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Tagesanbruch: Türkei gegen die Kurden – lachender Dritter ist kein Syrer


Der lachende Dritte ist kein Syrer

  • Peter Schink
Von Peter Schink

Aktualisiert am 15.10.2019Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Bombeneinschläge in Ras al-Ain: Die türkische Armee ist in den Kurdengebieten auf dem Vormarsch.Vergrößern des Bildes
Bombeneinschläge in Ras al-Ain: Die türkische Armee ist in den Kurdengebieten auf dem Vormarsch. (Quelle: Mustafa Kaya/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages. Heute in Stellvertretung für Florian Harms:

WAS WAR?

Nennen wir es einen Traum: Die (noch?) nicht existierende europäische Armee rückt im Norden Syriens den abziehenden US-Truppen nach. Sie will den bevorstehenden Einmarsch der Türkei in die Kurdengebiete verhindern. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gibt daraufhin seine Invasionspläne auf und ändert seinen politischen Kurs.

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Doch der Traum ist schnell ausgeträumt: Europa scheut die Konfrontation mit der Türkei. Schließlich könnten andernfalls bald wieder Flüchtlinge ungehindert nach Griechenland passieren. Zudem: Die Europäer benötigen für ihre Beschlüsse Einstimmigkeit. So konnten die EU-Außenminister am Montag keine Sanktionen gegen die Türkei beschließen, im Wesentlichen weil die ungarische Regierung dazu nicht zu bewegen war. Und die Nato braucht das Land als geopolitischen Anker.

Währenddessen twitterte am Montagabend der US-Präsident, vielleicht hätten ja "Russland, China oder Napoleon" Interesse, Syrien dabei zu helfen, die Kurden zu schützen. "Ich hoffe, sie sind da alle erfolgreich, wir sind 7.000 Meilen entfernt." Das sagt jemand, der noch vor wenigen Wochen die Kurden als Verbündete im Kampf gegen den IS lobte.

Was folgt daraus? Die EU ist ein außenpolitischer Zwerg und der Mann im Weißen Haus ein Ignorant? Ja, so in etwa.

Der Konflikt hat eine Dimension, die sich so richtig erst am Horizont abzeichnet: Am Sonntag schlossen die Kurden ein Bündnis mit Baschar al-Assad, damit der Truppen zum Schutz der Kurden entsendet. Die Kurden paktieren mit dem einstigen Gegner, weil er der Einzige ist, der ihnen noch beistehen will. Assad freut sich, dass er die Kurdengebiete zumindest ein Stück weit wieder unter seinen Einfluss bekommt. Eine Randnotiz: Die Verhandlungen wurden unter russischer Beteiligung geführt.

Denn in Russland sitzt der lachende Dritte: Während Trump Unsägliches twittert, ist Wladimir Putin seinem Ziel ein großes Stück näher: Ohne ihn geht in der Region nichts mehr.

Auf den ersten Blick stehen sich nun ein Nato-Partner und ein russischer Verbündeter gegenüber. In der Nacht zu Dienstag erreichten die syrischen Truppen die Stadt Manbidsch, die türkischen Truppen stehen bereits am Stadtrand. Doch nicht nur die syrische Armee weiß um die Unterstützung Russlands. Auch die türkische Regierung hält regen Kontakt nach Moskau. Wladimir Putin betont, dass er auch die türkischen Sicherheitsinteressen unterstützt. Dass es zu einem Krieg zwischen der Assad-Armee und der Türkei kommt, ist deshalb äußerst unwahrscheinlich.

Im Ergebnis könnte es Putins Meisterstück werden: Die Kurden geraten in Syrien unter die Kontrolle des Assad-Regimes und erhalten dafür einen wie auch immer gearteten Autonomie-Status. Und die Türkei gerät unter russischer Vermittlung noch tiefer in Putins Einflusssphäre. Ein Szenario, in dem Europa und die Nato keine Rolle mehr spielen. Zuzuschreiben haben wir uns das selbst.


Und dann war da noch: Der Brexit. Weil wir darüber in dieser Woche noch reichlich zu schreiben haben, lohnte sich gestern ein etwas anderer Blick. Nämlich der auf die Queen. Die verlas beim "State Opening of Parliament" (der jährlichen Eröffnung des Parlaments) traditionell das Programm ihrer Regierung. Was für ein Glanz und Pomp.

Das Königreich liebt seine Traditionen. Und so las die 93-Jährige zum fünfundsechzigsten Mal – als wären es ihre eigenen Worte. Doch natürlich hatte Boris Johnson die Rede geschrieben und Queen Elizabeth II. musste mit stoischer Miene erklären, wie großartig das Königreich denn erst werde, wenn es aus der EU ausgetreten sei. Ich beneide sie nicht darum.

Zyniker in Großbritannien lästerten anschließend, sie habe die königliche Krone bei der Zeremonie nicht getragen; erst zum dritten Mal in ihrer langen Laufbahn. Der Grund dafür ist möglicherweise simpel: Die Krone wiegt über ein Kilo und ist folglich für ältere Damen nicht gerade leicht zu tragen, wenn man eine längere Rede zu halten hat.


Der Deutsche Buchpreis hat seit gestern Abend einen neuen Preisträger. Saša Stanišić stammt aus Bosnien. Und nutzte seine Rede im Frankfurter Römer für Kritik am frisch gekürten Nobelpreisträger Peter Handke. "Ich hatte das Glück, dem zu entkommen, was Peter Handke in seinen Texten nicht beschreibt", sagte der Autor.

Damit facht Stanišić die Debatte erneut an, die andere schon für beendet erwähnten: Wie weise ist es, den Literatur-Nobelpreis einem Autor zu verleihen, der zwar sprachlich brillant schreibt, politisch aber fragwürdige Aussagen trifft? Eine Frage, die im Falle Handkes aus Sicht der Bosnier klar beantwortet werden kann: Es ist gar nicht weise.


WAS STEHT AN?

Dem Steuerzahler drohen Schadensersatzzahlungen in Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro. Das Verkehrsministerium hatte noch im Dezember 2018 Verträge zur Pkw-Maut geschlossen, bevor die EU das Vorhaben kippte. Die Opposition hat mit Verkehrsminister Andreas Scheuer den Schuldigen ausgemacht: Und will deshalb am heutigen Dienstag gemeinsam einen Untersuchungsausschuss beantragen.

Für den Minister wird es eng. Sollte er tatsächlich bei Geheimtreffen ein Angebot abgelehnt haben, die Verträge erst nach dem Urteil des EuGH zu unterzeichnen, dann wird ihn die Opposition im U-Ausschuss grillen. Da es bei den Treffen (unüblicherweise) keine Aufzeichnungen gab, wird der Nachweis allerdings schwierig.

Ach ja. Google präsentiert uns heute das Pixel 4. Während Google fleißig selbst technische Details vorab streut (oh ja, die Kamera wird sensationell!), sorgt ein anderes Detail für Aufmerksamkeit. In Kanada wurden die Preise vorab bekannt. Demnach wird das Handy auch hierzulande wohl um die 1.000 Euro kosten. Damit reiht sich der Konzern in die Hochpreisstrategie anderer Anbieter ein. Smartphones werden also mehr und mehr zum teuren Statussymbol. Ich warte auf den Tag, an dem der Preis eines Luxus-Smartphones den eines Kleinwagens übersteigt. Ach, Moment. Das gibt es ja schon.


WAS LESEN ODER ANSCHAUEN?

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Kennen Sie das vielleicht schon? Kurz vor einer Wahl flattern auf einmal Zeitschriften in den eigenen Briefkasten. Gratis, unabhängig und natürlich überparteilich. Nur zufällig ähnelt das Blatt in seiner Ausrichtung einer Partei sehr. Sie fühlen sich an die AfD erinnert.

Die Blätter tragen verschiedene Namen. Der "Deutschland-Kurier" wurde so berühmt-berüchtigt. Das "Extrablatt" an anderer Stelle. In Thüringen ist es nun "Der Wahlhelfer". Und selbstverständlich hat der wieder nichts mit der AfD zu tun.

Die Hintergründe dieses Blattes sind dubios. Rechte Autoren, ein Verein, der keiner ist, ein falsches Impressum. Lesenswert, was meine Kollegen Jonas Mueller-Töwe, Sarah Thust und Jan-Henrik Wiebe dazu recherchiert haben.


DIE GUTE NACHRICHT

In meiner Jugend habe ich einen nicht unerheblichen Teil meiner Freizeit mit Computerspielen verbracht. Ich rede mir ein, das sei nicht zu meinem Nachteil gewesen. Schließlich habe ich damals ja nicht nur vor dem Computer gesessen (ok, nur mein bester Freund besaß einen).

Jetzt jedenfalls gibt es 2.500 Möglichkeiten mehr, sich in alte Zeiten zurückzuversetzen. Dem Internet Archive sei Dank.


WAS AMÜSIERT MICH?

Dem kleinen Michi ist beim München-Marathon ein Missgeschick passiert. Eigentlich wollte er nur 10 Kilometer weit laufen. Doch dann verpasste er eine Abzweigung. Sportlich finde ich es schon, wenn Sie es schaffen, jeden Morgen den Tagesanbruch bis hierhin zu lesen.

In diesem Sinne wünsche ich einen wunderbaren warmen Herbsttag. Morgen schreibt mein Kollege Florian Wichert an dieser Stelle.

Ihr

Peter Schink
Stellvertretender Chefredakteur t-online.de
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Twitter: @peterschink

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