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Tagesanbruch: Antisemitismus in Europa – es reicht!


Was heute wichtig ist
Antisemitismus: Es reicht!

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 20.02.2019Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Geschändete jüdische Gräber auf einem Friedhof in Quatzenheim.Vergrößern des Bildes
Geschändete jüdische Gräber auf einem Friedhof in Quatzenheim. (Quelle: Jean-Francois Badias/ap-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Welch ein beeindruckendes Signal der Menschlichkeit, der Solidarität, der Stärke! Tausende Franzosen haben gestern Abend in vielen Städten gegen Antisemitismus protestiert. In Paris folgten die Demonstranten dem Aufruf von 18 Parteien und versammelten sich auf der Place de la République: ein Schulterschluss der demokratischen Kräfte. "Nein zur Banalisierung des Hasses" stand auf ihren Plakaten und "Es reicht!".

Es reicht in der Tat. Um erschreckende 74 Prozent ist die Zahl der antisemitischen Übergriffe in Frankreich im vergangenen Jahr gestiegen. Zuletzt schändeten Unbekannte hundert Gräber auf dem jüdischen Friedhof im elsässischen Quatzenheim; am Wochenende beschimpften "Gelbwesten"-Aktivisten den jüdischen Philosophen Alain Finkielkraut auf üble Art.

Eine auf den Werten der Toleranz und der Rechtsstaatlichkeit basierende Demokratie darf solche widerlichen Angriffe nicht dulden. Sie betreffen nicht nur Menschen jüdischen Glaubens, sie gehen jeden Bürger etwas an. Der ehemalige französische Präsident François Hollande hat für diese schlichte Tatsache die richtigen Worte gefunden: "Der Antisemitismus ist eine Geißel, er ist ein Angriff auf die Republik", sagte er gestern. Es handele sich "nicht um eine Angelegenheit der Juden", sondern um "eine Angelegenheit ganz Frankreichs".

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Ich denke, wir müssen den Kreis sogar noch größer ziehen: Es handelt sich um eine Angelegenheit ganz Europas. Auch in Deutschland nimmt der Antisemitismus erschreckend zu; das Bundesinnenministerium hat die Entwicklung akribisch dokumentiert. So wie der Hass und die Boshaftigkeit keine Grenzen kennen, dürfen auch unsere Solidarität, unsere Courage und unser entschiedener Widerspruch gegen Diskriminierung keine Schranken kennen. Es reicht! Auch hierzulande.


Weihrauch, Sandelholz und Moschus an der Basis, Ingwer, Kardamom und Rosenholz im Herzen, darauf der zarte Hauch der Grapefruit, der Mandarine und der Pflaume, gekrönt von Bergamotte: Ein Duft, so unverkennbar wie der erste Frühlingstag, so leicht wie die Jugend, so dezent wie die Anmut, so betörend wie der Charme. So einen Duft kann nur jemand erschaffen, der das Leben sehr gut kennt, die Liebe ebenso wie die Trauer, die Sehnsucht wie den Rausch. So einen Duft konnte nur Karl Lagerfeld kreieren.

Nun rühmen sie ihn weltweit, den verstorbenen Maestro der Mode, den Exzentriker und den Visionär, stets seiner Zeit voraus und immer auf dem Sprung, um kommende Trends zu antizipieren. Sie preisen seine Schnitte, seine Kleider für Chloé und Chanel, seine Fotografien und seine Bonmots über Jogginghosen, Frau Schiffer und Frau Klum. Und natürlich reden alle über seinen unvergleichlichen Stil: klar, aber elegant, reduziert, aber auffallend. Riesige Kent-Kragen, scharf geschnittene Anzüge, ein Fächer in der behandschuhten Hand und vor allem: viel, viel Schwarz. Ein Mann wie aus einem Film noir. Ein Mann, der sich auf ewig in der Welt der Mode und Ästhetik verewigt hat.

Aber all der Glamour, die Kleiderkunst und der Starrummel verblassen in meinen unwesentlichen Augen oder vielmehr in meiner Nase hinter dem rechteckigen Flacon mit der zitronengelben Flüssigkeit und dem schlichten Aufdruck: JAKO. Ein Eau de Toilette, erschaffen im Jahre des Herrn 1998, heute vergriffen. Als der Meister die Produktion dieses Wunderwässerchens vor einigen Jahren einstellte, war es, als raube er uns den Frühling, den er uns einst geschenkt hatte. Der Duft der Jugend und der Freiheit, der Lieblichkeiten Hauch und der kleinen Verrücktheiten auch: Alles strömte aus diesem schlichten Fläschchen. Wer eines davon über die Zeit gerettet hat, darf sich sehr glücklich schätzen. Allen anderen bleibt nur die Erinnerung an den Duft des Frühlings auf der Haut und die Trauer um seinen Schöpfer. Möge seine Nase sich dort, wo er jetzt lustwandelt, an vielen blühenden Knospen erfreuen: Grapefruit, Mandarine und die Bergamotte auch. Danke für den Frühling, Karl!


WAS STEHT AN?

Wer den Regierungsparteien lauscht, kann den Eindruck bekommen, bei den Themen Migration, Flucht und Zuwanderung komme es ausschließlich darauf an, unsere Grenzen abzuschotten, Flüchtlinge rigoros abzuweisen und abgelehnte Asylbewerber möglichst schnell abzuschieben. Vor allem der Bundesinnenminister von der CSU, aber auch die neue CDU-Chefin haben sich dabei hervorgetan, den Diskurs in dieser Hinsicht zu verengen. Das erscheint mir geradezu fahrlässig kurzsichtig. Denn mindestens ebenso wichtig wie ein funktionierendes Grenzmanagement sind doch erstens ein modernes Zuwanderungsrecht, das sich an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts orientiert, und zweitens die Integration der bereits hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund.

Denn das haben die wechselnden Bundesregierungen jahrzehntelang versäumt. Schon in ihrer Bezeichnung signalisierte man den Gastarbeitern aus Südeuropa und der Türkei, dass sie nur auf Zeit in Deutschland geduldet seien. Als sie dann unverzichtbar für die Wirtschaft wurden, als sie Familien gründeten, in die Rentenkassen einzahlten, das deutsche Kultur- und Sozialleben bereicherten, Pizzerien und Reisebüros eröffneten, als manche von ihnen erfolgreiche Unternehmer wurden und andere Bürgermeister oder Abgeordnete, da tat sich der deutsche Staat immer noch schwer, sie endlich als vollwertige Bürger unseres Landes anzuerkennen. Es dauerte sage und schreibe drei Generationen, bis insbesondere die Dauerregierungspartei CDU endlich begriff, dass Deutschland längst ein Einwanderungsland geworden war.

Inzwischen haben selbst die schwärzesten der Schwarzen mehr oder weniger eingesehen, dass die Zuwanderung erstens eine Realität und zweitens vielerorts eine Bereicherung ist. Aber was daraus an konkreter Politik folgt, liegt immer noch im Nebulösen. Nun läuft Deutschland Gefahr, mit den im Zuge der Flüchtlingskrise zugewanderten Menschen aus Arabien, Afghanistan, Afrika dieselben Fehler zu wiederholen. Sicher: Weder können noch wollen noch dürfen sie alle bleiben. Aber viele eben doch. Weil sie einen dauerhaften Anspruch auf Asyl haben oder weil sie dringend auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden.

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Deshalb ist es ein großer Schritt nach vorn, dass sich neben zahlreichen privatwirtschaftlichen Organisationen auch der Staat intensiver um die Integration dieser Menschen kümmert. Heute Vormittag konstituiert sich in Berlin die "Fachkommission Integrationsfähigkeit". Im Auftrag der Bundesregierung soll sie konkrete Vorschläge entwickeln, wie sich die wirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen, gesellschaftlichen und demografischen Rahmenbedingungen für Integration verbessern lassen. Sprachkurse, die Vermittlung demokratischer Werte, schnelle Arbeitserlaubnis, Wohnsitzfreiheit und vieles mehr: Die Liste der Themen wird lang sein. Ein großer und wichtiger Schritt.


Russlands Präsident Wladimir Putin hält heute seine, warten Sie bitte, ich sehe noch mal nach … 15. Rede an die Nation. Er hält sie in schwierigen Zeiten: Das Verhältnis zum Westen ist durch die Sanktionen und die Kündigung des INF-Abrüstungsvertrags belastet. Auch innenpolitisch steht der Kremlchef unter Druck, weil viele Russen sich über die angehobene Mehrwertsteuer und das spätere Renteneintrittsalter echauffieren. Seine Ansprache dürfte also eine Gratwanderung werden: einerseits Macht und Härte demonstrieren, andererseits Dialogbereitschaft signalisieren. Meine Kollegen aus unserem Politikteam werden ihm bei diesem Balanceakt zusehen und für Sie berichten.


Großbritanniens Premierministerin Theresa May weilt heute Abend wieder mal zu Brexit-Gesprächen in Brüssel. Wird wohl wieder mal nix dabei herauskommen. Und dann bleiben fünf Wochen bis zum Big Bang.


Wir alle werfen viel zu viele Lebensmittel weg. Ich denke, das darf ich hier so verallgemeinernd feststellen und dabei neben Privathaushalten auch Restaurants und Supermärkte einbeziehen. Heute befasst sich sogar das Bundeskabinett mit der Angelegenheit; Ernährungsministerin Julia Klöckner will eine "Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung" vorlegen. Ein bisschen seltsam mutet es schon an, dass wir in Deutschland alles und jedes gleich zur "Nationalen Strategie" aufblasen, aber wenn es der Problemlösung dient, bitte.


Gestern nur ein 0:0. Urgh. Na ja, immerhin glänzte die Münchner Abwehr (hier die Einzelkritik der Bayernspieler von unserem Reporter Luis Reiß). Aber vorne? Pff. Irgendwie scheinen sie in der Champions League keine Tore mehr schießen zu wollen – egal, ob sie für Dortmund, München, Liverpool, Barcelona oder Lyon kicken. Bestimmt können das die Schalker besser. Vor dem Spiel gegen Manchester City hat mein Kollege Robert Hiersemann mit Weltmeister Benedikt Höwedes gesprochen, der jahrelang als Kapitän das Spiel der Königsblauen prägte. "Schalke hat etwas gutzumachen", sagt er. Was er noch sagte, erfahren Sie hier.


WAS LESEN?

Wie auch viele andere Kommentatoren bemängelt der Herr Harms ja ständig, dass Großkonzerne wie Amazon, Volkswagen, BASF trotz Milliardengewinnen keine oder viel zu wenig Steuern zahlen. Nun kommt unsere Kolumnistin Ursula Weidenfeld daher, die viel mehr Ahnung von Wirtschaft hat als der Herr Harms und viele andere, und sagt: Klar, das ist ein Riesenärgernis – aber wir müssen uns daran gewöhnen. Donnerwetter, muss ich lesen!


Donald Trump hat die europäischen Staaten aufgefordert, ihre in Syrien festgenommenen IS-Terroristen zurückzunehmen. Was heißt das für Deutschland und die Sicherheit? Mein Kollege Johannes Bebermeier beantwortet knapp und präzise die fünf wichtigsten Fragen.


WAS BESCHWINGT MICH?

Es muss auch mal erlaubt sein, Leute in die Ecke zu stellen. Denn dabei kann Wunderschönes herauskommen. Vor allem, wenn die Leute Mexikaner sind, ihre Instrumente mitgebracht haben und sich eine Sängerin dazugesellt, deren Stimme alle Ecken sprengt. Jede Wette: Nach dieser Gesangseinlage in der Bücherecke werden Sie beschwingt in den Tag hinausfedern.

Ich wünsche Ihnen einen beschwingten Tag.

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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