeckt, dass das nun plötzlich reicht, um Wale zu zählen. Aus dem Weltall. In den Weiten des Ozeans. Vorher waren es verschwommene Flecken – jetzt können Forscher plötzlich Bestände abschätzen, deren Entwicklung beobachten und besser dazu beitragen, dass die Wale uns erhalten bleiben. Ganz einfach ist das noch immer nicht, wegen der Wellen, dem Sonnenlicht, der Bewegung der Tiere. Aber es geht. Die Details regelt der schleichende Fortschritt.

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WAS AMÜSIERT MICH?

Sie kennen bestimmt dieses berühmte Plattencover von dem The-Doors-Sänger Jim Morrison. Und das ebenso berühmte Cover von Bruce Springsteens "Born in the U.S.A.". Und natürlich auch das beste Cover aller Zeiten, das der einzigartige, unübertroffene, fantastische David Bowie ziert: "Heroes". Die kennen Sie alle, klar. Haben ja Rock- und Popgeschichte geschrieben. Aber wissen Sie auch, was links und rechts der berühmten Bildausschnitte passiert ist, während die Stars fotografiert wurden? Ich sage es mal so: Der russische Künstler Igor Lipchanskiy hat sich dazu seine ganz eigenen Gedanken gemacht. Und Sie werden Augen machen.

Ich wünsche Ihnen einen überraschend schönen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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